Mitarbeiterrecruiting

Profis in die Provinz!


Ute Jürgens

Apotheken auf dem Lande leiden nicht gerade unter einem Ansturm von Mitarbeitern. Frischgebackene Absolventen zieht es eher in die Städte. Welche Vorteile bietet die Provinz, wie kann man diese zielführend präsentieren und wie findet man Interessenten?

Momentan erleben wir eine deutliche Land-Stadt-Wanderwelle. Das wird sich nach aller Voraussicht noch verstärken; zudem fehlen auch absolut gesehen immer mehr Fachkräfte. Spätestens während des Studiums haben sich junge Menschen an die Verheißungen der Stadt gewöhnt. Von sich aus suchen nur wenige die Ruhe des Landlebens, sie möchten nach der Arbeit abends gerne etwas unternehmen und haben in den Städten mehr Auswahl. So ist zumindest die allgemeine Lesart. Dass auch das Land mit vielen Pfunden wuchern kann, ist den meisten Kollegen gar nicht bewusst.

Kurze Wege auf dem Land

Auf dem Land gibt es die kurzen Wege, nicht nur zur Arbeit, sondern auch zum Sport, zur VHS etc. Immer ist frische Luft da, kaum Autoabgase oder Industrie. Das meiste ist mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreichbar. Deshalb können Sie z.B. (bezahlte) Bereitschaftsdienste anbieten in dem Sinn, dass der Kollege oder die Kollegin bei unvermutetem, aber nun doch auftretendem Kundenaufkommen gerufen wird und innerhalb von 15 Minuten zur Stelle ist. Auf Abruf zu arbeiten ist in der Stadt seltenst möglich, weiß man doch nie, wo sich der nächste Stau bildet oder die U-Bahn stehenbleibt. Kombinieren lässt sich damit das Homeoffice: Protokolle schreiben, QM-Unterlagen aktualisieren – das passiert alles viel fixer, wenn man nicht gestört wird, und die Stunden werden einfach notiert. Da hat der hohe Verwaltungsaufwand auch einmal einen Vorteil, denn schreiben kann man überall.

Günstige Wohnungen oder Häuser sind auf dem Land oft leichter zu finden – weniger Suchen, weniger Kompromisse, Ihre neuen Mitarbeiter können direkt loslegen. Wenn diese zum ersten Gespräch genug Zeit mitbringen, bieten Sie eine „Stadtführung“ mit den gemütlichsten Ecken an. Benennen Sie grundsätzlich auch die Nachteile, die mit Ihrem Betrieb oder dem Ort verbunden sind, ohne sie hochzuspielen; Offenheit und Ehrlichkeit sind Pluspunkte im Miteinander.

Auf den Dörfern und in Kleinstädten kommen wir schneller mit anderen Menschen in Kontakt, weil gar nicht so viele da sind. Wenn man sich immer wieder über den Weg läuft, fühlt man sich eher heimisch und geborgen, was gerade für junge Kollegen in der Familienphase interessant ist. Aber auch ältere Mitarbeiter kommen auf ihre Kosten: Nach Jahren der Hektik in der Innenstadt, wo zwischendurch kaum einmal Zeit bleibt, um ein Glas Wasser hinunterzustürzen, kann man jetzt in Ruhe die Kunden beraten. Ein kleines Wunder: Sogar eine Frühstückspause ist möglich, in der man sich mit den Kollegen austauscht.

Setzen Sie dem Team eine Prämie für erfolgreiche Mitarbeiterempfehlungen aus. Ihre Angestellten kennen sich in der Nachbarschaft aus, sind im Ort in diversen Angelegenheiten mit vielen anderen Menschen zusammen und kennen deren Berufe. Sie wissen, wer am Ende des Erziehungsurlaubs ist, nach anderen Pausen wieder einsteigen möchte oder eine Ausbildungsstelle sucht. Für diese Menschen ist nicht einmal ein Umzug nötig. Empfehlungen sind wertvoll, weil gezielt passende Mitarbeiter angesprochen werden, die sich schneller einarbeiten. Anfängliches Fremdeln entfällt und wenn schon vorher klar ist, dass die neue Kraft akzeptiert wird, gibt es weniger Kündigungen in der Probezeit.

Für Arbeitgeber ist Flexibilität eine wertvolle Eigenschaft. Sie hilft z.B., wenn Sie sich auf die neue Kraft in Bezug auf deren Stärken einstellen. Im Bewerbungsgespräch haben Sie erfahren, dass ein begeisterter „Galeniker“ vor Ihnen sitzt? Machen Sie ihn auf den Hautarzt aufmerksam, der Sie öfter mal vor Herausforderungen stellt. Vielleicht haben Sie auch jemanden vor sich, der gerne Wissen weitergibt. Dann können Sie eventuell Praktikanten einstellen, was Sie bislang womöglich vermieden haben, oder Kundenvorträge als neues Spezialgebiet anbieten. Auf dem Lande werden „Events“ besser angenommen, da die Bewohner nicht jeden Tag aus einer Vielzahl wählen können. Manche kommen aus reiner Neugierde und sind dann positiv überrascht, wenn sie merken, dass die Inhalte sie direkt angehen.

Apotheken sind nicht die einzigen, die händeringend nach Personal suchen. Falls es in der Region einen Wirtschaftsinteressenring oder im Ort einen Stammtisch der Selbstständigen oder Ähnliches gibt, wird man gemeinsam aktiv. Ein weiterer Provinzvorteil zeigt sich hier: die schnellen Kontakte, die Sie unter Geschäftsleuten schon besitzen oder flink neu schaffen können. Hat ein Apotheker oder eine PTA die Fühler ausgestreckt, können Sie für einen eventuellen Lebenspartner gleich eine Stelle mit vermitteln.

Mitarbeiter werden gefunden

Verabschieden Sie sich von dem Gedanken, dass Apothekenmitarbeiter aufwendig eine Stelle suchen; heutzutage werden sie gefunden – von Ihnen, der der Suchende ist. Letztlich wollen Sie um Angestellte werben und genau die finden, die zu Ihnen und in Ihr Umfeld passen. Dazu gehören nicht nur mehrere Kanäle, sondern natürlich auch ein entsprechendes Budget. So sollten Sie beim Schalten von Anzeigen auch keinesfalls die Buchstaben zählen!

Die Bewerberszene wird zunehmend zum Onlinemarkt. Falls Sie junge Leute möchten, befragen Sie die entsprechende Altersgruppe in Ihrer Apotheke oder der Familie. Wo würden diese im Netz werben und von welchen Formulierungen würden sie sich angesprochen fühlen? Delegieren Sie hier und sehen Sie sich das Ergebnis an, bevor es ins Internet gestellt wird. Wie beschreiben Ihre „Youngsters“ die Vorzüge Ihrer Apotheke, was motiviert sie dort bei der Arbeit?

Zum Tag der Apotheke können Sie ebenfalls in Sachen Mitarbeitersuche aktiv werden. Beziehen Sie das Personal mit ein. Wenn das Team Entlastung möchte, ist es motiviert, mit anzupacken. Suchen Sie eine PKA-Azubi? Laden Sie eine Abschlussschulklasse ein, wer möchte ein paar Wochen ein bezahltes Praktikum machen? Falls sich jemand meldet, entlohnen Sie Ihre werdende PKA bei entsprechender Leistung ruhig auch über Tarif oder spendieren Sie ihr ein ÖPNV-Monatsticket für die Schultage.

Und wozu haben Sie ein Schaufenster? Zwischen den einzelnen Dekos können Sie es immer wieder einmal zur Imagepflege in eigener Sache – Stichwort Apotheke als attraktiver Arbeitsplatz –und zur Mitarbeitersuche verwenden. Die Industriepappen lassen sich dafür vielfach nutzen, die Rückseite eines Werbeplakats dient als Grundfläche.

Entlohnen Sie Ihre Praktikanten aller Art grundsätzlich. Bieten Sie auch die Kostenübernahme von Wiedereinsteigerkursen an. Damit wird Ihre Grundeinstellung zu Menschen und ihrer Arbeit deutlich und Sie heben sich von all denen ab, die Arbeitskräfte als beliebig austauschbare „Ware“ ansehen. Falls Sie jemandem absagen, sollte das auf eine freundliche und faire Weise geschehen. Bewerbungsunterlagen sollten immer mit einem entsprechenden Schreiben zurückgesendet werden – damit zeigen Sie Ihre Wertschätzung.

Der Personalmanager Jörg Buckmann beschreibt in seinem Buch „Einstellungssache“ Arbeitsplätze als zu vermarktendes Produkt; dadurch öffnen sich neue Welten zur Personalfindung, da wir aus einem anderen Blickwinkel Ideen bekommen. Sowohl Aufsehen erregen als auch sich differenzieren stehen dabei im Mittelpunkt: „Die pfiffigste Personalwerbung nützt nichts, wenn konkrete Botschaften über Arbeitgebervorteile und über die emotionalen Aspekte der Unternehmenskultur fehlen.“ Er stellt die Frage, ob Sie sich selbst als jemand aus Ihrer Zielgruppe bei Ihrem Unternehmen bewerben würden und empfiehlt, sämtliche Maßnahmen daraufhin zu überprüfen.

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed, 28865 Lilienthal, E‑Mail: KomMed@freenet.de

Buch-Tipp

Jörg Buckmann (Hrsg.): Einstellungssache. Personalgewinnung mit Frechmut und Können. Frische Ideen für Personalmarketing und Employer Branding. Springer Gabler 2014. 34,99 €

zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E‑Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(04):9-9