Großhandelskonditionen

Dauerbrenner Rabatte


Prof. Dr. Reinhard Herzog

In mehreren Wellen dreht der Großhandel in diesem Jahr an der Rabattschraube – und diesmal konsequent zu seinen Gunsten und quer durch die Branche. Apotheken haben angesichts dieser Fronten oft nur die Wahl, auf zweierlei Weise „Ja“ zu sagen – oder gibt es Auswege?

Der Großhandel spiegelt die Apothekenumsätze mit einer gewissen Überbetonung der vorrangig verordneten Artikel wider. Dabei handelt es sich überwiegend um die beim Großhandel bestellten „Einserpositionen“. Gängige OTC-Produkte dagegen werden nach wie vor häufig direkt bestellt.

Indes bietet das Non-Rx-Segment für den Großhandel die interessanteren Margen, weil er hier selbst bessere Einkaufsbedingungen realisieren kann. Für anstehende Verhandlungen ist dies womöglich ein wichtiges Argument, die eine oder andere mengen- und wertmäßig grenzwertige Direktbestellung künftig an den Großhandel zu geben.

Tatsache ist auch, dass der Großhandel im Wesentlichen seine eigenen Konditionen weitergibt, und das ist zunehmend das Problem. Denn die Industrie schaut im Zuge von Rabattverträgen und Co. gegenüber dem Großhandel schon länger genauer hin und passt u.a. ihre Skonti an die Marktlage an – und das sind nun einmal Minizinsen. Die gesetzlichen 0,70€ Festaufschlag bzw. variablen 3,15% decken bei niedrigen Rx-Packungswerten den Aufwand zwar sehr reichlich, doch bereits bei mittleren Packungswerten ab etwa 30€ Herstellerpreis kippt die Rentabilität aus der rein gesetzlichen Marge heraus. Deshalb kommt jetzt, nach ersten, recht erfolglosen Versuchen vor zwei Jahren, der durchschnittliche Packungswert wieder auf den Verhandlungstisch (siehe weiter unten).

Rein sachlich ist daher schon die Frage berechtigt, wie beispielsweise 6% „echter“ Rx-Rabatt mit der offiziellen Marge zusammenpassen können. Ein Grund, weshalb die Rechnung trotzdem aufgeht: Sehr viele andere Apotheken bekommen, erst recht beim Zweit- und Drittgroßhändler, solche Angebote nicht näherungsweise – es ist also eine Mischkalkulation! Doch wer was bekommt, hängt zwar auch, aber mitnichten nur an Umsätzen oder Packungszahlen.

Hier kommt die Art der Geschäftsbeziehung ins Spiel: Ist sie sachlich-nüchtern, „schmerzfrei“ oder eng und gar emotional überlagert („Genossen“, der Vater hat schon dort bestellt...)? Weiß der Großhandel quasi alles, ist Universal-Problemlöser und finanziert und gestaltet womöglich an vielen Stellen mit? Spielt eine Kooperationsbindung eine Rolle? Je enger die Verflechtungen, umso schlechter ist meist Ihre Verhandlungsposition. Glauben Sie nicht, dass Sie von „Freunden“ immer die besten Bedingungen erhalten. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall.

Positiv für Ihre Verhandlungen ist dagegen eine gute Kenntnis des Marktes und Ihrer eigenen Packungs- und Absatzstruktur sowie das Wissen um Ihre Stärken und Schwächen. Dazu eine nüchterne, zielorientierte, gleichwohl faire Sichtweise. Es ist ein wenig wie im Kampfsport: Sichere, feste Ausgangspositionen und ein ausgeprägter Siegeswille sind wesentliche Erfolgsfaktoren.

Baustelle Skonto

Angesichts historisch niedriger Zinsen stehen Skonti im Mittelpunkt der Kürzungswelle. Ebenso bedeutsam ist die Frage, worauf Skonto gegeben wird – oder eben nicht. Der skontofähige Anteil, manchmal entgegen jeder kaufmännischen Logik und Bedeutung des Wortes „Skonto“ nur gut 50% des Einkaufsvolumens, muss stets mitbetrachtet werden. Dann allerdings lassen sich die Auswirkungen recht einfach errechnen. Beachten Sie, dass der skontofähige Anteil von Monat zu Monat schwankt (u.a. wegen variierender Mengen an nicht skontierten Hochpreisern und Sonderangeboten). Ziehen Sie daher immer mehrere Auswertemonate heran. Insgesamt ist eine Skontokürzung um einige Zehntelprozente in aller Regel zwar ärgerlich, aber überschaubar.

Skonti als Mittel zum Zweck, um die variable Großhandelsmarge von ca. 3% als Rabattobergrenze auszuhebeln, haben jedoch zwischenzeitlich die Aufmerksamkeit der Wettbewerbszentrale erregt und dürften gerichtlich aufgearbeitet werden – Ende offen. Hier drohen auf mittlere Sicht erhebliche Risiken.

Baustelle Bonus-Malus

Noch kräftiger zur Sache geht es bei den Rabattkonditionen an sich. Wer eine prozentuale „Flatrate“ über alle nicht-hochpreisigen Rx-Artikel ohne weitere Ausschlüsse hat, kann sich glücklich schätzen. Kürzungen oder Verbesserungen lassen sich dann nämlich leicht in Euro und Cent beziffern. Schwieriger wird es, wenn zahlreiche Ausschlüsse, „leistungsabhängige“ Nachvergütungen oder Boni bzw. in aller Regel Mali aufgrund willkürlich definierter Packungswertdurchschnitte das Bild verkomplizieren. Genau diese schon aus früheren Zeiten bekannten Bonus-Malus-Modelle feiern zurzeit Wiederauferstehung.

Ähnliches gilt für blumig formulierte „Leistungsbeiträge“, hinter denen de facto verschiedenste Kürzungsmodelle stehen.

Baustelle Übersicht

Hier müssen sich viele Kollegen an die eigene Nase fassen: Haben Sie die Übersicht über die eigenen Packungszahlen, -werte und -segmente? Was bedeutet welcher Rabatt, welcher Leistungsbeitrag, welche Gebühr unter dem Strich? Das muss man sicher nicht eurogenau wissen, aber spätestens den Tausenderbereich sollte man überschauen. Zur Übersicht gehört auch die allgegenwärtige Frage nach der Ressourcenallokation: Wo gewinne ich mehr – durch Pfennigfuchserei auf der Beschaffungsseite oder durch Erschließung von Märkten? Sprich: Lohnt sich das Feilschen um Zehntelprozente, die womöglich in der allgemeinen Marktentwicklung untergehen, deren wirksame Nachkontrolle aber teils beträchtlichen Aufwand bedeutet?

Für die Mehrzahl der Apotheken empfiehlt sich daher der Leitspruch: Transparenz und Überschaubarkeit zählen weit mehr als Spitzen- und „Schaufensterrabatte“, die ohnehin meist nur auf dem Papier stehen. Sie sollten Ihre Rechnungen ohne viel Aufwand nachvollziehen können und dies zur Bedingung für die Lieferantenbeziehung machen. Lieber 0,5 oder 1%-Punkt weniger, doch diesen Restrabatt ehrlich und nachvollziehbar ohne Ausschlüsse, Bonus-Malus-Systeme, Nachvergütungen oder -berechnungen, Leistungsbeiträge und vieles mehr.

Idealerweise wird Skonto auch wieder das, was es sein soll: Ein Nachlass für die frühzeitige Bezahlung des gesamten Rechnungsbetrags und nicht mehr oder weniger willkürlicher „skontofähiger“ Teilbeträge.

Nur sehr umsatzstarke Apotheken sollten sich überlegen, ob sie sich dauerhaft auf das Hase-und-Igel-Spiel einlassen: Wer läuft schneller und findet neue Schlupflöcher und „Stellschrauben“? Dann sollten Sie allerdings konsequent sein und ein regelrechtes Rabattcontrolling (ggf. mit Hilfe von externen Beratern) inklusive möglichst weitgehend automatisierter Rechnungskontrolle aufbauen, denn ohne solche Werkzeuge geht es kaum. Der anfängliche Aufwand ist recht hoch, lohnt sich aber auf lange Sicht.

Perspektive „rabattfreie“ Apotheke!?

Zumindest langfristig weist vieles auf eine weiter schwindende Bedeutung der Rabatte hin. Eine Apotheke, die für ihre heilberuflichen, neutralen und im Sinne der Patienten erbrachten Dienstleistungen entlohnt wird, verträgt sich nicht mit der Tatsache, dass sie durchweg mehr als die Hälfte ihres Gewinns aus Industrie- und Großhandelsrabatten erwirtschaften muss. Hier herrscht „hinter den Kulissen“ durchaus Konsens.

Vergessen Sie dabei nicht: Schon mit der Umstellung der Großhandelsvergütung 2012 wurden die Rabatte für den Rx-Bereich zumindest nach dem Willen der Politik auf maximal etwa 3% gedeckelt. Im Grunde ging man aber davon aus, dass die Rabatte sich dann auf ein besseres Skonto einpendeln würden, denn kein Großhandel sollte komplett auf einen variablen Vergütungsbestandteil angesichts der vielen höher- und hochpreisigen Artikel verzichten wollen. Es kam bekanntlich anders, und zumindest ein „Nachjustieren“ liegt in der Luft. Nur fehlt es noch an einer belastbaren Alternative, die unter dem Strich nicht zu einer Kürzung der Erträge oder zu noch größeren Verteilungsungerechtigkeiten führt.

Was bedeuten solche möglichen Aussichten für die Praxis? Der kluge Apothekeninhaber stellt sich bereits heute so auf, dass er weitestgehend ohne Rabatte (zumindest auf den Verordnungsumsatz) leben könnte und nicht in existenzielle Probleme geriete. Die Rabatte auf den Verordnungsumsatz machen typischerweise etwa die Hälfte aller erhaltenen Vorteile aus, wobei sich das je nach Absatzstruktur und dem Verhältnis Barumsätze zu Verordnungsumsätze durchaus auch in Richtung ein Drittel zu zwei Drittel nach beiden Seiten hin verändern kann.

Mit anderen Worten, die Rabatte sollten schon heute als „Sahnehäubchen“ gesehen werden und das damit erwirtschaftete Geld zukunftsgerichtet investiert (und nicht verkonsumiert) werden. Zumindest sollte es in die Rücklagen fließen.

Fitnesskur zur Kompensierung von Rabattkürzungen

Damit benötigen Sie einen Plan B, im Grunde eine Art Fitnesskur, wie Sie Rabattkürzungen kompensieren könnten.

Wachstum: Welchen Anteil haben Ihre erhaltenen Rabatte im Verordnungsbereich am gesamten Rohertrag? Typischerweise sind das bei einer in etwa durchschnittlichen Apotheke mit „guten“ Konditionen etwa 8% bis 12% mit individuell erheblichen Streuungen. Um das im Worst Case vollständig auszugleichen, würden Sie also einen rund 10% höheren Rohertrag (bzw. bei gleicher Marge 10% mehr Umsatz) benötigen – ein ambitionierter Plan.

Praktisch reden wir aktuell über viel kleinere Ziele. 0,5% weniger Skonto auf einen skontofähigen Umsatz, der oft nur 70% ausmacht, gleichen Sie bereits mit einem etwa 1%igen Umsatzwachstum wieder aus. Profis rechnen also mögliche Rabattverluste erst einmal in erforderliche Steigerungen von Umsatz, Rohertrag und Handelsspanne um.

Kosten: Wenn „nach vorne“ nichts mehr zu gehen scheint, hilft das Drehen an der Kostenschraube. Die üblichen Verdächtigen: Personal, laufende verzichtbare Kosten, Rationalisierung der Warenwirtschaft (Automatisierung?) sowie ineffiziente Marketingausgaben (zu viel blindes Streuen ohne echten Kundenbindungseffekt).

Investitionen und Expansionspolitik anpassen: „Auf Kante genähte“ Filialen, die sich nur durch Rabatte noch „in der schwarzen Null“ halten, hohe Investitionen und teure Modernisierungen, die sich erst über viele Jahre, wenn überhaupt, rechnen und keine wirklichen strategischen Vorteile versprechen – all das gehört auf den Prüfstand. Denn das Füllhorn, aus dem Sie vermeintlich schöpfen, wird von anderen gefüllt: seitens Großhandel und Industrie von Politikers Gnaden. Gerade für langfristige, teure Festlegungen ein nicht unwichtiger Aspekt. Oder anders ausgedrückt: Übernehmen Sie sich nicht und schöpfen Sie auch nicht alle Spielräume bis aufs Letzte aus!

Ertragssteigerung anstreben

Den höchsten und nachhaltigsten Reiz entfaltet sicher das Modell der Ertragssteigerung. Ohne hier alle Facetten beleuchten zu können, führt der Weg vor allem über eine Verbesserung der Sortimentsstruktur im selbst gestaltbaren OTC-Bereich. Ziel sollte sein, einen Mindest-Stückertrag quer über alle Sortimente zu erzielen und die Ramschartikel im niedrigen Euro- oder gar Centbereich auf das marketingtechnisch allernötigste Minimum zu beschränken. Ähnlich wie in einer höherwertigen Boutique, einem Kosmetikstudio oder einem Feinkostladen erwarten die meisten Kunden in einer Apotheke kraft ihres Rufes gar nicht, mit Centartikeln konfrontiert zu werden.

Gleiches gilt für Dienstleistungen, die den Kunden wirklich weiterhelfen und nicht bereits (teils zu Unrecht) trivialisiert und verramscht wurden. Hier liegen die wirksamsten Hebel zu eigenständig gestaltbaren Ertragssteigerungen im Sinne einer Margenverbesserung und nicht nur mittels Steigerung der Absatzmengen durch Verdrängungswettbewerb.

Solche Maßnahmen machen Sie zunehmend unabhängig vom Rabattgebaren Ihrer Lieferanten. Und genau das sollte Ihr Ziel sein: Weniger am Gängelband anderer zu hängen, sondern durch Erfolge bei der Kundschaft zu punkten. Dann werden Sie übrigens auch für Ihre Lieferanten wieder interessanter. Und wenn es nicht so schlimm kommt und die Rabatte weitgehend erhalten bleiben, können Sie sich als Lohn für Ihre betriebliche „Fitnesskur“ über deutlich höhere Gewinne freuen!

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(24):4-4