Neukundengewinnung

Zielgruppe 30 plus


Andreas Kinzel

Erkennt die Apotheke interessante Zielgruppen, kann sie damit den Verkauf erfolgreich steuern. Eine oft unterschätzte Zielgruppe ist die Altersklasse 30 plus. Trotz großer Hetero­genität generiert ein auf sie zugeschnittenes Konzept hohe Umsätze und Renditen.

Was charakterisiert die Zielgruppe 30 plus?

Zielgruppen können nach vielen Gesichtspunkten eingeteilt werden. Für die Apotheke entscheidend sind gewisse Gemeinsamkeiten, die sich im Kaufverhalten niederschlagen. Im Apothekenalltag spielen hier zumeist die Indikationen die größte Rolle, aber auch immer häufiger Altersklassen. Dabei stehen mit den Senioren und Babys die beiden Extreme im Vordergrund. Eine oft vergessene Altersklasse als Zielgruppe in der Apotheke ist der Bereich 30 plus.

Gruppenspezifische Merkmale hier zu finden ist schwierig. Bei einer genaueren Betrachtung dieser Altersklasse fällt eine besonders hohe Vielseitigkeit und Individualität auf. Die über 30-Jährigen wünschen sich Individualität, sowohl im Konsum als auch in der Beratung, und sind dennoch marken- und mainstreambewusst. Trotzdem gibt es einige Gemeinsamkeiten.
Ob Erbschaft, lukrativer Job oder entsprechende Prioritätensetzung – die Zielgruppe 30 plus verfügt häufig über gute Finanzen. Dadurch besitzt sie eine hohe Konsumkraft. Egal ob es Kinder, Beruf oder Freizeit erfordern: Diese Zielgruppe ist grundsätzlich bereit, viel Geld in zahlreiche Bedürfnisse zu investieren. Hier liegt die Herausforderung für die Apotheke in der richtigen Ansprache. Ein vermehrtes Bewusstsein für die eigene Gesundheit, das sich vorzugsweise in dieser Altersklasse zu entwickeln beginnt, muss geweckt werden. Ideal ist es, in der Ansprache (Werbung, Schaufenster, persönlicher Kontakt) mit Begriffen wie „Prävention“, „Gesund bleiben“ etc. zu arbeiten.

Wege, von denen ihre Eltern häufig nur träumen konnten, stehen dieser Generation offen. Die über 30-Jährigen müssen sich oft nur entscheiden, was nicht immer ein­fach und sicher ist. Auf der Suche nach Verbesserung der Lebensqualität kann die Apotheke besonders durch die persönliche Beratung im Bereich Gesundheit und Wohlfühlen Entscheidungshilfen geben. Wie halte ich mich gesund? Wie gehe ich mit den modernen Lebensumständen um?

Im Gegensatz zu den noch kon­sumfreudigeren Teens und Twens zeigt die Generation 30 plus zwar oft weniger Spontanität zum Kauf, doch verfügt sie meist über mehr freies Einkommen und legt Wert auf Qualität. Hier bietet sich die Chance, dass sich die Apotheke als Premiumanbieter mit Markenprodukten profiliert und sich dadurch von Drogeriemärkten und Discountern abhebt.

Zugänglich für Neues

Im Unterschied zu den Best Agern und Senioren sind die über 30-Jährigen spontaner in ihren Kon­sum­entscheidungen und häu­fig nicht so festgefahren. Daher können Beratungsgespräche besser zu einem Produkt gelenkt werden, bleiben nicht bei einem „so wie immer“ stehen. Insbesondere diese Zugänglichkeit für neue Produkte erhöht auch die Möglichkeit von Impulskäufen.

Die Generation 30 plus informiert sich meist gut. Zwar ist dieses Phänomen in anderen Generationen ebenfalls zu finden. So beherrschen auch viele Senioren den Umgang mit multimedialen Informationsquellen, die Twens sowieso. Letztere verlassen sich, im Gegensatz zu den Senioren, mehr auf das Internet als auf klassische Verbraucherzeitschrif­ten, Fernsehen oder persönliche Empfehlungen. Bei der Kundengruppe 30 plus tritt jedoch der Sandwich­effekt auf: Sie vereint bei der Informationsbeschaffung die Vor­teile beider Generationen. Deshalb muss die Apotheke bei der Ansprache der Kundengruppe 30 plus mit vielen Informationsquellen arbeiten.

Dieser Sandwicheffekt führt auch dazu, dass die über 30-Jährigen als besondere Multiplikatoren wirken. Sie nutzen meist viele soziale Kontakte und treffen sich nicht nur hauptsächlich mit Gleichaltrigen, sondern geben ihre Erfahrungen auch an Ältere und Jüngere weiter. Wird dabei positiv über Ihre Apotheke gesprochen oder wird sie vielleicht sogar direkt empfohlen, bringt dies neue Kunden und damit mehr Umsatz und Gewinn. Insbesondere über den Multiplikator Kinder lassen sich neue Kunden und neue Käuferschichten in die Apotheke bringen.

Aus der Werbung kennen wir Sprüche wie „Ich will so bleiben wie ich bin ...“ oder auch „... ich liebe es“. Die Altersgruppe 30 plus wird von diesen Werbe­slogans angesprochen und lässt sich auch gut dadurch charakterisieren und identifizieren. Der Wunsch nach ewiger Jugend, nach Bewahren der Lebenssituation um die 30 kann ein ertragreiches Geschäftsfeld sein.

Anti-Aging-Produkte auch abseits der klassischen Faltenreduktion ziehen diese Zielgruppe durchaus an. Die Apotheke bedient dabei das Markenbewusstsein dieser Generation ebenso wie den Wunsch nach medizinischer Pflege. In diesem Alter treten erste chronische und belastende Krankheiten wie Rückenleiden oder Zahnprobleme auf. Mit einem entsprechenden Angebot an Produkten zur Prävention und zur Abwehr beginnender Krankheiten können Sie diese Zielgruppe konkret ansprechen.

Häufig vertreten sind in der Generation 30 plus sog. Lohas-Kunden (lifestyle of health and sustainability). Deren Lebensstil ist auf Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitsvorsorge und Nachhaltigkeit ausgerichtet. So kaufen typische Lohas-Kunden in Biosupermärkten ein. Häufig verfügen sie auch über ein höheres Einkommen und können als Genusskonsumenten bezeichnet werden. Die Lohas-Kunden der Generation 30 plus sind eine interessante Zielgruppe, die man durch ein entsprechendes Produktangebot und eine qualifizierte Beratung an die Apotheke binden kann. Hier bieten sich hochwertige pflanzliche Arzneimittel an, aber auch Phytokosmetik mit Schwerpunkt erste Alterszeichen oder Hautprobleme wie Neurodermitis und unreine Haut.

Große Herausforderungen im Berufs- und Privatleben

Bei Berufstätigen ist darauf zu achten, dass es sich bei dieser Zielgruppe weder um Berufsanfänger handelt noch um ausgebrannte Rentenanwärter. Sie stehen mitten im Arbeitsleben und müssen es meistern. Gesund zu bleiben, Privat- und Berufsleben „unter einen Hut“ zu bringen, aber auch sich im Job zu etablieren gehören zu den großen Herausforderungen dieser Kundengruppe. Erhebliche (auch psychische) Belastungen im Privat- und Berufsleben fordern häufig entsprechende Nahrungsergänzungs­mittel und Arzneien. Hier bieten sich hochwertige „Fitmacher“ wie Vitaminpräparate an, aber auch Markenprodukte mit Statussymbolcharakter wie z. B. bekannte Schmerzmittel.

Bei den Müttern dieser Altersklasse finden sich gegenüber jün­geren mehr Lebenserfahrung und ein höheres Bedürfnis nach Si­cher­heit. Ein Sortiment für den gesundheitlichen Schutz des Babys/Kleinkinds ist daher lukrativ. Insbesondere hochwertige spezielle Kos­metikprodukte (z. B. eine Baby­serie), die sich von Drogerieware abhebt, kann diese Zielgruppe an Ihre Apotheke binden.

Vielseitigkeit der Zielgruppe bietet eine große Chance

Fazit: Die Vielseitigkeit der Zielgruppe 30 plus bietet eine große Chance. Insbesondere der Bereich der „junggebliebenen“ 30-Jährigen mit Qualitätsbewusstsein und mit der Bereitschaft, in Gesundheit und gesund bleiben zu investieren, bietet ein lukratives Geschäftsfeld. Konsum und Einkaufserlebnis gehören genauso zu ihrem Selbstverständnis wie Individualität und der Anspruch auf persönliche Beratung. Dabei kommt es zu Überschneidungen mit anderen Zielgruppen, sodass diese gemeinsam von der Apotheke angesprochen werden können. Beispiele sind junge Familien im Wohngebiet oder Berufstätige in der Innenstadt.

Der Wunsch nach Individualität führt auch zu hohen Ansprüchen, denen Sie mit einem maßgeschneiderten Sortiments- und Beratungskonzept entsprechen können – und damit nicht nur die über 30-Jährigen selbst als Kunden gewinnen, sondern auch ein positives Image in deren (älteren und jüngeren) Umfeld erlangen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(24):8-8