Reiseversicherungen

Nicht jede Police ist wirklich zuverlässig


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Ob Unfall, Krankheit oder Diebstahl – wer auf Reisen geht, ist zahlreichen Risiken ausgesetzt. Doch längst nicht jede hierfür angebotene Versicherung ist wirklich sinnvoll. Aber auch die Deckung mancher als wichtig einzustufender Policen lässt eher zu wünschen übrig.

Kreditkarten bieten Zusatzschutz

Aber auch hier gilt es zunächst zu prüfen, ob diese Versicherung nicht ohnehin bereits besteht, etwa im Rahmen des Leistungskatalogs einer Kreditkarte (z.B. MasterCard Gold). Ist dies nicht der Fall, kann eine Police wahlweise gezielt für die Dauer der geplanten Reise oder – kaum we­sentlich teurer – als Ganzjahresvertrag abgeschlossen werden. Mit einem Preis ab ca. 10€ pro Person ist dies durchaus erschwinglich, sodass eine solche Versicherung obligatorisch sein sollte. Dabei ist der Jahrespolice insbesondere dann der Vorzug zu geben, wenn mehrere Reisen geplant sind oder wenn man in Grenznähe wohnt – denn letztlich kann es auch bei einem Nachmittagsausflug ins Nachbarland zu einem medizinischen Notfall kommen.
Wichtig im Schadensfall: Insbesondere bei schweren Erkrankungen sollte bereits von unterwegs Kontakt mit dem Versicherer aufgenommen werden, der auch einen ggf. erforderlichen Rücktransport organisiert. Dabei deckt die Reisekrankenversicherung generell keine Kosten einer ohnehin notwendigen oder geplanten Behandlung im Ausland; hier ist vielmehr eine vorherige Rücksprache mit dem eigenen Krankenversicherer sinnvoll.

Gerne angeboten wird auch ei­ne Reiseunfallversicherung, die dann Leistungen erbringt, wenn ein Urlauber auf Reisen einen Unfall mit dauerhaften Folgeschäden hat. Auch hier sollte man seinen Versicherungsschutz überprüfen: Wer eine ausreichende private Unfallversicherung hat, braucht auf Reisen üblicherweise keinen Zusatzschutz.

Mietwagen sind oft mangelhaft versichert

Verzichtbar ist die Reisehaftpflichtversicherung, da das Haftungsrisiko in aller Regel von der ohnehin selbstverständlichen Pri­vathaftpflichtversicherung meist ausreichend abgedeckt ist. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn man einen Mietwagen nimmt: Hier liegen die Deckungssummen der Haftpflichtversicherungen oft deutlich unter dem in Deutschland üblichen Niveau, sodass eine Zusatzversicherung – bekannt als „Mallorca-“ oder „Traveller-Police“ – sinnvoll sein kann. Allerdings ist auch dieses Risiko häufig bereits versichert, z.B. mit der Kreditkartenprämie, einem Kfz-Schutzbrief oder gar der deutschen Kfz-Haftpflicht­ver­si­che­rung für den heimischen Pkw.

Wer ohnehin mit dem eigenen Pkw unterwegs ist, kann in den meisten westeuropäischen Reiseländern auf den bestehenden Versicherungsschutz vertrauen. Durchaus sinnvoll ist dabei ein Blick in die Vertragsbedingungen, klammern manche Gesellschaften doch z.B. den Vollkaskoschutz bei Reisen ins osteuropäische Ausland vom Versicherungsschutz aus. Überlegenswert ist die von vielen Gesellschaften angebotene Auslandsschadenschutzversicherung: Die­se leistet, wenn man im Ausland schuldlos in einen Unfall verwickelt wird, der Unfallgegner bzw. dessen Versicherung jedoch Probleme bei der Regulierung macht.

Sehr beliebt ist in den Reise­büros die Reisegepäckversicherung, die – zumindest in der Theorie – für das gesamte Gepäck bis zur Höhe der versicherten Summe haftet. Neben Diebstahl und Raub sind oft auch Schäden durch Verlieren in bestimmten Grenzen abgedeckt. Allerdings sind die – gerichtlich bestätigten – Ver­sicherungsbedingungen so restriktiv, dass Schäden bei Einhalten aller Vorgaben ohnehin kaum noch eintreten können. So ist z.B. der Versicherte verpflichtet, mit dem Gepäck ständig Blick- bzw. engen Körperkontakt zu halten. Auch sind Wertsachen in der Regel nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen versichert, ebenso die Foto- und Filmausrüstung. Die wenigsten wissen im Übrigen, dass auch die Hausratversicherung oft Schäden im Ausland trägt – etwa im Falle eines Einbruchs im Hotelzimmer.

Teurer Rücktritt

Gerade bei frühzeitiger Buchung einer Reise sollte der Abschluss einer Reiserück­trittskosten­ver­sicherung erwogen werden. Sie kostet ­zwischen 1,0% und 5,0% des ­Reisepreises und übernimmt – grundsätzlich – alle anfallenden Kosten, wenn eine Reise etwa wegen schwerer Krankheit oder eines Todesfalls im nahen Verwandtenkreis nicht angetreten werden kann. Eingeschlossen ist aber auch der Nichtantritt, wenn der Versicherte einen schweren Vermögensschaden erleidet, z.B. durch Brand oder Einbruch in sein Haus. Nicht abgedeckt ist hingegen der Nichtantritt etwa wegen Termin- oder Vertretungsproblemen. Gegen Aufpreis wird eine Reiseabbruchversicherung offeriert, die dann eintritt, wenn eine Reise wegen eines wichtigen Ereignisses abgebrochen wird.

Allerdings lohnt sich ein Blick in die Vertragsbedingungen. Beide Versicherungsvarianten sind oft mit einem Selbstbehalt von bis zu 20% versehen, auch werden separat anfallende Stornokosten häufig nicht übernommen. Insbesondere bei teureren Reisen empfiehlt sich daher die Wahl einer Police ohne oder mit geringer Selbstbeteiligung, können sich sonst die selbst zu tragenden Kosten schnell auf mehr als 1.000€ belaufen. Statt des Abschlusses direkt beim Reiseanbieter empfiehlt sich häufig der Umweg zu einer darauf spezialisierten Versicherung wie etwa der HanseMerkur oder Elvia, die oft bessere Leistungen anbieten. Umstritten sind ohnehin Absiche­rungen, die direkt von Veranstaltern offeriert werden, verstoßen diese doch möglicherweise gegen aktuelles Versicherungsrecht.

Bei Reiserücktritt wegen Krankheit wird vom Versicherer stets eine ausführliche Dokumentation – etwa in Form eines ärztlichen Attests – verlangt. Genau kennen sollte man auch die Regeln für die Schadensminimierung: Ist etwa vor Reisebeginn eine Operation geplant, die bei Komplikationen den Nichtantritt der Reise zur Folge haben könnte, muss der Urlauber umgehend stornieren und so die Kosten gering halten. Sinnvoll ist daher im Zweifelsfall die frühzeitige Rücksprache mit dem Versicherer.

Plastikgeld statt Police

Dies zeigt: Reiseversicherungen sollten ganz gezielt abgeschlossen werden. Denn manche Rei­severanstalter kalkulieren diese in den Reisepreis ein, Kreditkarten­anbieter sehen vielfach Ab­si­cherungen vor, ebenso Vereine und Verbände. Oft kann es sogar sinnvoll sein, rechtzeitig eine entsprechende Kreditkarte zu beantragen: Wer etwa eine 5.000€ teure Reise unternehmen will, muss für eine Reiserücktrittskosten-/Reiseabbruchversicherung durchaus 250€ Prämie bezahlen – und damit mehr als die Jahresgebühr der meisten Kreditkarten. Aber auch bei individueller Buchung von Einzelleistungen wie Hotelübernachtungen ist eine Versicherung oft verzichtbar, da die Buchungsbedingungen häufig erstaunlich kurze Stornofristen vorsehen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(05):15-15