Axel Witte
Der Prozess, der einer Krise in der Apotheke vorangeht, verläuft häufig nach dem gleichen Muster: Laufende monatliche Liquiditätsunterdeckungen – aus welchen Gründen auch immer – führen zu einem sukzessiven Ansteigen der Kontokorrentlinie. Ist diese Liquiditätsquelle versiegt, wird die Rezeptabrechnung vorgezogen, Lieferanten werden um eine Valutarechnung gebeten.
Leider wird in der Praxis häufig erst dann reagiert, wenn diese Situation und damit eine handfeste Krise bereits eingetreten ist. Oft ist man erstaunt, mit welchem zeitlichen Vorlauf die ersten Anzeichen einer Fehlentwicklung auftraten, ohne dass entsprechend reagiert wurde. Dabei kann es sein, dass die ersten Signale einer wirtschaftlichen Verschlechterung schlichtweg übersehen oder aber ignoriert wurden und das Prinzip Hoffnung („Morgen wird alles besser“) das Handeln bestimmt hat.
Die Krise zu erkennen, ist der erste Schritt bei der Sanierung eines Unternehmens. Dabei gilt: Je länger eine Krise unerkannt bleibt, desto schwieriger ist es, erfolgreich gegenzusteuern. Denn die Chancen für eine erfolgreiche außergerichtliche Sanierung steigen, je mehr Liquiditätsspielraum für Sanierungsmaßnahmen vorhanden ist. Ist dieser nicht mehr gegeben und wird zusätzlich noch frisches Geld von den Gläubigern benötigt, um die Sanierung durchführen zu können, wird es häufig schwierig, den Turnaround noch zu schaffen.
Um eine außergerichtliche Sanierung erfolgreich umzusetzen, ist die Einschaltung eines branchenerfahrenen Sanierungsberaters erforderlich. Die Gläubiger (z.B. Banken, Lieferanten, Vermieter) werden ohne die belastbare Expertise eines Fachmanns nicht „mitziehen“. Aufgabe des Beraters ist es, das Vertrauen bei den Gläubigern wiederherzustellen, da der Apothekeninhaber häufig seine Glaubwürdigkeit verloren hat. Dabei ist absolute Offenheit bezüglich der Krisenursachen und zielgerichtete Kommunikation mit allen Partnern in allen Phasen des Prozesses unerlässlich.
Ziel der außergerichtlichen Sanierung ist zunächst die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit, gefolgt von der betriebswirtschaftlichen Konsolidierung für die nachhaltige Fortführung des Apothekenbetriebs. Dies muss in einem tragfähigen Sanierungskonzept unter Einbindung aller beteiligten Partner abgebildet werden. Aus dem Sanierungsplan muss die Sanierungsfähigkeit der Apotheke hervorgehen. Die Vorgehensweise ist in der Regel wie folgt:
- Anfertigung einer Bestandsaufnahme,
- Durchführung einer Schwachstellen- und Potenzialanalyse,
- Feststellung, ob Sanierungsfähigkeit gegeben ist,
- Entwicklung eines Maßnahmenplans und einer integrierten Unternehmensplanung,
- Umsetzung des Maßnahmenplans, Controlling und Reporting.
Bestandsaufnahme und Ursachenforschung
Ausgangspunkt einer erfolgreichen Sanierung ist immer die Beurteilung der Krisenursachen. Hierzu ist die Entwicklung der Apotheke in der Vergangenheit zu analysieren und ein Status quo zu erstellen. Im Rahmen der Analyse muss detailliert herausgearbeitet werden, welche Faktoren oder Umstände zur Krise geführt haben. Dabei können die Ursachen betrieblich (extern oder intern) oder privat veranlasst sein. Häufig sind mehrere Ursachen für die Krise verantwortlich. Während externe Faktoren, wie z.B. Wegzug von Hauptverordnern oder Zuzug neuer Wettbewerber, durch den Unternehmer nur schwer zu beeinflussen sind, sind viele Krisenursachen hausgemacht:
- Eine ungünstige Kostenstruktur, z.B. zu hohe Personalkosten, zu hohe Mietaufwendungen oder überdimensionierte Werbekosten,
- Kauf oder Neugründung von wirtschaftlich nicht tragfähigen Einheiten, z.B. Filialen, Kosmetikstudio, Heimversorgungen, Versandhandel,
- zu hohe Investitionen,
- zu schnelles und unkontrolliertes Wachstum,
- ein nicht vorhandenes Unternehmenscontrolling bzw. keine Kostenstellenrechnung, um gefährliche Renditekiller frühzeitig zu erkennen,
- ungünstige Kredit- oder Leasingfinanzierungen,
- zu hohe Privatentnahmen.
Diese Liste ließe sich noch weiter fortführen.
Sanierungsfähigkeit und Sanierungsmaßnahmen
Ausgehend von der Bestandsaufnahme wird die Sanierungsfähigkeit beurteilt, d.h., es wird analysiert, mit welchen Maßnahmen die Zahlungsfähigkeit kurzfristig sichergestellt und der Apothekenbetrieb nachhaltig fortgeführt werden kann. Sind entsprechende Potenziale vorhanden, sind anschließend konkrete Maßnahmen und ein Zeitplan in eine integrierte Unternehmensplanung einzuarbeiten, um den Weg zur nachhaltigen Sanierung aufzuzeigen.
Die integrierte Unternehmensplanung ist das „Herzstück“ des zu erstellenden Sanierungskonzepts. Sie umfasst die Planung der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz und der Liquiditätsentwicklung. Dabei ist bei der Planung der Gewinn- und Verlustrechnung jeder Teilbereich (Kostenstelle) der Apotheke separat zu analysieren und darzustellen. In aller Regel sind zudem noch Teilplanungen (z.B. Personalplanung, Kapitaldienstplanung oder Planung der Privatentnahmen) zu erstellen.
Die Planrechnung dient anschließend als Grundlage für den während der Sanierungsphase zu erstellenden Soll-Ist-Vergleich und das Reporting an die Gläubiger. Mit dem Soll-Ist-Vergleich können Planabweichungen frühzeitig erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, um die Sanierungsziele zu erreichen.
Je nach Sanierungssituation kann es zweckmäßig sein, verschiedene Szenarien in Form von Best-Case- und Worst-Case-Betrachtungen aufzubereiten.
Bei der Erarbeitung der Sanierungsmaßnahmen ist sowohl die betriebliche Situation als auch die private Lebensführung des Unternehmers auf den Prüfstand zu stellen. Private Einschränkungen sind in der Regel unumgänglich. Dabei ist viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Dem Apothekeninhaber fällt es oft schwer, sich von Unternehmenseinheiten zu trennen, in die er viel Zeit und Geld investiert hat, die aber nachhaltig wirtschaftlich nicht tragfähig sind.
Der Inhaber muss mitziehen
Eine erfolgreiche Sanierung steht und fällt immer mit der Person des Apothekeninhabers. Das beste Sanierungskonzept ist zum Scheitern verurteilt, wenn der Unternehmer nicht in der Lage oder willens ist, das Sanierungskonzept umzusetzen. Nur wenn der Betroffene aktiv mitarbeitet und den Willen hat, Veränderungen – auch persönliche – herbeizuführen, kann eine Sanierung gelingen. Dabei ist auch die Einsicht des Apothekeninhabers hinsichtlich etwaiger Fehlentscheidungen erforderlich. Nur so lässt sich das Vertrauen der Gläubiger wiedergewinnen. Die Gläubiger werden einer außergerichtlichen Sanierung nur zustimmen, wenn sie das Gefühl und das Vertrauen haben, dass der Unternehmer das Heft des Handelns wieder in der Hand hat und mit Hilfe des Sanierungsberaters den Turnaround schaffen kann.
Ohne Zugeständnisse und Mitwirken der Gläubiger ist eine Sanierung häufig nicht zu bewältigen. Daher ist eine regelmäßige und offene Kommunikation notwendig. Während der Sanierung, die sich über Monate, manchmal auch über Jahre hinzieht, erfolgt ein regelmäßiges Reporting zum Stand der Sanierung. Insbesondere wenn es in dieser Phase zu unvorhergesehenen Rückschlägen kommt, ist eine aktive Kommunikation unerlässlich.
Können die Ursachen der Krise durch außergerichtliche Sanierungsmaßnahmen nicht beseitigt werden, bleibt noch die Sanierung im Rahmen der Insolvenzordnung. Dabei besteht seit Einführung des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) die Möglichkeit, die Apotheke in Eigenregie weiterzuführen und dabei mit den Instrumenten der Insolvenzordnung nachhaltig zu sanieren. Hierauf wird in einer der folgenden AWA-Ausgaben näher eingegangen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(17):8-8