Jasmin Theuringer
Am 29. Juli 2015 hat der Bundestag eine Ergänzung des Strafgesetzbuchs (StGB) verabschiedet. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes (voraussichtlich zu Anfang des Jahres 2016) werden korrupte Praktiken im Gesundheitswesen nicht nur berufsrechtliche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Konkret lauten die betreffenden Vorschriften „Bestechlichkeit im Gesundheitswesen“ bzw. „Bestechung im Gesundheitswesen“ und werden als §299a bzw. §299b eine Strafbarkeitslücke im StGB schließen. Den Wortlaut des §299a finden Sie unten stehend zu Verdeutlichung.
Die Parallelvorschrift des §299b StGB regelt die Bestechung im Gesundheitswesen und stellt das Handeln desjenigen unter Strafe, der z.B. einem Apotheker Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, damit er bei der Abgabe von Arzneimitteln bevorzugt wird.
Auch §300 StGB wird ergänzt, und erweitert die Strafandrohung für besonders schwere Fälle der Korruption auf mindestens drei Monate bis höchstens fünf Jahre Gefängnis.
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Was wird strafbar?
Künftig macht sich jeder Apotheker strafbar, der bei der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln einen Dritten bevorzugt oder seine Pflicht zur unabhängigen Ausübung seiner Tätigkeit verletzt und im Gegenzug dafür einen Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt (=Bestechlichkeit).
Umgekehrt macht sich auch derjenige strafbar, der dem Apotheker diesen Vorteil mit dem Ziel anbietet, verspricht oder gewährt, beim Bezug oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln bevorzugt zu werden (=Bestechung).
Eine Strafbarkeit setzt stets eine sog. Unrechtsvereinbarung voraus. Dabei handelt es sich um eine Absprache zwischen dem Apotheker und einem Dritten, deren Inhalt die Verknüpfung zwischen dem Handeln des Apothekers und einem Vorteil ist, den er dafür verlangt oder erhält. Dabei ist es nicht erforderlich (und auch nicht sehr wahrscheinlich), dass diese Absprache schriftlich erfolgt. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird zudem klargestellt, dass das Fordern eines Vorteils auch dann bereits für eine Strafbarkeit ausreicht, wenn dieses Ansinnen erfolglos bleiben sollte.
Als Vorteil im Sinne dieser Vorschrift gilt jede Verbesserung, auf die kein Anspruch besteht. Das kann jede Zuwendung – auch an einen Dritten – sein, welche die wirtschaftliche, persönliche oder rechtliche Lage objektiv verbessert. Ein Vorteil muss also nicht materieller Natur sein (wie z.B. Geldzahlungen, Provisionen oder Darlehen). Selbst die Gewährung eines Ehrenamtes soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs ausreichen. Der Phantasie sind an dieser Stelle also keine Grenzen gesetzt.
Die im Gegenzug versprochene, verlangte oder gewährte unlautere Bevorzugung muss nicht tatsächlich erfolgen. Es reicht aus, wenn sie das Ziel der Unrechtsvereinbarung ist.
Einzelfälle
Auch wenn erst die zu erwartende Rechtsprechung zu dem recht unscharf gefassten Gesetzestext zeigen wird, wo genau die Grenze zwischen einem strafbaren Handeln und einer noch zulässigen Kooperation liegt, können einige, in der Praxis häufig vorkommende Gestaltungen wie folgt beurteilt werden:
Skonti und Rabatte bleiben grundsätzlich zulässig, so lange es sich um „branchenübliche und allgemein gewährte Rabatte und Skonti“ handelt, so die Gesetzesbegründung. Unzulässig werden Skonti und Rabatte erst dann, wenn sie den Rahmen der Arzneimittelpreisverordnung sprengen. Die vereinzelt von Großhandelsvertretern geäußerten Behauptung, man müsse die Konditionen neu verhandeln, schließlich seien Skonti und Rabatte jetzt strafbar, ist also nicht zutreffend.
Die Vermietung von Praxisflächen an Ärzte, auch zu Mietpreisen unterhalb des Marktniveaus, ist keinesfalls ohne Weiteres strafbar. Erst wenn damit die vom Gesetz geforderte Unrechtsvereinbarung verbunden ist, wonach der Arzt seinen Patienten die Apotheke seines Vermieters aktiv empfiehlt, wird es kritisch. Wenn sich aber der Apotheker darauf verlässt, dass auch ohne Zutun des Arztes ein Großteil der Patienten aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Praxis und Apotheke ohnehin zu ihm kommen wird, ist das Vermieten an einen Arzt – auch unterhalb der Marktkonditionen – kaufmännisch klug und nicht strafbar.
Das kostenlose Verblistern für Heime ist nach dem Wortlaut der Norm nicht strafbar. Hier scheint es sich um eine Gesetzeslücke zu handeln, schließlich ist das kostenlose Verblistern als Gegenleistung für die Zuführung der Heimbewohner als Kunden genau das, was mit dem Antikorruptionsgesetz verhindert werden sollte. Jedoch kann nur ein Angehöriger eines Heilberufs Empfänger eines Vorteils im Sinne des §299a StGB sein. Der Leiter eines Heimes gehört aber in der Regel nicht einem Heilberuf an. Die fehlende Strafbarkeit ändert jedoch nichts daran, dass das kostenlose Verblistern einen Verstoß gegen §7 HWG darstellt und sowohl Unterlassungsansprüche von Konkurrenten als auch berufsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.
Das Versenden von Rezeptenunmittelbar vom Arzt an die Apotheke wird sehr schnell einen Anfangsverdacht und damit den Startschuss für Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft begründen, wenn sich das Versenden nicht mit einer medizinischen Erklärung rechtfertigen lässt.
Strafantrag
Der neue Straftatbestand ist als sog. relatives Antragsdelikt ausgestaltet. Relative Antragsdelikte können verfolgt werden, soweit ein Strafantrag vorliegt oder von der Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse bejaht wird. Das dürfte bei einem Verstoß gegen die §§299a und 299b StGB wohl regelmäßig der Fall sein. Schließlich heißt es in der Gesetzesbegründung, korrupten Praktiken sei wegen der erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung des Gesundheitswesens mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten. Die Gesetzesbegründung liefert damit eine hervorragende Argumentation für die Staatsanwaltschaft, das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung zu bejahen.
Sollte die Staatsanwaltschaft das ausnahmsweise einmal anders sehen, so gibt der geänderte §301 StGB dem Verletzten, der Apothekerkammer, den Verbänden zum Schutze des Wettbewerbs sowie den Krankenkassen ein Strafantragsrecht. „Verletzte“ im Sinne dieser Vorschrift sind Mitbewerber, also andere Apotheker, sowie Patienten, wenn bei deren Behandlung heilberufliche Entscheidungen von korruptiven Absprachen beeinflusst worden sind.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(17):14-14