Dr. Bettina Mecking
Kein Stellen oder Verblistern mehr im Heim
Aus der Neuregelung der ApBetrO geht jetzt eindeutig hervor, dass oben genannte Praxis so nicht mehr zulässig ist. Bei der Betrachtung muss zwischen den Tätigkeiten der Apotheke und den Tätigkeiten der Pflegekräfte des Heims, für die die Regelungen der ApBetrO nicht gelten (vgl. Anwendungsbereich, §1 ApBetrO), unterschieden werden.
Die Tätigkeiten der Pflegefachkräfte im Heim werden durch die für die Apotheken geltende ApBetrO genauso wenig tangiert wie das Herrichten von Medikamenten im Bereich der ambulanten Pflege durch Pflegekräfte oder Angehörige. Wenn examiniertes Pflegepersonal im Heim Arzneimittel für die Bewohner zur Einnahme vorbereitet, geschieht kein „Umpacken zur Abgabe an den Verbraucher“, also keine Herstellungstätigkeit. Hier wird mit allen Arzneimitteln, die der Bewohner einnehmen soll oder verabreicht bekommt, umgegangen, auch mit denen, die nicht für das patientenindividuelle Stellen oder Verblistern durch die Apotheke geeignet sind wie Betäubungsmittel oder flüssige Arzneiformen.
Für den Apothekenbetrieb gelten jedoch die Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung für das patientenindividuelle Stellen und Verblistern. Die unterschiedlichen Anforderungen lassen sich damit begründen, dass nach §34 ApBetrO das Stellen bzw. Verblistern in der Apotheke oder in einem nahegelegenen Raum noch vor der Arzneimittelabgabe erfolgt, also noch in vollem Umfang im Verantwortungsbereich der Apotheke, und deshalb auch nur unter den Bedingungen der Apothekenbetriebsordnung.
PKA kann beim Stellen unterstützend tätig sein
Nach §3 Absatz 5a ApBetrO gilt für die Apotheke: „Das Umfüllen einschließlich Abfüllen und Abpacken oder Kennzeichnen von Arzneimitteln darf unter Aufsicht eines Apothekers auch durch anderes als das pharmazeutische Personal ausgeführt werden, soweit es sich um Apothekenhelfer, Apothekenfacharbeiter, pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte, sowie Personen, die sich in der Ausbildung zum Beruf des pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten befinden, handelt.“
Das bedeutet, dass z.B. eine pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte unter Aufsicht in zu der Apotheke gehörenden Räumen unter den genannten Voraussetzungen beim Stellen bzw. Verblistern unterstützend tätig werden kann. Die dabei eingesetzten Mitarbeiter müssen für diese Aufgaben entsprechend qualifiziert sein und über die bei den jeweiligen Tätigkeiten gebotene Sorgfalt nachweislich zu Anfang und danach fortlaufend von pharmazeutischem Personal unterwiesen werden.
Das „Ausleihen“ von Apothekenpersonal an das Heim, welches dort unter den Augen einer verantwortlichen Pflegedienstleitung arbeitet, könnte eine theoretische Möglichkeit für ein Tätigwerden darstellen, da dann formal nicht die Apotheke die Arzneimittel stellt bzw. verblistert. Hierzu empfiehlt es sich aber, vorher die Meinung der Aufsichtsbehörde einzuholen, um nicht in ein unzulässiges Umgehungskonstrukt zu geraten.
Die neue Spezialregel des §34 ApBetrO betrifft sowohl das patientenindividuelle Stellen als auch das Verblistern von Arzneimitteln durch die Apotheke. Die Bedingungen für die Apotheke sind für das Stellen und das Verblistern nahezu gleich. Der Gesetzgeber stellt hier so hohe Qualitätsanforderungen und Nachweispflichten auf, dass de facto vermutlich ohnehin nur noch wenige Apotheken eine den neuen Vorschriften entsprechende Vorgehensweise leisten können.
Keine „kleinen Dispensieranstalten“
Wer bislang im Heim Arzneimittel stellte oder verblisterte, tat dies – aus rechtlicher Sicht – nach erfolgter Abgabe der Arzneimittel, da er ansonsten ein (Rezeptur-)Arzneimittel außerhalb der von der Betriebserlaubnis genehmigten Räume hergestellt hätte. Die Neuregelung erfasst jetzt eindeutig diesen Sachverhalt und verbietet in §4 Absatz 4 Satz 3 ApBetrO die Nutzung von Lager- und Herstellungsräumen in Heimen. Mit dem Verbot, dass die Apotheke innerhalb des Heims, das sie versorgt, keine Lager- oder Herstellungsräume nutzen darf, soll verhindert werden, dass dort „kleine Dispensieranstalten“ entstehen.
Ein solcher Raum darf nicht innerhalb des Heims und muss in angemessener Nähe zur Apotheke liegen. Darüber hinaus muss er auch von angemessener Größe und Beschaffenheit sein, um das patientenindividuelle Stellen oder Verblistern durchführen zu können. Seine Wände und Oberflächen sowie der Fußboden müssen leicht zu reinigen sein, damit das umgebungsbedingte Kontaminationsrisiko für die Arzneimittel minimal ist.
Rechtzeitig die Überwachungsbehörde einbeziehen
Hinsichtlich des Begriffs der „angemessenen Nähe“ gibt es keine pauschale Angabe einer Entfernung, die noch zulässig oder gerade nicht mehr zulässig wäre. Als Richtschnur kann gelten, dass auch für Fälle eines plötzlich auftretenden, nicht absehbaren Bedarfs die zeitnahe Bereitstellung dringend benötigter Arzneimittel durch die Apotheke sichergestellt sein muss. Es empfiehlt sich, mit der Überwachungsbehörde rechtzeitig zu klären, ob ein ins Auge gefasster Raum genutzt werden kann.
Ein separater Raum ist ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn das Stellen oder manuell vorgenommene Verblistern im Ausnahmefall für einen einzelnen oder wenige einzelne Patienten vorgenommen wird. Ist das Stellen oder Verblistern als Leistung im Rahmen eines Versorgungsvertrags vereinbart, kommt diese Ausnahmeregel nicht zum Tragen.
Bei bestehenden Apotheken ist nach §37 ApBetrO eine Übergangszeit von zwei Jahren für den separaten Raum eingeräumt, also eine Art Bestandsschutz. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Aufsichtsbehörden ein zeitlich begrenztes Stellen oder Verblistern im Heim noch dulden, wenn ein Stellen oder Verblistern in den Apothekenräumen faktisch (zum Beispiel aufgrund beengter Platzverhältnisse) nicht möglich sein sollte, muss im Einzelfall mit der zuständigen Aufsichtsbehörde geklärt werden. Nach Ablauf der Übergangszeit ist damit auf jeden Fall Schluss. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass hier ohnehin keine Übergangsfrist gelte, weil es noch nie im Einklang mit der ApBetrO gestanden habe, im Heim zu stellen oder zu verblistern.
Ob die neuen Vorgaben wirklich der Patientensicherheit der Heimbewohner dienen oder eher das Gegenteil bewirken, wird sich zeigen. Im Ergebnis bedeutet das: Auch wenn im Einzelfall das bisherige Verfahren subjektiv geeigneter erscheint als das durch die neue ApBetrO vorgegebene, muss nach den Vorgaben der neuen ApBetrO verfahren werden.
Apotheken sollten die geänderte Rechtslage mit dem Heim erörtern und mitteilen, dass die Apothekentätigkeit in Heimen darauf beschränkt ist, dort diejenigen Pflichten zu erfüllen, die sich auf Apothekenseite auf der Grundlage des an §12a Apothekengesetz ausgerichteten Versorgungsvertrags ergeben.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(20):8-8