Betriebs- und Personalführung

Mit Organisation und Delegation zum Ziel


Karin Wahl

Zwei Namen stehen auf der Gehaltsliste jeder deutschen Apotheke: der „Jemand“ und der „Niemand“. Sie sind zudem noch die Meistbeschäftigten – der „Jemand“ eher im operativen Geschäft, der „Niemand“ meistens im Reklamationsbereich...

Woher kommt das und warum halten sich die beiden so hartnäckig seit Jahrzehnten und quer durch alle Apotheken? Die einfache Antwort lautet: mangelnde Führungsqualität des Managements mangels qualifizierter Ausbildung im Bereich Organisation und Führung. Ein fachlich gut ausgebildeter Apotheker ist eben nicht gleichzeitig und automatisch auch eine gute Führungskraft.

Dabei haben die einzelnen Mitarbeiter und das gesamte Team einen Anspruch auf Führung, damit jeder entsprechend seiner Stellenbeschreibung und seinen Aufgaben zum Wohl der Apotheke wirken kann. Führung zeigt, wohin die Reise gehen soll, fordert und fördert individuell, ist fair und setzt, wenn nötig, auch Grenzen.

Immer wieder hört man, dass besonders kleine Teams das alles nicht bräuchten, da hier schon jeder wisse, was zu tun sei – ein großer und fataler Irrtum! Dies schlägt sich in nicht existierenden Personaleinsatzplänen, fehlenden Zuständigkeiten für einzelne Aufgaben oder Arbeitsbereiche bis hin zu mangelndem Wissen bezüglich der Aufgaben bei Urlaubsvertretung nieder. Unnötige Überstunden und Fehlleistungen sind häufig die Folge.

Deshalb kommen hier die „Star-Mitarbeiter“ „Jemand“ und „Niemand“ so oft zum Zuge. Einige Beispiele dafür:

  • „Jemand“ sollte mal wieder die Regale abstauben.
  • „Jemand“ sollte mal das Geschirr im Labor spülen.
  • „Jemand“ sollte bei der Bank Wechselgeld holen.
  • „Jemand“ sollte endlich die Verfalldatenliste bearbeiten.
  • „Jemand“ sollte im Labor die Chemikalien prüfen.
  • „Jemand“ sollte das Schaufenster ausräumen und umdekorieren.
  • „Jemand“ sollte die Tüten und Incentives auffüllen.
  • „Jemand“ sollte die Retouren bearbeiten.
  • „Jemand“ sollte die Freiwahl auffüllen.
  • „Jemand“ sollte die Sichtwahl saisonal umgestalten.

Man könnte noch endlos weitermachen. Kommen wir aber nun zum zweiten Vielbeschäftigten, dem „Niemand“. Einige Beispiele:

  • Wer hat vergessen, abends die Alarmanlage zu aktivieren?
  • Wer hat im Labor vergessen, das Wasser bei der Herstellung von Aqua dem. abzustellen?
  • Wer hat vergessen, Freitagnachmittag Wechselgeld zu besorgen?
  • Wer hat die Notdienstschilder vor dem Feiertag nicht ausgetauscht?
  • Wer hat vergessen, einen Abverkauf als EC-Beleg zu kennzeichnen und vermeintliche Kassendifferenzen verursacht?
  • Wer hat vergessen, eine wichtige telefonische Bestellung abends mündlich zu tätigen?
  • Wer hat den teuren Kühlartikel nicht richtig retourniert?
  • Wer hat die neue Kosmetikserie falsch ausgezeichnet?
  • Wer hat vergessen, dem Chef mitzuteilen, dass er einen wichtigen Kunden zurückrufen soll?

Offene Fehlerkultur pflegen

Auch diese Liste kann unendlich fortgeführt werden. Es war zumindest immer zunächst der „Niemand“, bis dann durch hartnäckige Recherchen und Belegerstellung der konkrete „Jemand“ gefunden wird. Hat diese Person Glück, ist sie zu diesem Zeitpunkt schon im Feierabend und bis zum nächsten Tag ist dann die Wut der Betroffenen, die die Fehler ausbügeln mussten, schon fast verraucht.

Spätestens, wenn zu viele „Jemand“- und „Niemand“-Aktionen im Betrieb auftreten, ist Handlungsbedarf angezeigt. Es gibt den schönen Satz: „Jeder darf Fehler machen, aber den gleichen Fehler höchstens einmal!“ Dabei ist keiner im Betrieb vor Fehlern gefeit! Wichtig dabei ist, dass vom Chef bis zur Putzfrau jeder auch seinen Fehler zugibt und man Vorsorge trifft, dass das möglichst nicht wieder passiert.

Aufgaben gemeinsam mit dem Team organisieren

Wie geht das? Hier kommt nun die Organisation und Delegation von Aufgaben ins Spiel. Am besten werden am Schwarzen Brett einzelne Blätter zu verschiedenen Aufgabenbereichen für eine Themensammlung aufgehängt. Hier trägt jeweils jeder ein, was ihm zu den nachfolgenden Bereichen wichtig erscheint:

  • wiederkehrende Aufgaben im Backoffice,
  • wiederkehrende Aufgaben im Handverkauf und bei sonstigen Dienstleistungen (z.B. Blutwertebestimmung etc.),
  • wiederkehrende Aufgaben in der Rezeptur,
  • wiederkehrende Aufgaben im Labor,
  • wiederkehrende Aufgaben bei der Innen- und Außenreinigung,
  • wiederkehrende Aufgaben beim Botendienst,
  • wiederkehrende Aufgaben bei der Heimbelieferung,
  • wiederkehrende Aufgaben bei der Verblisterung,
  • wiederkehrende Aufgaben beim Versand,
  • wiederkehrende Aufgaben bei der Zytoherstellung und bei sonstigen Sonderprogrammen.

Für viele Apotheken sind sicher noch weitere Aufgabenbereiche relevant bzw. das eine oder andere der Auflistung nicht. Wichtig ist jedenfalls, bei allen Bereichen die genaue Aufgabe schriftlich zu definieren und einen Hauptverantwortlichen sowie einen Vertreterim Krankheits- oder Urlaubsfallzu benennen.

Diese Listen müssen stets durch den QMS-Zuständigen überprüft und aktualisiert sowie von den benannten Personen abgezeichnet werden. Am besten wird eine laminierte Ausgabe dieser Liste am betreffenden Arbeitsplatz ausgehängt und eine zweite Ausfertigung kommt in den QMS-Ordner. So kann jeder Mitarbeiter sehen, wer für welche Aufgabe(n) steht. Das ist besonders hilfreich, wenn viele Teilzeitkräfte in der Apotheke arbeiten oder ein Wechsel beim Personal stattfindet. So kann sich jeder orientieren und gleich an den richtigen Adressaten wenden.

Faire Verteilung der Aufgaben

Dabei müssen alle Aufgaben entsprechend der Kompetenz, der Erfahrung und der relativen Arbeitszeit (Vollzeit/Teilzeit) des jeweiligen Mitarbeiters und dazu noch unter fairen Gesichtspunkten verteilt werden.

Hier kommt jetzt der Chef als Führungskraft ins Spiel! Es gibt erfahrungsgemäß Aufgaben, um die sich Mitarbeiter nicht unbedingt reißen, und andere Aufgaben, die sehr gerne übernommen werden. Nimmt man exemplarisch den PTA-Bereich, wird sich die überwiegende Mehrzahl der PTA-Bewerber eher für den Handverkauf als Hauptarbeitsschwerpunkt als für Arbeiten im Labor oder in der Rezeptur aussprechen. Somit sollte zum einen schon in der Stellenanzeige klar definiert werden, „was für eine PTA“ dringend gesucht wird. Gelingt es nicht, die Stelle mit einer PTA mit Schwerpunkt Rezeptur und Labor zu besetzen, müssen durch einen fairen Wochenarbeitsplan unter allen beschäftigten PTAs die Aufgaben im Wechsel verteilt werden. Positiver Nebeneffekt: Somit kennen sich auch alle in allen Tätigkeitsfeldern aus und es gibt keine Probleme bei der Vertretung im Krankheits- oder Urlaubsfall.

Dabei kann ein Chef viele Aufgaben delegieren, indem er den QMS-Zuständigen mit der Erstellung der Listen und der Einteilung der Personen beauftragt. Sobald es aber zu Uneinigkeit kommt, muss er als Führungskraft mit den Betroffenen gemeinsam eine von allen akzeptierte Lösung erarbeiten. Dabei sollten nur diejenigen Mitarbeiter in die Besprechung einbezogen werden, die es angeht. Das sind keine Themen für Teambesprechungen.

Hier kommt nun sehr erfolgsentscheidend der Führungsstil des Chefs ins Spiel! Die Bandbreite zwischen Laissez-faire, situativem Führungsstil und autoritärem Führungsstil ist groß. Zu empfehlen ist immer der situative Führungsstil, der Merkmalen wie Person, Qualifikation, Berufserfahrung, Arbeitseinstellung, Verantwortungsgefühl, Teamplayer oder Einzelkämpfer gerecht werden muss. Eine neue Kraft im Azubi-Bereich wird sicher an der kurzen Leine zu führen sein, während man einer langjährigen erfahrenen HV-Kraft durchaus mehr Freiheiten zugestehen sollte. Führung heißt nicht Gängelung, beinhaltet aber durchaus auch einmal die „Basta-Haltung“.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(04):7-7