Heilmittelwerberecht

Richtig werben angesichts der Neuregelungen


Dr. Bettina Mecking

Der aktuelle Entwurf des „Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ (sog. 16. AMG-Novelle) sieht auch Änderungen des Heilmittelwerbegesetzes vor. Die bestehenden Möglichkeiten für die Apothekenwerbung werden dadurch ausgeweitet.

  • Preis- und Mengenangabe,
  • eine Abbildung der Verpackung des Arzneimittels,
  • eine grafische Gestaltung der Werbung, wenn dadurch kein Hinweis auf Anwendungsgebiet oder Wirkungsweise erfolgt,
  • Anpreisungen allgemeiner Art wie „Neu im Sortiment“,
  • generelle Qualitätsangaben („Mehr Apotheke fürs Geld“) sowie saisonaler Bezug der Werbeaktion.

Es darf kein medizinisch-gesundheitlicher Bezug in der Werbung für das konkrete Arzneimittel enthalten sein.

Die nun vorgesehenen Änderungen des HWG beruhen auf Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und der deutschen Gerichte, wonach das HWG im Einklang mit den Regelungen zur Öffentlichkeitswerbung im Gemeinschaftskodex für Human­arzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG) auszulegen sei. Dessen Vorschriften zur Öffentlichkeitswerbung sind deutlich liberaler als die des HWG. Die Liberalisierung eröffnet innovative Wege des Marketings, und zwar nicht nur für Humanarzneimittel, sondern auch für die weiteren Produkte und Leistungen im Anwendungsbereich des HWG.

Künftig unterliegt die Übermittlung der behördlich autorisierten Fachinformation und Packungsbeilage sowie des Öffen­tlichen Beurteilungsberichts auf Anfrage einer Person und die Bereitstellung dieser Informationen nicht mehr den Restriktionen des HWG. Apotheken dürfen nun als zulässigen Service für ihre Kunden diese Texte ungekürzt und unverändert bereithalten, sodass sie von Verbrauchern etwa auf der Apotheken-Homepage abgerufen werden können. Zuvor empfiehlt sich aber eine Klärung der Nutzungsrechte an den Unterlagen mit dem jeweiligen Arzneimittelhersteller. Diese Möglichkeit dürfte für Apotheken attraktiv sein, die Arzneimittelversandhandel betreiben.

Weniger Verbote

Verbote, die nicht den europäischen Vorgaben entsprechen, wer­den ersatzlos gestrichen. So wird es künftig erlaubt sein, außerhalb von Fachkreisen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Therapien zu werben

  • mit Gutachten, Zeugnissen und Veröffentlichungen, es sei denn, diese beinhalten eine Empfehlung. Bei der Werbung mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten müssen bestimmte Formalien eingehalten werden. Diese im HWG bislang auf die Fachkreiswerbung beschränkten Vorgaben dürften künftig auch bei der nun zulässigen Öffentlichkeitswerbung Anwendung finden;
  • mit der bildlichen Darstellung von Heilberuflern in Berufsbekleidung. Aufnahmen im weißen Kittel sind dann also erlaubt. Wann die Grenze zu einer unzulässigen, den Arzneimittelkonsum anregenden Werbung im Einzelfall überschritten ist, wird die Rechtsprechung künftig konkretisieren müssen;
  • mit fremd- oder fachsprach­lichen Bezeichnungen;
  • mit Veröffentlichungen, die dazu beitragen, bestimmte Krankheitsbilder selbst zu erkennen und mit den beworbenen Arzneimitteln, Therapien etc. zu behandeln.

Allerdings sind bei sämtlichen Werbemaßnahmen im Gesundheitsbereich immer auch die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben wie beispielsweise das Verbot der irreführenden Werbung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und die Werberegeln in den Berufsordnungen zu beachten.

Konkreter gefasste Vorgaben

Nicht zuletzt muss sich jede Werbung mit wissenschaftlichem Bezug auch künftig daran messen lassen, dass sie nicht in die Irre führt. Bislang ist eine solche Werbung nach dem HWG grundsätzlich verboten, und zwar unabhängig davon, in welcher Weise sie erfolgt. Künftig sind entsprechende Werbemaßnahmen nur verboten, wenn geworben wird mit

  • Krankengeschichten, die missbräuchlich, abstoßend oder irreführend wiedergegeben werden und zu einer falschen Selbstdia­gnose verleiten können,
  • bildlichen Darstellungen, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder durch die Wirkung eines Arzneimittels zeigen,
  • Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank- oder Emp­fehlungsschreiben, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.

Ein ausdrückliches Verbot wird es im Bereich Schönheitschirurgie geben, dort bleiben „Vorher-Nachher-Bilder“ verboten, die anderswo nunmehr verwendet werden dürfen.

Spezialfälle

Nach §8 HWG dürfen Apotheken nun an andere Apotheken Verkaufskataloge und Preislisten für nicht zugelassene Arzneimittel versenden.

Das generelle Verbot der Pub­likumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel bleibt bestehen. Das Verbot der Publikumswerbung für Schlaf- und Beruhigungsmittel gilt nur für Mittel mit potenziell abhängig machenden psychotropen Wirkstoffen und nicht für mild wirkende Substanzen. Allerdings fallen viele Arzneien aus diesem Bereich bereits unter das Verbot der Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Lockerung bei Preisausschreiben

Eine weitere Neuerung gibt es bei Preisausschreiben, Verlosungen und vergleichbaren Aktionen. Diese sollen künftig nur noch dann verboten sein, wenn sie einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Arzneimittelverwendung Vorschub leisten. Ein solcher Effekt könnte sich er­geben, wenn eine Apotheke eine Aktion durchführt, bei der zum Zweck der Verkaufsförderung Arzneimittel als Gewinnartikel eingesetzt werden.

Fazit

Statt eines juristischen „Schwarz-Weiß“ mit strikten Verboten eröffnen sich zumindest bei OTC-Präparaten viele rechtliche Möglichkeiten bei der Apothekenwerbung, die geschickt genutzt werden können. Ob in der geplanten Form konkret geworben werden darf, ist immer eine komplexe Einzelfallentscheidung. Im Laufe der Zeit wird es sicher eine Reihe von Präzedenzfällen geben. Bei entsprechenden Werbevorhaben empfiehlt sich eine vorherige Nachfrage bei der zuständigen Aufsichtsbehörde oder einem anderen fachkundigen Berater.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(18):10-10