Helmut Lehr
Alleinstehende Steuerpflichtige können für ein Kind, das zu ihrem Haushalt gehört und für das sie Anspruch auf Kindergeld oder den Kinderfreibetrag haben, pro Jahr einen Entlastungsbetrag in Höhe von 1.908€ steuerlich geltend machen. Ist das Kind bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet, steht der Entlastungsbetrag demjenigen zu, der die Voraussetzungen auf Auszahlung des Kindergelds erfüllt.
Hinweis: Für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2014 beträgt der Entlastungsbetrag „nur“ 1.308€. Die Anhebung wurde erst kürzlich vom Bundesrat beschlossen und gilt rückwirkend zum 1.Januar 20151). Zusätzlich wurde der Entlastungsbetrag um eine Kinderkomponente ergänzt. Das bedeutet: Für jedes weitere gemeldete Kind erhöht sich der Abzugsbetrag um 240€/Jahr.
Steuergesetzliche Definitionen
Alleinstehend im Sinne des Einkommensteuergesetzes sind nicht nur „klassische Singles“ (mit Kind), sondern auch dauernd getrennt lebende Ehegatten, für die das Splittingverfahren nicht mehr anzuwenden ist. Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut ist (!) die Haushaltszugehörigkeit des Kindes anzunehmen, wenn es in der Wohnung des alleinstehenden Steuerpflichtigen (in der Regel Elternteil) gemeldet ist2).
Beispiel: Apothekerin Claasen ist seit 2008 verwitwet. Sie bezog im Jahr 2014 Kindergeld für ihre studierende Tochter. Die Tochter bewohnt zwar eine eigene Wohnung, ist aber in der Wohnung ihrer Mutter mit Wohnsitz gemeldet.
Das Finanzamt gewährt Frau Claasen keinen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Nach Ansicht der Behörde könne der Meldebescheinigung keine Beweiswirkung zukommen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse offensichtlich von den melderechtlichen Verhältnissen abweichen und die Abweichung auf melderechtlichen Versäumnissen beruht.
Hinweis: In einem vergleichbaren Fall hat sich das Finanzgericht Niedersachsen auf die Seite des Finanzamts gestellt3). Danach könne die im Gesetz genannte „Vermutung der Haushaltszugehörigkeit“ durch Meldung in der Wohnung widerlegt werden und sei im Streitfall auch widerlegt worden.
Bundesfinanzhof gewährt Entlastungsbetrag
Im Rahmen des Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof bekam der Kläger jetzt allerdings Recht4). Nach Ansicht des höchsten deutschen Steuergerichts ist der Gesetzeswortlaut eindeutig und die Vermutung der Haushaltszugehörigkeit nicht zu widerlegen. Im Klartext: Sobald das Kind in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet ist und die übrigen Voraussetzungen vorliegen, muss das Finanzamt den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewähren! Das gilt selbst dann, wenn der Behörde bekannt sein sollte, dass das Kind in einer eigenen Wohnung lebt.
Wie sich aus der Urteilsbegründung ergibt, ist dem Bundesfinanzhof durchaus bewusst, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende damit auch durch (gezielte) Verstöße gegen das jeweilige Melderecht in Anspruch genommen werden kann. Allerdings ist es zumindest nach bisheriger Rechtsprechung ohnehin ausreichend, wenn das Kind mit Nebenwohnsitz beim Steuerpflichtigen gemeldet ist.
Hinweis: Das Urteil sollte in allen offenen Fällen ins Feld geführt werden, in denen die Finanzverwaltung den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nicht gewährt (hat), weil das Kind tatsächlich in einer anderen Wohnung lebt, sofern es denn beim alleinstehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist.
1) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 15 vom 1. August 2015, Seite 18 und 19.
2) Vgl. § 24b Absatz 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz.
3) Vgl. Urteil vom 23. Januar 2013, Aktenzeichen 3 K 12326/12.
4) Vgl. Urteil vom 5. Februar 2015, Aktenzeichen III R 9/13.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(17):17-17