Prof. Dr. Reinhard Herzog
Hausbesitzer, die im Sommer 2014 ihren Heizöltank füllten, mussten mit rund 4.000€ für 5.000 Liter kalkulieren. Würden sie heute tanken, dann würde ihnen der Lieferant deutlich weniger als 3.000€ in Rechnung stellen. Vergleichbares gilt für Tankstellen: Hier liegt der Preisrückgang durchweg zwischen 20% und knapp über 30%.
Auslöser dieses Verfalls sind die sinkenden Rohölpreise an den internationalen Rohstoffbörsen. Die Nordseesorte Brent kostete im vergangenen Sommer noch 113 US-Dollar je Barrel (158,98 Liter), heute liegt der Preis bei rund 50 US-Dollar. Selbst wenn der Dollar gegenüber dem Euro deutlich zugelegt hat, ist dies eine bemerkenswerte Entwicklung, die auch Experten in diesem Ausmaß nicht erwartet hatten.
Als Auslöser des Preisverfalls werden mehrere Gründe gesehen: Zum einen steht Saudi-Arabien in einem zunehmend harten Wettbewerb mit den USA. Während die Saudis früher gemeinsam mit den anderen OPEC-Staaten in Zeiten sinkender Rohölpreise die Produktion reduzierten, wurde sie zuletzt eher noch ausgeweitet. Damit will man der wachsenden Bedeutung der USA im Rohölgeschäft Paroli bieten. Denn hier wurde die Ölförderung dank neuer Fördermethoden wie Fracking und Querbohrungen seit 2008 von 6,8 auf aktuell über 10,0 Mio. Barrel täglich gesteigert.
Politische Gründe
Zum anderen spielt auch die konjunkturelle Entwicklung eine wichtige Rolle: Weltweit erlahmt die Konjunktur und damit sinkt der Ölverbrauch. Kommen dann noch milde Winter hinzu, drückt dies ebenfalls auf den Absatz. Dem stehen stabilisierte Entwicklungen in Krisenländern wie Libyen gegenüber, wo die Förderung infolge des Bürgerkriegs zunächst eingebrochen war, mittlerweile aber wieder nahezu normal läuft. Nicht zuletzt spielen politische Gründe eine Rolle: Ein schwacher Ölpreis schwächt auch die Wirtschaft des Rohstoffgiganten Russland – was sowohl den Europäern als auch den USA durchaus nicht unerwünscht ist. Zudem hat die „Spekulation“ ihren Anteil am Preisrutsch, da die massiven Verwerfungen Investoren anlocken, deren Verkaufstransaktionen den Preis zusätzlich in erheblichem Umfang beeinflussen.
Unter konjunkturellen Gesichtspunkten wird der Preisrückgang eher skeptisch gesehen, zeigt er doch, wie schlecht es letztlich um die Weltwirtschaftslage bestellt ist. Auch die Gefahren einer möglichen Deflation sind nicht zu unterschätzen. Für den Verbraucher bedeutet dies zunächst einmal jedoch: Er kann billiger tanken.
Das aktuelle Tiefstpreisniveau könnte zumindest in den kommenden Monaten durchaus noch anhalten. Mittelfristig dürfte es jedoch wieder zu Preissteigerungen kommen, da viele Produktionsstätten mit dem derzeitigen Preisniveau nicht mehr rentabel betrieben werden können. Die Verbraucher haben allerdings eine Möglichkeit, sich den günstigen Ölpreis längerfristig zu sichern. Denn an der Börse werden verschiedene Exchange Traded Funds (ETFs) auf Heizöl, Rohöl und vergleichbare Produkte gehandelt.
Wer z.B. regelmäßig Heizöl kauft, kann mit dem börsengehandelten „ETFS Heating Oil“ (ISIN: DE000A0KRJ02) den Preis seines Heizölbedarfs für die kommenden Jahre quasi einfrieren. Das Papier kostete zu Spitzenzeiten mehr als 20€ und auch im vergangenen Sommer wurden immerhin über 17€ dafür bezahlt. Heute ist es hingegen nur noch rund 12€ wert – wobei mit jedem Anstieg des Heizölpreises der Kurs dieses Papiers gleichermaßen anzieht. Lediglich im Fall eines weiteren Preisrückgangs muss sich der Anleger der Tatsache bewusst sein, dass sein Papier entsprechend im Wert sinkt – aber dafür kann er dann ja auch billiger tanken.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(04):15-15