Geheimsprache der Reiseangebote

Verbale Fallstricke der Touristikbranche


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Statt mühsam dicke Kataloge zu wälzen oder Stunden im Reisebüro zu verbringen, klicken immer mehr Urlauber im Internet: Zahlreiche Veranstalter, Portale, Hotelketten und Einzel­hotels bieten ihre Dienstleistungen online an. Doch auch die Buchung im Netz hat ihre Tücken.

  • Direktflug bedeutet, dass üblicherweise mindestens eine Zwischenlandung mit Umsteigen vorgesehen ist.
  • International renommierte Airline: Hier wird üblicherweise nicht mit einer deutschen Fluggesellschaft geflogen. Das muss kein Nachteil sein, jedoch ist der Begriff ohne Aussagekraft.
  • Nur wenige Minuten zum Flughafen/Kurze Transferdauer: Dieses Hotel liegt möglicherweise in der Einflugschneise des Zielflughafens – mit entsprechenden Lärmrisiken.
  • Transfer in eigener Regie: Um das Taxi muss sich der Ur­lauber selbst kümmern – und es vielfach auch selbst bezahlen.
  • Örtliche Reiseleitung: Der Veranstalter hat keine Reiseleitung vor Ort – was bei Reklama­tionen allein schon wegen Sprach- und Mentalitätsunterschieden zum Problem werden kann.

Auch die Definition der Hotelanlage gibt Aufschlüsse darüber, ob man sich wohlfühlen wird.

  • Glückshotel/Fortuna-Angebot: Hier wird noch kein Hotel konkret genannt, der Veranstalter entscheidet erst vor Ort, in welchem – noch freien – Hotel der gebuchten Kategorie die Urlauber untergebracht werden.
  • Stadthotel/Zentral gelegen/Verkehrsgünstige Lage: Dieses Haus wird mit großer Wahrscheinlichkeit in der belebten Innenstadt angesiedelt sein mit der Folge nächtlichen Lärms insbesondere in südlichen Ländern.
  • Abgeschiedenheit/Abseits vom touristischen Rummel/ Ruhige Lage: Das Hotel liegt sehr abgeschieden, ein abendlicher Bummel außerhalb der Hotelanlage kann – je nach Land – gefährlich werden.
  • Aufstrebender Ort: Ein solcher Ort ist erst neu entstanden oder wird entsprechend „aufgerüstet“ – mit der Gefahr von Baustellenlärm.
  • Internationales Publikum: Bei diesem Hinweis ist von Massentourismus und zahlreichen Busgesellschaften aus unterschied­lichen Ländern auszugehen.
  • Beliebt bei Junggesellen/Für kontaktfreudige Gäste: Eindeutig zweideutige Vergnügungen werden ebenso angeboten wie lange Disco-Nächte.
  • Geeignet speziell für junge Leute: Hier ist „Party angesagt“.
  • Gemütliches Hotel/Beliebt bei Stammgästen: Die „Gemütlichkeit“ kann sich auf die lockere und laute Stimmung der Gäste an der abendlichen Bar beziehen.
  • Neu: Das Hotel ist erstmals bei diesem Veranstalter im Angebot, es muss nicht neu sein. In diesem Fall kann Vorsicht geboten sein, ist die Bindung zwischen Hotelier und Reiseveranstalter doch oft noch nicht so eng, dass bei Reklamationen mit Kulanz zu rechnen ist.
  • Unter deutscher Leitung: Eine deutsche Leitung bedeutet längst nicht, dass alles reibungslos funktioniert. Bei größeren Hotels bekommt der Urlauber die „deutsche Leitung“ ohnehin kaum zu Gesicht.
  • Landestypischer Stil: Hier entscheidet das Reiseland, ob sich dahinter ein positiver Hinweis oder eine Warnung verbirgt.
  • Direkt am Meer/Strandnah: Das Meer liegt zwar direkt „vor der Haustür“, jedoch dürfte es kaum Bademöglichkeiten in unmittelbarer Nähe geben.
  • Ideal geeignet für Ausflüge in die Umgebung: Insbesondere bei Strandhotels kann dies bedeuten, dass der Bereich rund um das Hotel wenig ansprechend ist.
  • Entfernung ... Meter bis zum Meer: Gemessen wird dabei meist die Luftlinie. Doch selbst eine Entfernung von 200 Metern kann einen langen Fußmarsch bedeuten, wenn das Hotel oben auf einer Klippe liegt.

Auch bei der Beschreibung der Zimmer und der Verpflegung gilt es zu differenzieren.

  • Zimmer zur Meerseite: Das Meer dürfte wahrscheinlich nicht zu sehen sein.
  • Zweckmäßige Zimmer/Funktionelle Einrichtung: Sie erfüllen ihren Zweck, nicht mehr und nicht weniger.
  • Saubere Zimmer: Wenn ein Veranstalter auf eine solche Selbstverständlichkeit hinweisen muss, wird es um die Einrichtung selbst eher schlecht bestellt sein.
  • Deutsches Frühstück: Dieses international als „Continental Breakfast“ bezeichnete Frühstück besteht in der Regel grundsätzlich aus Brot, Kaffee oder Tee, Butter, Marmelade und im günstigsten Fall etwas Wurst.
  • Landestypisches Essen: Nicht jeder deutsche Magen verträgt täglich z.B. asiatische Curry-Mahlzeiten.
  • Internationale Speisekarte: Hier wird das meiste importiert und stammt aus der Tiefkühltruhe.

Mindestens ebenso wichtig wie die Zimmer sind die Einrichtungen des Hotels – und auch dabei gibt es erhebliche Unterschiede.

  • Beheizbarer Swimmingpool: Ein Pool wird vorhanden sein, jedoch muss er nicht gefüllt oder gar beheizt sein.
  • Naturstrand/Naturbelassener Strand: Dieser Strand lädt vielfach nicht zum Baden ein.
  • Das Meer ist über Treppen erreichbar: Bademöglichkeiten für Menschen mit Höhenangst oder schwacher Kondition können stark eingeschränkt sein.
  • Sportanlagen sind nicht für Profis geeignet: Sie müssen davon ausgehen, dass der Zustand der Sportanlagen auf sehr niedrigem Niveau liegt.
  • Freizeiteinrichtungen des Nachbarhotels können mitbenutzt werden: Für die Benutzung müssen oft Gebühren bezahlt und lange Wege in Kauf genommen werden.
  • Ausflugs-/Sportmöglichkeiten: Alle als Gelegenheit oder Möglichkeit beschriebenen Angebote müssen – gegen entsprechende Zahlung – gesondert gebucht werden.

Allerdings macht es das Internet den Reiseanbietern zunehmend schwer, Werbeversprechungen „am Rande der Wahrheit“ abzugeben. Denn neben den Veranstalterseiten gibt es immer mehr Vergleichs- und Bewertungsportale wie etwa HolidayCheck, trivago oder Booking.com, bei denen Urlauber ihre Erfahrungen z.B. mit einem Hotel publizieren können. Je größer die Zahl der Bewertungen, umso leichter wird dabei das Urteil. Sind jedoch weniger als z.B. 20 Bewertungen vorhanden und sind diese noch dazu überaus positiv und stammen aus einem engen zeitlichen Rahmen, liegt der Verdacht einer Manipulation nahe. Hat ein Hotel hingegen 800 positive und 20 negative Bewertungen, sollte einem unbeschwerten Urlaub nicht viel entgegenstehen.

Preisvorteile für Individualreisende

Durchaus sinnvoll ist es auch, direkt die Homepage des Hotels aufzusuchen und ggf. nach den Konditionen für Individualreisende zu fragen. Gerade in den wirtschaftlich angeschlagenen Ländern wie Griechenland oder Portugal lassen sich so oft enorme Preisersparnisse oder anderweitige Vorteile erzielen, geben die Hoteliers doch eingesparte Veranstalterprovisionen durchaus gerne an ihre Individualreisenden weiter. Nachteil dabei: Vor Ort hat der Urlauber keine Reiseleitung, die bei Reklamationen oder Problemen hilfreich zur Seite steht. Aus diesem Grund sollten solche Buchungen auch nur dort vorgenommen werden, wo man sich – etwa auf Basis der Bewertungen – einer soliden Abwicklung sicher sein kann.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(05):15-15