Wohnimmobilienmarkt

Hohe Mietsteigerungen sind die Ausnahme


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Am Geldanlagemarkt gibt es derzeit wenig Alternativen: Rentenwerte bringen lediglich magere Renditen, Aktien bergen zunehmende Risiken und die ersten Banken berechnen ihren Kunden sogar „Strafzinsen“. Interessanter können hingegen Immobilien sein.

Die Lage, die Lage und nochmals die Lage – dies ist die wichtigste Komponente, wenn man rentabel in die eigenen vier Wände oder eine vermietete Eigentumswohnung investieren möchte. Ein Objekt, das im Münchener Voralpenland bestenfalls für 400.000€ zu haben ist, kann in manchen Regionen der neuen Bundesländer weniger als ein Viertel des Preises kosten. Und an dieser Differenz wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Im Gegenteil: Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass bereits teure Objekte meist noch teurer werden, während die Preise vermeintlicher Schnäppchen sogar nachgeben.

Mit Spannung wird daher jedes Jahr der Wohn-Preisspiegel des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) erwartet, dem mit 1.600 Mitgliedsunternehmen zahlenmäßig stärksten Unternehmensverband der Immobilienwirtschaft. Gerade die soeben veröffentlichte Analyse 2014/ 2015 liefert recht interessante Einblicke. So haben sich die Kaufpreise für Eigentumswohnungen im Bestand im vergangenen Jahr weiterhin positiv entwickelt. Für eine Eigentumswohnung mit mittlerem Wohnwert werden bundesweit gegenwärtig 1.082€ pro Quadratmeter bezahlt, das sind 4,5% mehr als im Vorjahr. Dennoch liegt das Preisniveau für Eigentumswohnungen immer noch 10% niedriger als vor 20 Jahren, wobei der IVD einen Aufholprozess beobachtet.

Abgeflachte Preiskurve

Abhängig vom Wohnwert und von der Städtekategorie unterscheiden sich die Entwicklungen jedoch deutlich. So hat sich die Preiskurve bei Bestandsobjekten mit mittlerem Wohnwert in vielen Städteklassen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum abgeflacht. In den Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern verlangsamte sich der Preisanstieg am stärksten: Im Berichtszeitraum kletterten die Preise um 4,7% nach oben und damit um 0,8%-Punkte weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch der Markt für bestehende Eigentumswohnungen mit gutem Wohnwert entspannt sich. Im Deutschland-Durchschnitt stiegen die Preise um 4,4% und damit ebenfalls um rund 0,8%-Punkte weniger als im Vorjahreszeitraum. Hier sieht der IVD insbesondere im gehobenen Segment erste Sättigungseffekte.

Die dynamischsten Preisentwicklungen sind in den Großstädten ab 500.000 Einwohnern zu beobachten. Dort sind die Preise für Bestandswohnungen um knapp 9,3% auf einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 1.689€ gestiegen. Der Vorjahresanstieg lag bei 7,8%. Die stärksten Zuwächse bei den Preisen gab es in München: 3.600€ pro Quadratmeter werden derzeit für eine gebrauchte Eigentumswohnung mittleren Wohnwerts bezahlt. Dies sind 10,5% mehr als im Vorjahreszeitraum. Mit großem Abstand auf Platz zwei folgt Stuttgart (2.245€, +9,9%), auf dem dritten Platz steht Hamburg (2.100€, +10,5%). Einen kräftigen Preisanstieg gab es in Berlin mit einem Plus von 12,9% auf 1.750€ pro Quadratmeter.

Für neugebaute Eigentumswohnungen mit mittlerem Wohnwert stiegen die Preise im Berichtszeitraum durchschnittlich um rund 5,1%. Das entspricht einem Zuwachs von 0,4%-Punkten gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Deutlich stärker ist auch hier wiederum der Preisanstieg in den Metropolen ausgefallen, wächst hier die Bevölkerung und mit ihr die Nachfrage nach Wohnraum doch überproportional. So stieg beispielsweise die Einwohnerzahl Berlins im Jahr 2013 um 47.000, die Zahl der neu fertiggestellten Wohnungen jedoch nur um 6.641 Einheiten.

Auch an B-Standorten zogen die Preise an. In Städten mit 100.000 bis 250.000 Einwohnern wurden neu errichtete Wohnungen mit mittlerem Wohnwert um über 7% teurer. Das sind rund 2%-Punkte mehr als im Vorjahreszeitraum. Den Grund hierfür sieht der IVD im großen Interesse der Geldanleger, die in B-Städten wie Münster höhere Renditen als in den Metropolen erwarten. Zu den B-Städten zählen auch viele andere Universitätsstädte, in denen die Nachfrage nach Wohnraum hoch ist und in denen sich diese Tendenz nach Ansicht des IVD voraussichtlich auch in den kommenden Jahren nicht ändern wird.

Die Erschwinglichkeit einer Eigentumswohnung – und dies spricht für eine weiterhin solide Entwicklung – ist jedoch immer noch auf einem sehr hohen Niveau. So liegen die Finanzierungskosten heute fast 50% unter dem Aufwand von vor zehn Jahren. Und während die Preisanstiege für Eigentumswohnungen moderat waren, wuchs das verfügbare Einkommen um rund 23% seit 2002 (bei 17% Inflation im gleichen Zeitraum). Damit stiegen die Preise für Eigentumswohnungen in Deutschland weniger stark als die Gehälter und die Nettohaushaltseinkommen.

In Berlin kostet eine 70 qm große Drei-Zimmer-Wohnung mittleren Wohnwerts beispielsweise das 3,56-Fache des Jahresnettoeinkommens, das ein durchschnittlicher Haushalt dort verdient. Vor 20 Jahren musste noch das 5,77-Fache investiert werden. Lediglich in München sind die Preise so stark gestiegen, dass mit fünf Jahreseinkommen mehr investiert werden muss als vor 20 Jahren.

Mieten beginnen zu stagnieren

Die Neuvertragsmieten für Wohnungen in Deutschland sind im vergangenen Jahr flächendeckend in allen Wohnwert- und Baualtersklassen sowie in allen Städtegrößen weniger dynamisch gestiegen als in den Jahren zuvor. Im Deutschland-Durchschnitt zahlt man nach der Analyse des IVD für eine Wohnung mit mittlerem Wohnwert, die nach 1949 entstand, 5,78€ Nettokaltmiete pro Quadratmeter. Das entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr um lediglich 2,1%. In vielen Großstädten wie Düsseldorf, Frankfurt am Main und Dresden sowie Bonn und Wiesbaden stiegen die Mieten im vergangenen Jahr gar nicht.

Die Neuvertragsmieten für Wohnungen mit mittlerem Wohnwert, die nach 1949 errichtet wurden, liegen in Städten mit über 500.000 Einwohnern bei 7,96€ pro Quadratmeter und damit 3,1% über dem Vorjahreswert. 2013 waren die Mieten noch um 4,6% gestiegen. Heute sind nach IVD-Angaben kaum noch Mietpreisentwicklungen zu beobachten, die oberhalb der Inflationsrate liegen. Unter den Städten mit 200.000 bis 500.000 Einwohnern gibt es allein zehn Städte, in denen die Neuvertragsmieten im Vergleich zum Vorjahr gar nicht gestiegen sind. Hierzu zählen beispielsweise Aachen, Mönchengladbach und Erfurt. Einer der Gründe ist laut IVD die Entlastung des Mietmarktes durch die hohe Nachfrage auf dem Markt für Eigentumswohnungen.

Die gleiche Entwicklung zeigt sich auch bei Neuvertragsmieten für Neubauwohnungen. Wohnungen mit mittlerem Wohnwert erfuhren in Städten mit über 500.000 Einwohnern einen Preisanstieg von durchschnittlich 4,8%, nachdem die Mieten im Vorjahr noch um 5,9% gestiegen waren. In den anderen Städteklassen liegt das Mietwachstum deutlich darunter. Für eine Neubauwohnung mit gutem Wohnwert zahlt man derzeit im Mittel für einen Quadratmeter nettokalt 8,11€ – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 2,9%. Im Vorjahrespreisspiegel hatte der Anstieg um einen Prozentpunkt höher gelegen.

München als Spitzenreiter

Der bundesweit teuerste Wohnungsmarkt ist nach wie vor München. Hier sind für eine Wohnung mittleren Wohnwerts mit Baujahr nach 1949 im Schnitt 12€ pro Quadratmeter zu bezahlen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies allerdings nur noch ein Anstieg um 0,8%. An zweiter und dritter Stelle folgen Stuttgart (10,50€, +5%) und Frankfurt am Main (8,80€, +0%). Dynamischer ging es dagegen in Berlin und Essen zu. In Essen stieg der Mietpreis um 7,7% und liegt nun bei 7€ pro Quadratmeter. In Berlin ist ein Anstieg von 5,7% zu verzeichnen, hier zahlt man 7,50€ pro Quadratmeter.

Für Investoren bedeuten die geringeren Preissteigerungen, dass sie künftig mit besonders spitzem Bleistift rechnen müssen. So wird in Angebotsprospekten mancher Verkäufer heute auf besonders hohe Mietpreiserwartungen verwiesen, die sich jedoch voraussichtlich nicht realisieren lassen. In der Folge kann daraus eine beträchtliche Lücke in der Kalkulation entstehen und die Rendite deutlich geschmälert werden. Dies könnte durchaus auch für typische Studentenwohnungen in den Universitätsstädten mit traditionell schnellen Mieterwechseln gelten, die derzeit von vielen Geldanlegern bevorzugt werden.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(24):15-15