Wirtschaftliche Situation der Apotheken

Drei Fragen an Dr. Frank Diener


Claudia Mittmeyer

Dr. Frank Diener ist Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover GmbH, Steuerberatungsgesellschaft.

  • In Sachen Kassenabschlag muss der Apotheker nun individuell mit seinem Steuerberater die wegen der Rechtsunsicherheiten dafür gebildeten Rückstellungen für die Jahre 2009 und 2010 auflösen. Die Auflösung dieser Rückstellungen hat in dem nächsten Jahresabschluss zu erfolgen, der dem Zeitpunkt der Einigung – also Juni 2013 – folgt. Wer beispielsweise das Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr hat, wird kommendes Jahr im Jahresabschluss 2013 die Rückstellung auflösen und in der Steuererklärung für das Jahr 2013 deklarieren – das wird in den allermeisten Fällen bis Ende 2014 geschehen, sodass die entsprechenden Steuerbescheide überwiegend Ende 2014 oder Anfang 2015 ergehen werden und erst dann die Steuernachzahlung fällig wird. Wer dafür bislang noch keine Rücklagen gebildet hat, sollte bei einer absehbaren Steuernachzahlung nun unverzüglich beginnen, die entsprechende Vorsorge zu treffen.
  • In Sachen Notdienstpauscha­le sind dagegen kollektive Maßnahmen erforderlich. Zum einen muss der Deutsche Apothekerverband die Regelungen zur Notdienstpauschale verwaltungstech­nisch umsetzen – hier zeichnet sich eine „schlanke“ Lösung ab, die in den Apotheken vor Ort praktikabel ist. Vereinfacht gesprochen läuft es darauf hinaus, dass der Apotheker per Tastendruck aus seiner Warenwirtschaft ein rezeptblattähnliches Formblatt mit der Anzahl der nicht zulasten der GKV abgegebenen Rx-Packungen ausdruckt und er diesen Beleg zusammen mit der Kammerbescheinigung über seine geleisteten Notdienste ans Apothekenrechenzen­trum gibt. Das Weitere erledigen dann ARZ und Fonds. Die Notdienstpauschale wird quartalsweise berechnet und vermutlich mit zwei Monaten Zeitversatz zum abgelaufenen Quartal ausgezahlt werden. Zum anderen werden die Apothekerkammern prüfen, ob die derzeitigen Notdienste so geregelt sind, dass sie „ganze“ Notdienste sind und so bei der Auskehrung der Pauschale aus dem Notdienstfonds berücksichtigt werden können. Für „Teildienste“ gibt es – das ist unsere derzeitige Einschätzung – vermutlich keine (auch keine anteilige) Auszahlung.

AWA: Wie wird sich die wirtschaftliche Situation der Apotheken in 2013 insgesamt entwickeln?

Diener: Die Mediationslösung zum Kassenabschlag und die zusätzliche Notdienstpauschale sowie das seit Jahresbeginn erhöhte Rx-Fixhonorar verbessern die Branchenlage gegenüber dem Vorjahr 2012 erheblich: Dieses Jahr wird die „typische Apotheke“, also die Apotheke in der am häufigsten besetzten Umsatzklasse, aus diesen drei Änderungen ein Rohgewinnplus von etwa 15.000€ erreichen. Unklar ist, wie sich die Betriebskosten entwickeln; hier sind derzeit insbesondere die noch offenen Tarifverhandlungen wichtig. Doch insgesamt gilt: Nach langen Jahren der Tristesse dürfte 2013 für die meisten Apotheken ein Jahr der betriebswirtschaftlichen Verbesserung werden. Gleichzeitig gibt es eine signifikante Anzahl von Betrieben in der betriebswirtschaftlichen Problemzone, die von der positiven Branchenentwicklung abgekoppelt sind – die anhaltend hohe Zahl von Schließungen ist ein Indiz dafür.

AWA: Welche Entwicklung wird das Apothekenwesen in Deutschland mittel- bis langfristig aufweisen?

Diener: Auch wenn die Erlaubnis von Fremd- und unlimitiertem Mehrbesitz sowie Rx-Preisfrei­gabe immer wieder als Thema lanciert werden – wir gehen davon aus, dass die jetzige Struktur der Arzneimittelversorgung Be­stand hat. Für die Apothekeninhaber ist das gleichwohl kein Signal zur Entspannung, denn der Markt wandelt sich. Auch ohne Änderung der Rahmen­bedingungen wird sich der Apothekenmarkt in einem zehn­jährigen Betrachtungszeitraum allein durch die Fortsetzung bereits heute angelegter Trends deutlich wandeln.

Lassen Sie mich in ein paar Strichen ein durchaus realistisches Szenario für das Jahr 2023 skizzieren: Die Zahl der Betriebsstätten wird bei 15.000 liegen. Die durchschnittliche Umsatzgrößenklasse wird gegenüber heute um mindestens ein Drittel, vermutlich sogar um 50% gestiegen sein. Bedingt durch eine ex­treme Personalknappheit werden Kommissionierer und High-End-EDV Standardausstattung in den Apotheken sein. Es wird doppelt so viele Betriebe in Apothekenverbünden wie heute geben. Die Apotheken werden im Schnitt mehr Kunden als heute haben – auch wenn die Gesamtzahl der Bevölkerung gesunken ist, wird das Medikationsvolumen erheblich wachsen.

Die Kunden des Jahres 2023 werden ein aktives Medikations­management von und mit der Apotheke einfordern – das ist pharmazeutisch und kommunikativ anspruchsvoll, aber systemkonform und zu den Versorgungsnotwendigkeiten passend. Auch 2023 wird es möglich sein, in derart geändertem Umfeld Apotheken erfolgreich zu betreiben – vorausgesetzt, der Inhaber navigiert sein Unternehmen auch betriebswirtschaftlich pro­fessionell.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(14):3-3