Prof. Dr. Reinhard Herzog
Wenn in diesen Tagen die neuen Folgen des „Traumschiffs“ über die Bildschirme flimmern, dürfte dies bei manchen Zuschauern wohl eher gemischte Gefühle wecken. Denn die noble Ferienwelt mit Kreuzfahrtromantik wird gerade von düsteren Wolken überlagert: Die Betreibergesellschaft des „bekanntesten Schiffs der Deutschen“ musste Insolvenz anmelden.
Fraglich ist jetzt nicht nur die Fortführung der Fernsehserie mit dem beliebten Schiff im Mittelpunkt – auch Geldanleger müssen um ihren Kapitaleinsatz fürchten. Das Unternehmen hatte Ende 2012 eine Anleihe mit 6,875 % Nominalzins und fünf Jahren Laufzeit in einer Größenordnung von 50 Mio. € aufgelegt, die nicht nur von renditehungrigen Investoren, sondern auch von vielen Fans des Traumschiffs und Kreuzfahrtkunden gekauft worden war.
Die Sicherheit schien seinerzeit gewährleistet, denn schließlich bestanden zum einen Bürgschaften für Zinszahlungen durch damalige Kapitalgeber, zum anderen war auch eine erstrangige Schiffshypothek über 60 Mio. € zugunsten der Anleihegläubiger eingetragen. Doch die zugeflossenen Mittel reichten nicht aus, um das Schiff in sicheres Fahrwasser zu steuern, und so war die Insolvenz letztlich die einzig logische Konsequenz.
Fraglich ist jetzt, inwieweit Investoren überhaupt auf eine Rückzahlung hoffen können. Seit sich herausgestellt hat, dass der Wert des veralteten Kreuzfahrtschiffs weit unter der Höhe der Sicherungshypothek liegt, befindet sich der Kurs nahezu im freien Fall: Die Notierung gab von anfänglichen 100 % bis zum Jahresende 2013 auf nur noch 55 % nach und im zweiten Halbjahr 2014 – als die Schwierigkeiten nicht mehr geleugnet werden konnten – kam es zu weiteren Einbrüchen. Heute müssen Anleger noch froh sein, wenn sie via Börse 15 % des Nominalwerts erzielen können.
Verluste programmiert
Doch das Traumschiff ist nicht der einzige „Albtraumkandidat“ des deutschen Börsenkurszettels. Sorge um ihr Geld müssen Investoren auch beim Papier der MIFA Mitteldeutschen Fahrradwerke AG, beim Reiseanbieter Travel24 und weiteren Schuldnern haben. Nach bekanntgegebenen Schwierigkeiten sind die Anleihekurse bei den genannten Titeln auf rund 6 % bzw. 35 % eingebrochen und wer heute einsteigt, könnte – wenn Zinsen und Tilgung planmäßig gezahlt würden – Renditen von über 50 % p.a. erzielen. Allein dies zeigt, dass investiertes Kapital zumindest zum großen Teil verloren sein dürfte.
Zu befürchten ist nunmehr, dass auch zahlreiche andere Emittenten von Mittelstandsanleihen in den kommenden Jahren unter Druck geraten – insbesondere, wenn es tatsächlich zu der erwarteten Konjunkturabschwächung kommt. Schnelles Handeln kann in diesem Fall erste Priorität haben: Gibt der Kurs einer Anleihe überraschend deutlich nach, empfiehlt sich meist ein sofortiger Verkauf. Dies kann selbst noch gelten, wenn das Unternehmen bereits Insolvenz anmelden musste, denn oft ist dann von einem Komplettausfall der Anleiheverbindlichkeiten auszugehen – verbunden mit dem Rückzug von der Börse, der einen Verkauf letztlich quasi unmöglich macht.
Hinsichtlich möglicher Schadensersatzforderungen gilt es, die Umstände genau zu prüfen: Denkbar sind Fehler im Emissionsprospekt, z.B. die unvollständige Schilderung der Risiken, die zu einer Haftung des Anbieters führen können. Denkbar sind aber auch Beratungsfehlerdurch die vermittelnde Bank – etwa, wenn eine hochspekulative Mittelstandsanleihe für das Depot eines erzkonservativen Anlegers empfohlen wurde. Scheiden diese beiden Punkte aus und wurde die Anleihe gar auf eigene Initiative bei einem Onlinebroker erworben, bestehen meist keine Regressmöglichkeiten.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(01):15-15