Prof. Dr. Reinhard Herzog
Sparbuch ist ein Dokument
Nach wie vor lagern aber Milliardenbeträge auf Sparbüchern, die jedoch angesichts der mageren Zinsen meist tief in der Versenkung des Wohnzimmerschranks verschwunden sind. Entsprechend interessant ist die Frage, was eigentlich mit derart unbewegten Konten geschieht, wenn das Sparbuch z.B. nach 20 oder mehr Jahren gefunden wird. Am Bankschalter hat man oft eine schnelle Antwort parat: Unterlagen seien nicht mehr vorhanden, denn das Kreditinstitut dürfe alle Belege gemäß den gesetzlichen Bestimmungen nach zehn Jahren vernichten. Im Übrigen sei das Guthaben längst ausgezahlt oder umgebucht worden und möglicherweise handle es sich beim vorgelegten Dokument sogar um eine Fälschung. Und schließlich seien die Altguthaben kraft Gesetzes bereits längst verjährt.
Mit derart fadenscheinigen Argumenten muss sich kein Bankkunde abspeisen lassen. Denn die Gesetzeslage sieht konkrete Regeln vor: Auch wenn ein Sparkonto über Jahre und Jahrzehnte nicht bewegt wird, bleibt es weiterhin bestehen. Entweder wird es als Einzelkonto geführt oder die Guthaben derart unbewegter Konten werden auf ein Sammelkonto umgebucht, aus dem dann entsprechende Forderungen der Kunden bezahlt werden. Schließlich handelt es sich – rechtlich gesehen – bei Spareinlagen um Darlehensforderungen, die dem Einleger gegenüber dem Kreditinstitut zustehen. Und für diese Forderungen gilt die Regel, dass die Verjährungsfrist grundsätzlich erst zum Ende des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Kunde die Kündigung ausgesprochen hat. Hier beträgt die Frist gemäß §195 BGB grundsätzlich drei Jahre, d.h., bei einer Anfang 2014 gekündigten Spareinlage kann sich das Institut erst ab 2018 auf den Eintritt der Verjährung berufen.
Allerdings gibt es zum Teil historisch gewachsene Besonderheiten. So sehen etwa die Sparkassenordnungen einiger Bundesländer eine generelle Verjährungsfrist für Spareinlagen von 30 Jahren ab der letzten Ein- oder Auszahlung vor. Enthalten sind teilweise auch Regelungen, nach denen Spareinlagen nach 30 Jahren ohne Zu- oder Abgänge zunächst nicht mehr verzinst werden müssen; hingegen kann sich das Institut erst nach 35 Jahren auf die Verjährung berufen, muss dies aber per Schalteraushang bekannt geben.
Auch die Vernichtung der Buchungsunterlagen nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren ist letztlich kein tragfähiges Argument. Da es sich bei einem Spar(kassen)buch um ein Inhaberpapier handelt, in das jede Ein- und Auszahlung eingetragen wird, muss das kontoführende Institut das Guthaben immer dann akzeptieren, wenn es keinen Gegenbeweis antreten kann. Liegen also keine Belege mehr darüber vor, dass das Sparguthaben ausgezahlt oder z.B. in eine andere Anlageform umgebucht wurde, kann der Anleger die Auszahlung des im Spar(kassen)buch ausgewiesenen Guthabens und aller zwischenzeitlich aufgelaufenen Zinsen fordern.
Echtheit ist meist gegeben
Auf dünnem Eis bewegen sich Kreditinstitute schließlich auch, wenn sie die Echtheit und die Unterschriftsberechtigungen der früheren Mitarbeiter anzweifeln: Die Echtheit lässt sich per Sachverständigengutachten problemlos nachweisen und – so urteilte z.B. das Oberlandesgericht Frankfurt/Main (19 U 180/10) – Zweifel an der Zeichnungsberechtigung der Bankangestellten bzw. an deren Unterschriften müsse sich der Kunde nicht zurechnen lassen. Vielmehr sei es hier ebenfalls Aufgabe des Kreditinstituts, die Unterlagen auch über die gesetzlichen Fristen hinaus aufzuheben, um ggf. einen entsprechenden Beweis antreten zu können.
Andere Regelungen gelten übrigens für Wertpapiere mit fester Laufzeit, beispielsweise Inhaberschuldverschreibungen. Werden die Papiere nicht in einem Wertpapierdepot gelagert, ist dem kontoführenden Institut der aktuelle Inhaber meist nicht bekannt. Dafür ist auf den Urkunden in der Regel eine Vorlegungsfrist genannt, innerhalb der fällig gestellte Papiere zur Rückzahlung beim Emittenten eingereicht werden müssen.
Versäumt der Anleger diese Frist, gilt eine Verjährungsfrist von zwei Jahren, nach der die Ansprüche – zumindest nach den rechtlichen Bestimmungen – automatisch verfallen. Ob das Papier dennoch eingelöst wird, ist dann eine Kulanzfrage: Ist die Hausbank gleichzeitig Emittent, wird sie oft eine Einlösung vornehmen. Hingegen wird die Einlösung eines Papiers eines anderen Emittenten meist abgelehnt. Hier bleibt dem Anleger lediglich, direkt beim Emittenten nachzufragen – ein Unterfangen, das etwa bei ausländischen Adressen sehr schwierig werden kann. Ein kleines „Trostpflaster“ in diesem Zusammenhang: Hatte der Emittent – wie manche ausländischen Anbieter – auf der Urkunde keine Vorlegungsfrist genannt, gilt hier im Regelfall die 30-jährige Verjährungsfrist.
Keine guten Karten haben hingegen alle Sparer, deren Sparbücher noch auf Reichsmark lauten: Mit dem „Gesetz zum Abschluss der Währungsumstellung“ aus dem Jahr 1975 haben sich alle Ansprüche erledigt. Nur bei speziellen Urkunden – etwa Versicherungsscheinen aus Sterbegeldversicherungen – kann es sein, dass auch aus Reichsmarkkonten noch Geld fließt.
Differenziertes Vorgehen bei Verlust
Durchaus häufig sind schließlich Fälle, in denen ein Spar(kassen)-buch verloren gegangen ist. Handelt es sich um ein aktives Konto, das innerhalb der zurückliegenden zehn Jahre genutzt wurde, kommt es in erster Linie auf die Höhe des Guthabens und die Kulanz des Kreditinstituts an: Bei Konten mit vergleichsweise geringem Guthaben genügt es meist, wenn der Kontoinhaber die Sperre veranlasst und eine Erklärung unterschreibt, dass er für eventuell eintretende Schäden aufkommt. Das Kreditinstitut wird dann eine Sperre des bisherigen Spar(kassen)buchs veranlassen und ein neues Dokument ausstellen. Taucht das alte Buch aber wieder auf und gelingt es dem Finder, Geld abzuheben, haftet grundsätzlich der Kontoinhaber.
Bei höheren Guthaben wird die Kraftloserklärung allerdings oft von einem gerichtlichen Aufgebotsverfahren abhängig gemacht. Hierbei wird der Verlust des Sparbuchs im Bundesanzeiger veröffentlicht und ein möglicher Besitzer aufgefordert, seine Ansprüche innerhalb einer festgelegten Frist anzumelden. Geschieht dies nicht, wird das Guthaben auf ein neues Konto übertragen und das bisherige Spardokument für kraftlos erklärt. Eine Sonderregelung gilt auch dabei wieder bei den Sparkassen: Hier kann das Aufgebot in einer festgelegten Publikation veröffentlicht werden und – wenn sich niemand meldet – der Sparkassenvorstand die Rechtskraft des Sparkassenbuchs aufheben.
In jedem Fall sollten Sparer sich überlegen, inwieweit Sparkonten überhaupt noch fortgeführt werden. Zum einen bietet sich als Alternative für beleghaft geführte Spar(kassen)bücher die von vielen angebotene „Sparcard“ an, die zudem meist kostenfreie bzw. kostengünstige Verfügungen an Geldausgabeautomaten ermöglicht. Kontoauszüge gibt es wahlweise online, am Kontoauszugsdrucker des Instituts oder per Post, sodass die „Sparcard“ letztlich einem – verzinsten – Girokonto recht nahesteht.
Zum anderen sollten aber auch angesichts der oft extrem niedrigen Verzinsung Sparkonten generell gemieden werden. Denn 10€ Guthabenzins pro Jahr für 10.000€ sind kein angemessener Ertrag. Bereits mit einem Tagesgeldkonto lässt sich – zumindest mit Verhandlungsgeschick – mindestens der fünffache Jahresertrag erzielen, in der Regel sogar noch deutlich mehr. Und wenn das Geld für einen gewissen Zeitraum nicht benötigt wird, stellen hauseigene Angebote der Kreditinstitute wie z.B. ein Sparbrief meist eine interessante Alternative dar. Ist auch hier der Zins zu niedrig, lohnt sich ein Blick auf den Rentenmarkt, der auch heute noch eine Vielzahl interessanter Produkte – von der konservativen Bankschuldverschreibung über risikoarme Unternehmensanleihen bis hin zu spekulativeren Auslandstiteln – bietet.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(02):15-15