Dr. Bettina Mecking
Haftungsrisiko Stellen und Verblistern von Arzneimitteln
Wenn eine Apotheke auf der Basis eines Heimversorgungsvertrags nach §12a Apothekengesetz Arzneimittel patientenindividuell stellt oder verblistert, können sich für die zusammenarbeitenden Akteure Haftungssituationen wegen einer fehlerhaften Bestückung der Behältnisse ergeben.
Die Apothekenbetriebsordnung definiert im neu geschaffenen §1a ApBetrO sowohl das „Stellen“ als auch das „Verblistern“. Danach ist das „Stellen“ die patientenbezogene manuelle Neuverpackung in wiederverwendbare Behältnisse. Wenn eine Apotheke die Arzneimittel in Mehrweg-Dosiersystemen stellt, die nach jeder Anwendung wieder neu bestückt werden, werden diese in der Regel nicht versiegelt. Im Falle einer falschen Befüllung könnte es für die Apotheke schwierig werden zu beweisen, dass der Fehler nicht bei ihr lag, denn die Behältnisse sind im Nachhinein manipulierbar. Beim „Verblistern“, also der patientenbezogenen manuellen oder maschinellen Neuverpackung in einem nicht wiederverwendbaren Behältnis, werden dem Heim hingegen fest verschlossene Blister zur Verfügung gestellt.
Haftungsverteilung
Werden von der Apotheke beim Stellen oder Verblistern Fehler gemacht, haftet der Inhaber nach den Grundsätzen der „Produkthaftung“ (verschuldensunabhängig) gemäß dem Produkthaftungsgesetz und der „Produzentenhaftung“ nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (im Verschuldensfall).
Übrigens: Beim Verblistern ist man sich inzwischen einig, dass der Apotheker ein Arzneimittel herstellt. Dieses ist jedoch von der Zulassung ausgenommen, sodass die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Arzneimittelgesetzes bei geltender Rechtslage hier nicht zum Tragen kommt.
Obwohl die Pflegekräfte nicht mehr selbst die Arzneien für die Abgabe an die Bewohner vorbereiten, sondern die versorgende Apotheke dies übernimmt, haf tet neben dem Apothekenleiter trotzdem auch der Heimträger. Er ist nicht aus der Haftung entlassen, denn nach dem Vertrag mit dem Bewohner obliegt ihm die Verantwortung für das richtige Medikamentenmanagement. Diese ihm obliegende Pflicht überträgt er im Falle des Stellens und Verblisterns auf die Apotheke. Die Apotheke wird hier als sog. Erfüllungsgehilfe des Heimträgers tätig, mit der Folge, dass ein Fehlverhalten der Apotheke, die in seinem Auftrag diese Aufgabe übernommen hat, dem Heim zuzurechnen ist. Im Schadensfall kann sich der geschädigte Bewohner an beide Beteiligte halten, wobei er natürlich nur einmal Geld bekommt.
Die Verantwortung der Apotheke für fehlerhaftes Stellen/Verblistern kann nicht durch eine Vereinbarung zwischen dem Heimträger und der Apotheke ausgeschlossen werden. Eine solche Vereinbarung ist ein rechtlich nicht zulässiger Vertrag zulasten Dritter. Denn für den Heimbewohner würde die Apotheke als solventer Schuldner durch das Heim als anderer Schuldner ersetzt werden, ohne dass er dies beeinflussen könnte. Möglich wäre aber, dass das Heim mit der Apotheke vereinbart, den Schaden zu übernehmen und Schadensersatz direkt an den Heimbewohner zu zahlen.
Haftungsrisiko Retaxation „auf Null“
Bei einem Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Abgabebestimmungen kann der Apotheker seinen Vergütungsanspruch trotz tatsächlicher Abgabe des Arzneimittels ganz verlieren. Das Bundessozialgericht (Aktenzeichen B 1 KR 49/12 R und B 1 KR 5/13 R) hat am 2. Juli 2013 in zwei gegen die Techniker Krankenkasse (TK) geführten Musterverfahren geurteilt, in denen Apotheker ohne weitere Begründung Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ranitidinhydrochlorid abgegeben hatten, die von Herstellern stammten, mit denen die TK keinen Rabattvertrag hatte. Zunächst hatte die TK nur den Apothekenrabatt abgezogen, danach jedoch „auf Null“ retaxiert und die ausgezahlten Vergütungen voll mit späteren Forderungen verrechnet.
Laut der jetzt bekannten Urteilsbegründung treffe den Apotheker die Pflicht, das ordnungsgemäß vertragsärztlich verordnete Arzneimittel nur im Rahmen seiner Lieferberechtigung an Versicherte abzugeben. Verletze er diese Pflicht, sei dies sein Risiko. Apotheken hätten nur dann einen Anspruch auf Vergütung, wenn sie ein Medikament abgeben, auf das der Versicherte wiederum einen Anspruch habe. Solange der Arzt nicht das Aut-idem-Feld angekreuzt habe, habe der gesetzlich versicherte Patient nur Anspruch auf das rabattierte Präparat. Der Verstoß gegen das Substitutionsgebot führe zum Wegfall der Lieferberechtigung und damit auch zum Nichtbestehen des Vergütungsanspruchs. Ein anderes Ergebnis stünde der Steuerungsfunktion des Leistungs- und Leistungserbringerrechts entgegen.
Eine Nullretaxation stelle keine Verletzung höherrangigen Rechts dar und sei auch vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit zulässig. Der Eingriff in die Berufsfreiheit nach Artikel 12 Grundgesetz sei gerechtfertigt. Er diene der finanziellen Stabilität der GKV und damit einem Gemeinwohlbelang von überragender Bedeutung. Die Beachtung des Substitutionsgebots hingegen entspreche den von Apotheken zu fordernden und zu erwartenden professionellen Fähigkeiten. Insbesondere könnten die Apotheken auf die durch Softwareprogramme abrufbaren Daten über Rabattverträge zurückgreifen.
Juristisch offen bleibt, wer haften muss, wenn die Apotheke ein rabattiertes Medikament trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht liefern kann. Angesichts der zumeist kleinen Vertragspartner mancher Versicherer sind Lieferengpässe vorhersehbar. In dieser Situation stehen sich hohe Güter wie der Kontrahierungszwang und die medizinische Haftung von Arzt und Apotheker der wirtschaftlichen Haftung gegenüber. Eine handhabbare Lösung steht hier noch aus.
Haftungsrisiko Insolvenz
Das Thema Insolvenz war für Apothekerinnen und Apotheker lange Zeit nicht existent. Inzwischen geraten aber auch Apotheken in bedrohliche betriebswirtschaftliche Krisen, wenn etwa der Hauptverordner ohne Nachfolger in den Ruhestand geht oder umliegende Geschäfte schließen.
Bei einer Insolvenz haftet der Apothekeninhaber als Freiberufler auch mit seinem Privatvermögen. Insbesondere kann er für seinen Apothekenbetrieb nicht wie andere Einzelhandelsgeschäfte eine Gesellschaftsform wie die GmbH wählen, um seine Haftung zu beschränken.
Insolvenz und Schließung sind grundsätzlich unterschiedliche Vorgänge. Das Ziel eines Insolvenzverfahrens ist es, im Idealfall eine Schließung möglichst abzuwenden, sei es durch Sanierung oder durch Verkauf. Die Apothekenbetriebserlaubnis erlischt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht.
Der Insolvenzverwalter verfügt im Falle einer zahlungsunfähigen Apotheke nicht nur über das Betriebsvermögen und die Erträge, die während der Zeit des Verfahrens erwirtschaftet werden. Wie bereits erwähnt, wird auch das private Vermögen des Inhabers herangezogen, um die Forderungen der Gläubiger zu begleichen, sodass eine Apothekeninsolvenz stets mit einer Privatinsolvenz verbunden ist. Dabei gilt es dann, eine sogenannte Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren zu bewältigen, um eine Restschuldbefreiung zu erreichen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(24):10-10