Andreas Kinzel
Innovative Warengruppen
Neben der klassischen Einteilung und Gestaltung ist es reizvoll, innovative Warengruppen im Apothekenbetrieb zu schaffen. Es müssen also „neue“ Themen und „unentdeckte“ Zielgruppen gefunden werden. Effektivität und Effizienz werden dann dadurch gesteigert, dass zuvor im Sortiment „verstreute“ Artikel thematisch zusammengefasst werden und damit deren Attraktivität erhöht wird. Nachfolgend werden fünf Beispiele für innovative Warengruppen vorgestellt:
- Frauen stellen zumeist den Großteil der Apothekenkunden dar. Dennoch erscheint es reizvoll, die oftmals vernachlässigte Männerkosmetik verschiedener Firmen in einem Regal zusammenzufassen und damit die Bedeutung dieser Produkte herauszustellen. Häufig stehen Artikel der Männerkosmetik im Schatten der jeweiligen allgemeinen Vollsortimente. Durch die meist kleinen Serien der speziellen Männerkosmetik bleibt diese vielfach dem potenziellen Kunden verborgen. Durch eine eigene Warengruppe mit hochwertiger Kosmetik können die immer „pflegebedürftigeren“ Männer gezielt angesprochen werden.
- Obwohl das Alter der Apothekenkunden offensichtlich häufig über 50 liegt, können Angebote speziell für junge Kunden ein attraktiver Bestandteil des Sortiments sein. Bei den jüngeren Kunden ist die Zielgruppe Mutter und Kind besonders hervorzuheben. Die entsprechende Warengruppe wird gelegentlich bereits geführt; hierbei ist zu überlegen, diese auszubauen und im Profil zu schärfen. Dabei ist bedeutend, alle Bedürfnisse der Zielgruppe anzusprechen. So können diverse Tees (Schwangerschafts-, Still- und Kindererkältungstees) oder spezielle Vitamine und Mineralstoffe für Schwangere hier integriert werden statt bei den Gesundheitstees bzw. Nahrungsergänzungsmitteln. Darüber hinaus ist auch die Platzierung von Mitnahmeartikeln wie z.B. Beruhigungssaugern sinnvoll.
- Der Kassenbereich (POS/ Point of Sale) gilt als besonders wertvoll, insbesondere für Impuls- und Mitnahmewarengruppen. Zwar ist die Bedeutung dieses Präsentationsortes bekannt, doch wird er in der Apotheke selten effektiv genutzt. Häufig werden Restposten nach dem Motto „was an der Kasse steht, das geht“ hier platziert. Die Problematik liegt dann oftmals in einer unkoordinierten und zu betonten Präsentation einzelner Artikel wie z.B. nur Bonbons. Zudem erfüllen einige der in diesem Bereich angebotenen Waren nicht die Kriterien von Mitnahmeartikeln, die eher niedrigpreisig, zielgruppenunabhängig, versorgungsunabhängig (ungeplanter Kauf), handlich und aktuell (z.B. Sonnenschutzlippenpflege im Hochsommer) sein sollten. Betriebswirtschaftlich sinnvoll ist vor allem, Schnelldreher anzubieten, wobei aufgrund der hohen Abverkaufszahlen und des großen Stücknutzens auch Artikel im niedrigen Preissegment gute Gewinne abwerfen. Wichtig ist dabei, die Warengruppe aktiv mit hoher Dynamik zu betreuen, um auf aktuelle Trends reagieren zu können. Ebenso wichtig ist eine ansprechende, nicht überladene Präsentation. Gelegentlich ist „weniger mehr“, um die Kunden nicht zu überfordern.
- Eine weitere mögliche Warengruppe kann „Aktionen und Neues“ sein. Diese Warengruppe muss eine hohe Dynamik aufweisen, da sie aktuelle Trends aus Medienberichten und Werbung oder auch saisonbezogene Anlässe aufgreift. Hierbei spielen ebenfalls Mitnahme- und Impulskaufartikel eine bedeutende Rolle. Das Besondere bei dieser Warengruppe ist, dass neue Produkte und Aktionsware in eine optisch und promotionsbezogene attraktive Position gesetzt werden. Ein weiterer Aspekt ist die temporäre Begrenzung. Dadurch werden Kunden angesprochen, die sich für die neuesten Trends interessieren. Dies kann in Zusammenarbeit mit Firmenpromotions (z.B. Aktionstag/Aktionsmonat) und auch vertiefendem Informationsmaterial (z.B. Broschüren und Flyer) sowie einer verstärkten Abgabe von Proben gestaltet werden. Sinnvoll ist, „Aktionen und Neues“ vom Kassenbereich/POS zu differenzieren. Während am POS typische Mitnahmeartikel ohne großen Beratungsbedarf vorwiegend Impulskäufe generieren sollen, wird im Bereich „Aktionen und Neues“ als längerfristige Strategie eine gezielte Promotion von größeren Sortimentsbereichen verfolgt, die zudem eine bestimmte Zielgruppe ansprechen. Der Kassenbereich sollte dagegen zielgruppenunabhängigen Artikeln vorbehalten bleiben.
- Als interessant erscheint es ebenfalls, eine – oder mehrere abgestufte – Warengruppe(n) Healthstyle zusammenzustellen. Dabei ist die Differenzierung vom kranken zum gesunden Kunden, der präventiv oder auch im Bereich Wohlbefinden (Wellness) aktiv ist, ausschlaggebend. Hier sollen Zielgruppen angesprochen werden, die ihre Gesundheit erhalten wollen und dazu in der Apotheke einkaufen. Die Auswahl der Warengruppe(n) orientiert sich am lokalen Kundenkreis der jeweiligen Apotheke. Kombiniert werden können beispielsweise Artikel aus den Bereichen Wohlfühlen (z.B. Entspannungsbäder), Kosmetik (z.B. Körperpflegeprodukte), Ernährung (z.B. Eiweißnahrung) oder Sport (z.B. Magnesium). Damit kann diese Zielgruppe ihr(e) Regal(e) gezielt ansteuern und durch Bedürfnisanregung zu Zusatzkäufen animiert werden. Sind die jeweiligen Artikel in der Offizin verstreut, sinkt die Möglichkeit, den Kunden an einen Kauf emotional zu „erinnern“.
Konkrete Umsetzung
Zunächst ist es sinnvoll, Regal- oder Warengruppenmanager einzusetzen. Häufig werden bereits Mitarbeitern diverse Regale zugeteilt, die sie dann in einem bestimmten Kompetenzbereich betreuen. Die Kompetenzen reichen dabei von einer einfachen Zusammenstellung bis zum Einkauf unter festgesetzten Rahmenbedingungen. Dies kann im Sinne des Category Managements ausgebaut werden.
Der Vorteil dabei liegt darin, dass der Apothekenleiter entlastet wird, da er nicht das Gesamtsortiment im Detail kennen und betreuen, sondern nur die Warengruppen als solche im Überblick und Controlling betrachten muss.
Jeder Mitarbeiter sollte bei „seinen“ Warengruppen Kreativität zeigen und für deren Erfolg verantwortlich sein. Damit wird auch die Leistung des Mitarbeiters besser messbar und seine Motivation gesteigert.
Wie wird nun ein solches Managementsystem aufgebaut? Grundsätzlich kann ein Kreislauf gebildet werden. Zunächst müssen einzelne Warengruppen thematisiert und an die Regalbetreuer verteilt werden. Dabei ist es sinnvoll, das Sortiment erst einmal in einem Basissortiment zusammenzufassen und dann daraus einzelne Warengruppen, z.B. Sonnenschutz, herauszulösen. Damit ist ein zu radikaler Wechsel der Sortimentsbetreuung und ein zu hoher akuter Arbeitsaufwand ausgeschlossen. Des Weiteren können dadurch selbstständig, d.h. ohne Hilfe von Firmen und Kooperationen, Schwerpunkte in der Sortimentspolitik gesetzt werden.
Im zweiten Schritt muss die einzelne Warengruppe definiert werden. In unserem Beispiel stellt sich die Frage, was der Warengruppe Sonnenschutz zuzurechnen ist. Neben dermalen Schutzpräparaten bieten sich hier Calciumprodukte oder Carotinoide an.
Im dritten Schritt wird die Warengruppe konkret gestaltet. Entscheidend ist hierbei, eine ausgewogene Auswahl verschiedener Artikel und Hersteller zu treffen. Dabei ist nicht nur die tatsächliche Regalbestückung wichtig, sondern auch eine tabellarische Aufstellung zur Verwaltung (z.B. Bestellungen) und späteren Erfolgskontrolle nötig.
Im vierten Schritt ist die Bedeutung der Warengruppe festzulegen. Hier ist zu entscheiden, welcher Platz, wie viel Platz und welche Werbung der Warengruppe zugemessen werden soll. So ist es sinnvoll, während der typischen Sommerreisezeit einer Warengruppe Sonnenschutz mehr Bedeutung zuzumessen als im Frühjahr oder Herbst.
Im fünften und letzten Schritt muss dann der Erfolg anhand von Kennzahlen, z.B. Abverkaufszahlen und Rohgewinn, ermittelt und das Sortiment an veränderte Kundenwünsche angepasst werden.
Danach beginnt die Thematisierung von Neuem. Jetzt muss entschieden werden, ob die Warengruppe in der aktuellen Zusammensetzung bestehen bleiben, neu eingegrenzt oder wieder ins Basissortiment eingegliedert werden soll.
Aktives und passives Managen der Warengruppen
Manchmal wird in Apotheken das Sortiment von Einkaufskonditionen bei Direktgeschäften, der Sympathie für gewisse Außendienstmitarbeiter oder der Nachfrage der letzten drei bzw. vier Monate bestimmt. Allen gemeinsam ist die Tatsache der passiven Sortiments- und Warengruppengestaltung. Ein Kaufmannssprichwort sagt, dass im Einkauf der halbe Gewinn liegt. Bei einem ganzheitlichen Ansatz sollte bei der Gestaltung einer Warengruppe aber auch beachtet werden, dass die Ware nicht nur gut eingekauft, sondern auch gut verkauft werden muss, um Gewinn abzuwerfen. So ist zu überprüfen, mit welchen Produkten ein entsprechender Absatz erreichbar ist.
Obwohl Vergangenheitswerte hier möglicherweise hilfreich sind, sollte dennoch überlegt werden, Warengruppen prospektiv zu verwalten. Eine möglichst genaue Analyse der Zielgruppen und deren Bedürfnisse ist dabei sinnvoll. So stellt sich die Frage, wer? soll wie? und vor allem wann? durch entsprechende Warengruppen und deren Präsentation angesprochen werden. Dadurch kann eine Warengruppe in einem ständigen Prozess überarbeitet und optimiert werden. Bedeutend ist dabei, dass ein Warengruppenmanager aktiv in den Prozess der Gestaltung eingreift und dadurch das Sortiment nicht allein dem Sog der Nachfrage überlassen wird. Werden Warengruppen überhaupt nicht gemanagt, besteht die Gefahr, das Sortiment am Kundenwunsch vorbei anzubieten.
Die wesentlichen Vorteile eines aktiven Warengruppensystems im Sinne des Category Managements liegen in der einfachen und dennoch präzisen Schaffung von Warengruppen, der freien und trotzdem gezielten Kombinierbarkeit sowie der Ausrichtung am Kundeninteresse. So wird das Sortiment nicht alleine nach der Nachfragehistorie gebildet, sondern in einer aktiv gesteuerten Angebotspolitik umgesetzt.
Profilschärfung der Apotheke
Durch die Bildung der einzelnen Warengruppen wird eine Profilschärfung der Apotheke erreicht, indem bestimmte Kundengruppen, die in dieser Form im Apothekenalltag bisher eine untergeordnete Rolle spielen, gezielt angesprochen werden. Ein Beispiel hierfür ist der Mann als kosmetisch interessierter Kunde. Zudem können Produkteinführungen besser vermarktet werden als bislang.
Effizienz und Effektivität werden durch eine Prozessvereinfachung mittels einzeln steuerbarer Geschäftseinheiten gesteigert. Werden Warengruppenmanager eingesetzt, erstellen und betreuen diese nach der oben geschilderten Vorgehensweise eine klar definierte Warengruppe, während nach den klassischen Methoden oft Abgrenzungen des Sortiments und der Kompetenzen der Mitarbeiter fehlen. Der Beschaffungsprozess kann weitgehend aus den bestehenden Strukturen übernommen und entsprechend angepasst werden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(08):8-8