Helmut Lehr
Nachdem der Bundesfinanzhof im Jahr 2011 entschieden hatte, dass die Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sein können1), wurde der Gesetzgeber aktiv. Mit Wirkung ab 2013 sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, der Steuerpflichtige liefe ohne diese Aufwendungen Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Hinweis: Für viele überraschend zieht die Finanzverwaltung aus der gesetzlichen Neuregelung den Schluss, dass auch die Kosten einer Ehescheidung bzw. Aufhebung einer Lebenspartnerschaft nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen begünstigt sind – und das, obwohl diese Aufwendungen bereits vor der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über viele Jahre hinweg stets abzugsfähig waren.
Erste Gerichtsentscheidungen
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat nun entschieden, dass Scheidungskosten auch nach der ab 2013 geltenden gesetzlichen Einschränkung weiterhin als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind2). Für einen Steuerpflichtigen sei es nämlich existenziell, sich aus einer zerrütteten Ehe lösen zu können! Eine solche Trennung sei dann ein elementares menschliches Bedürfnis. Eine Existenzgefährdung im Sinne des Gesetzes liege nicht etwa nur vor, wenn es „um Leben oder Tod“ gehe, vielmehr zähle auch die geistig-seelische Verfassung zur Existenzgrundlage.
Scheidungsfolgekosten nicht begünstigt
Im Streitfall vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte sich ein Steuerpflichtiger 2013 von seinem Ehegatten scheiden lassen und Anwalts- und Verfahrenskosten von insgesamt rund 2.400 € gezahlt. Davon entfielen 1.594€ auf Anwaltskosten allein für das Scheidungsverfahren und 661 € auf die Vertretung des Mandanten bei Fragen des Kindesunterhalts. Außerdem wurden Kosten von 144 € für beglaubigte Kopien geltend gemacht.
Anerkannt wurden vom Finanzgericht außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 1.594 €, da die weiteren Kosten als nicht begünstigte Scheidungsfolgekosten beurteilt wurden bzw. bei den Kopien nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie nur mit dem Scheidungsverfahren in Zusammenhang standen.
Hinweis: Nach Ansicht der Finanzrichter müssen Vermögens- und Unterhaltsfragen nicht zwangsläufig von einem Gericht entschieden werden und führen deshalb auch nicht zu außergewöhnlichen Belastungen im steuerlichen Sinn.
Kosten weiter geltend machen
Es ist zu erwarten, dass sich der Bundesfinanzhof früher oder später mit der Problematik befassen muss. Bis dahin sollten Scheidungskosten weiterhin als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht und im Einspruchsverfahren auf die aktuelle Rechtsprechung hingewiesen werden.
Hinweis: Wegen der Unterscheidung in klassische Scheidungskosten und Scheidungsfolgekosten ist es natürlich vorteilhaft, wenn die Anwaltskosten soweit möglich mehrheitlich auf den reinen Scheidungsprozess entfallen! Als Scheidungsfolgekosten gelten voraussichtlich insbesondere Prozesskosten im Zusammenhang mit Unterhalt, Ehewohnung/Haushalt, Güterrecht sowie Sorge- und Umgangsrecht.
1) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 15 vom 1.August 2011, Seite 18.
2) Urteil vom 16. Oktober 2014, Aktenzeichen 4 K 1976/14.
3) Aktenzeichen 4 K 1829/14 E.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(01):17-17