Apothekenrecht

„Standortmanagement“ für Apotheken


Dr. Bettina Mecking

Apotheker müssen äußerst sorgsam abwägen, zu welchen Konditionen sie sich niederlassen. Im Allgemeinen gibt es dabei an einer professionellen Standortvermittlung nichts auszusetzen, doch werden erfahrungsgemäß schnell rechtliche Grenzbereiche tangiert.

Bei Mietverträgen über Apothekenräume wird die generelle Vertragsfreiheit durch zahlreiche apothekenrechtliche Sonderbestimmungen begrenzt. Werden diese missachtet, kann das weitreichende Auswirkungen hinsichtlich des Erwerbs bzw. des Fortbestehens der Betriebserlaubnis der Apotheke haben. Alle Verträge – nicht nur der Mietvertrag, sondern auch Vermittlerverträge –, die in der Gesamtschau zu einer unangemessenen wirtschaftlichen Abhängigkeit von Dritten führen, schränken die freiberufliche Entscheidungsfreiheit bei der Apothekenleitung ein. Apotheker müssen daher darauf achten, dass die von ihnen geschlossenen Verträge mit den zwingenden Vorschriften des Apothekengesetzes (ApoG) vereinbar sind.

Aufsichtsbehörden prüfen Verträge gründlich

Es fällt in die Befugnis der Aufsichtsbehörden, bei sämtlichen den Apothekenbetrieb betreffenden Vertragsstrukturen genauer hinzuschauen. Nach §2 Absatz 1 Nr. 5 ApoG müssen Antragsteller für eine Betriebserlaubnis eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass sie keine Vereinbarungen getroffen haben, die gegen §8 Satz 2, §9 Absatz 1, §10 oder §11 ApoG verstoßen. Wer falsch versichert, macht sich strafbar und kann als unzuverlässig für das Führen einer Apotheke eingestuft werden.

Wichtig ist, sich zunächst einen Überblick über die Vertragskonstrukte zu verschaffen. Es gibt Makler, die nur an der klassischen Vermittlung interessiert sind. Andere verfolgen mit Blick auf Apothekenstandorte eigene strategische Interessen. Sie treten nicht nur als reine Vermittler, sondern als dauerhafte Zwischenmieter auf, hinter denen auch andere Geldgeber stehen können. Apotheker und Makler schließen hier einen Untermietvertrag, der auch durch einen Apothekenkonzeptionsvertrag ergänzt werden kann. In wessen Auftrag die Makler letztlich unterwegs sind und mit welchen Klauseln sie oder andere finanziell – direkt oder mittelbar – am Apothekenerfolg teilhaben wollen, bleibt oft angesichts vieler Verflechtungen im Verborgenen.

Keine Koppelung an Umsatz oder Gewinn

Gemäß §8 Satz 2 ApoG sind insbesondere offen am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge unzulässig. Verboten sind ebenso verdeckte Umsatz- und Gewinnvereinbarungen, die den Verdacht aufkommen lassen, dass der Vermieter oder andere über Umwege an den auf die Apotheke bezogenen Verträgen teilhaben sollen. Dies gilt auch für eingepreiste „Differenzmieten“, welche die Margen der Vermittlern absichern sollen. Verbotene umsatz- bzw. gewinnorientierte Absprachen sowie Vereinbarungen, die auf ein unzulässiges Pachtverhältnis oder eine stille Gesellschaft hindeuten, haben schon häufig zu einer Gefährdung der Existenzgrundlage geführt. Beteiligungen am Apothekenunternehmen zur Besicherung der Apothekenfinanzierung durch außenstehende Dritte wie Banken oder Großhandel scheiden ebenfalls aus. Des Weiteren darf ein Vertrag im Hinblick auf §7 ApoG keine Regelungen enthalten, welche die wirtschaftliche und pharmazeutische Unabhängigkeit des Apothekers unangemessen einschränken.

Die Grenzen, die dieses Umsatzkoppelungsverbot zieht, wurden einem Apotheker aufgezeigt, der das Berliner Landesamt im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichten wollte, ihm die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke in einem großen medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) zu erteilen (Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 10. Oktober 2006, VG A 28.06). Dieses Unterfangen scheiterte, da nach Einschätzung der Richter das zwischen den Parteien vereinbarte Vertragswerk bei der gebotenen gesamtwirtschaftlichen Betrachtung gegen §8 Satz 2 ApoG verstoße und damit nichtig sei. Es sei die gesetzgeberische Zielvorstellung, dem Apotheker gemäß §7 ApoG die eigenverantwortliche Führung und Leitung seines Betriebs sowohl in fachlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu ermöglichen, ohne – auch nur indirekt – bei seinen Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder bestimmt zu werden.

Das Fazit der Richter: Ein Apotheken-Mietvertrag werde zwar nicht allein dadurch nichtig, dass ein unüblich hoher Mietzins vereinbart wird, jedoch könne dieser Umstand bei der Einzelfallbetrachtung ein Indiz für eine verbotene Teilhabe sein. Aus dem Gesamtgefüge der Vereinbarungen müsse sich ergeben, dass der Mietvertrag am Umsatz oder Gewinn „ausgerichtet“ ist. Ziel sei es, Geschäfte zur Umgehung dieses Verbots zu verhindern.

Der immens hohe marktunübliche Mietzins – inklusive Nebenkosten ca. 40.000 € pro Monat mit jährlichen Anhebungen – stelle ein starkes Indiz dafür dar, dass die Mietvertragsparteien einen Zusammenhang zwischen Miethöhe und erwartetem Umsatz hergestellt hätten, um den MVZ-Betreibern eine Beteiligung an den Erträgen der Apotheke zu sichern. Daneben sollte offenbar die tatsächliche Miethöhe dadurch verschleiert werden, dass der Gesamtbetrag in verschiedene, an unterschiedlichen Stellen im Vertrag geregelte Bestandteile, wie etwa die zusätzlich zu den Mietkosten monatlich zu entrichtenden erheblichen Werbe- und Baukostenzuschläge, aufgeteilt wurde. Eine solche Handhabe verstoße sowohl gegen §8 Satz 2 ApoG, als auch gegen §7 ApoG, weil sich so „durch die Hintertür Fremdbesitz an der Apotheke einschleicht“.

Abgrenzung Miete – Pacht

Wenn Beteiligte als Komplettpaket eine eingerichtete Apotheke zur Verfügung stellen, muss berücksichtigt werden, dass nach §9 ApoG im Apothekenbereich eine Verpachtung nur in speziell geregelten Einzelfällen möglich ist. Bei der Überlassung von Geschäftsräumen ist die Grenzziehung zwischen Miete und Pacht oft schwierig. Werden leere Räume genutzt, steht die Gebrauchsgewährung im Vordergrund und es liegt ein Mietvertrag vor. Befinden sich in den Räumen aber auch Einrichtungsgegenstände und werden diese dem Nutzer ebenfalls zum Gebrauch überlassen, kann – sofern keiner der apothekengesetzlich geregelten Ausnahmefälle vorliegt – ein unzulässiger Pachtvertrag vorliegen. Meist finden sich zulässige Leasingverträge, bei deren Erfüllung der Apothekeninhaber Eigentum an der Einrichtung erwirbt. Hier sind unübersichtliche Verträge ein beliebtes Mittel, um Vergütungen an Beteiligte – etwa in Form von „Kick-Back-Zahlungen“ – zu verstecken.

Für die Erteilung der Betriebserlaubnis ist erforderlich, dass diejenigen Verträge vorgelegt werden, die mit dem Betrieb der Apotheke in Zusammenhang stehen. Sofern es sich bei dem Apotheken-Mietvertrag um einen Untermietvertrag handelt, muss regelmäßig im Erlaubnisverfahren auch der Hauptmietvertrag vorgelegt werden. Bloße Zwischenmietverträge, bei denen der Vermieter seinerseits die Räume vom Eigentümer oder von einem weiteren Mieter angemietet hat, werden von den Erlaubnisbehörden einer kritischen Prüfung unterzogen. Nur wenn alle Vertragsverhältnisse offengelegt werden, kann geprüft und festgestellt werden, ob tatsächlich ein apothekenrechtskonformes Nutzungsrecht an den Mieträumen vereinbart wurde. Selbstverständlich bleibt es den Mietvertragsparteien unbenommen, den Ursprungsvertrag bei Bedarf zu ändern. Dies muss jedoch durch eine formwirksameNachtragsvereinbarung geschehen, die ebenfalls der Aufsicht vorgelegt werden muss.

Regelungen, durch die sich der Apotheker zum Stillschweigen oder zur Geheimhaltung in Bezug auf alle Tatsachen im Zusammenhang mit Vertragsschlüssen verpflichtet, kollidieren mit diesen originären apothekengesetzlichen Pflichten und können daher von einem rechtstreuen Apotheker nicht eingehalten werden. Eine immer wieder auftauchende allumfassende Verschwiegenheitsverpflichtung, wonach anlässlich einer Apothekenneugründung oder -übernahme über sämtliche Geschäftsvorgänge und die beteiligten Personen Stillschweigen zu bewahren ist, kann der Apothekeninhaber angesichts seiner Offenlegungspflichten nicht erfüllen.

Es empfiehlt sich, die rechtlichen Besonderheiten der jeweiligen Sachlage in einem frühen Verhandlungsstadium abzuklären, um ein böses Erwachen zu einem späteren Zeitpunkt zu vermeiden.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(11):11-11