Prof. Dr. Reinhard Herzog
Niedrige Zinsen, schwer zu findende Anlagealternativen für das Ersparte, wirtschaftlich eher ruhige Zeiten ohne nahende Gesundheitsreform vor Augen: Allen Diskussionen um missglückte Honorarforderungen zum Trotz bewegen wir uns zurzeit in einem wirtschaftlich eher beschaulichen Fahrwasser. Die Spielverderber sind eher die vielen bürokratischen und administrativen Alltagsschikanen.
Einzelhandel im Umbruch
Gleichwohl ändert sich auch bei uns und in unserem direkten Umfeld sehr viel. Die Technisierung schreitet voran, das Internet ist heute „Infrastruktur“ wie Wasser und Licht (mit allen Konsequenzen). Ganze Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten werden umgekrempelt. Um nicht abgehängt zu werden, besteht selbst in heute noch gut aufgestellten Apotheken Investitionsbedarf. Lassen Sie uns einen Streifzug durch diese Herausforderungen der Zukunft und die heutigen investitiven Antworten darauf machen.
Messebesuche wie z.B. die demnächst stattfindende Expopharm (30.09. bis 03.10.2015 in Düsseldorf) mögen Anregungen bieten, wobei Profis gerade auch die Messen anderer Branchen besuchen, von denen man etwas abschauen kann – bis hin zu Technik oder Design und Ladenbau. Hierzu ein Tipp: Allzu oft lässt man sich auf Messen treiben, und hat am Ende nicht allzu viel mitgenommen. Dass manche Messestände eher einem Wirtshaus gleichen, tut das Seinige dazu. Deshalb: Bereiten Sie einen Messebesuch vor! Schauen Sie auf die Ausstellerliste (Messeveranstalter-Webseite), informieren Sie sich vorab im Internet über die jeweiligen Produkte und Firmen. Umso gezielter können Sie am Stand fragen und fangen nicht jeweils bei Null an! Setzen Sie sich Ziele, was Sie sehen bzw. abklären möchten, und machen Sie eine Liste der Pflichtstationen. Darüberhinaus kann man dann eine bestimmte freie Zeit zum „Bummeln“ vorsehen.
Mini-Max – etwas Verschönerung geht immer!
Mit wenig viel erreichen ist eine Maxime erfolgreicher Unternehmensführung. Mit wenig Aufwand können Sie immer wieder Ihrer Apotheke zu Glanzpunkten verhelfen, die Ihren Kunden positiv auffallen und im Gedächtnis bleiben. Ein „Eyecatcher“, etwas Grün, ein Wasserspender (oder gar ein Getränkeautomat?), ein Riesen-Plüschtier (Betriebsmaskottchen?), die Gestaltung der Warenpräsentation „mit Herz“ (z.B. mit ein paar künstlichen Blüten, Figuren, Mineralien), die Aufwertung des Schaufensters mit individuellen Präsentationen: Mit recht wenig Geld können Sie Akzente setzen! Eine abgetretene Fußmatte ist zum Winter hin vielleicht durch ein witziges, einladendes Modell zu ersetzen.
Ein elektrischer Bedufter mit einstellbarer Intensität und Verdampfungsleistung (wichtig!) ist für allenfalls niedrig vierstellige Beträge zu haben und gestattet es, wortwörtlich „Duftmarken“ zu setzen. Nebenbei steigern sorgfältig ausgewählte und richtig dosierte Düfte erwiesenermaßen die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Auch die Beschallung der Apotheke ist kein Hexenwerk und eine Überlegung wert. Wie beim Duft, macht hier die Dosis das Gift – oder eben die Nutzwirkung.
In den Bereich „Mini-Max“ zählen auch optisch beeindruckende Visitenkarten – für wenig Geld sogar mit eigenen Hintergrundmotiven im Internet bei einschlägigen Anbietern zu bestellen. Ähnliches gilt für Briefpapier und Rechnungen: alles Aushängeschilder, die für wenig Aufwand viel mehr hermachen können. Ggf. spendieren Sie hierfür ein paar Grafikerstunden, das Angebot an günstigen Freiberuflern ist enorm groß. Vielleicht lassen Sie die betreffende Person bei der Gelegenheit auch nochmal über Ihre ggf. in Eigenregie erstellten Werbematerialien und Flyer schauen.
Lichttechnik
In kaum einem Bereich sind die Fortschritte in den letzten Jahren so groß wie bei der Lichttechnik. Ganz klar machen heute die Leuchtdioden (LED) das Rennen, in Wartestellung befinden sich biegsame, folienartige OLED (die „organische“ Variante auf Polymerbasis), die noch sehr teuer sind und erst in wenigen Jahren wirklich für größere Flächen interessant sein werden.
Sehr reizvoll sind bereits heute die Möglichkeiten, Regalrückwände oder HV-Tische mit farbigen, in weiten Bereichen steuerbaren LED-Flächen (RGB-Dioden) zu hinterleuchten. Das sind Blickfänge ersten Ranges zu noch überschaubaren Kosten!
Wer heute noch, erst recht in einem kompetitiven Umfeld mit vielen aktiven Mitbewerbern, seine Offizin nach dem Modell „Oberamtsratsstube“ mit klassischen, diffusfahlen Leuchtstoffröhren oder veralteten, stromfressenden, hitzeabstrahlenden Halogenlampen ausleuchtet, verschenkt viel Potenzial!
Der Energiespareffekt der LED zeigt sich vor allem gegenüber den Halogenstrahlern (hier rechnen sich die LED in kurzer Zeit quasi von selbst), während die Stromersparnis gegenüber Leuchtstoffröhren mit knapp 50% erheblich geringer ist. Dennoch: Die Lichtqualität entscheidet, vergessen Sie dabei nicht zuletzt Ihren Wohlfühlfaktor und den Ihrer Mitarbeiter!
Präsentationstechnik
Nach den Kommissionierautomaten könnte hier tatsächlich eine ähnlich tiefgreifende Revolution bevorstehen. Die Apotheke irgendwann ganz ohne physische Ware in Frei- und Sichtwahl, sprich ohne klassische Regale, stattdessen alles „virtuell“ auf Bildschirmen oder künftig auf biegsamen OLED-Folien? Erste Gehversuche in diese Richtung laufen bereits ...
In jedem Fall ist die moderne Warenpräsentation auch (!) elektronisch ein Thema, an welchem moderne Apotheken, zumal in Lauflage, nicht vorbeikommen. Dies ist wesentlich vielschichtiger, als nur ein paar Flachbildschirme aufzuhängen oder ins Schaufenster zu stellen. Von der Bildschirmsicht- und ggf. Freiwahl, in den HV-Tisch eingelassenen Terminals auch zur Bedienung durch die Kunden (Touchscreens) bis zur Fortsetzung dieser „elektronischen Storys“ bei Ihrem Internetauftritt (Shop?) reicht die Kette. Diese neue Form der Präsentation eröffnet ganz andere Freiheitsgrade, und tatsächlich ist nicht die Technik das Problem, sondern die Bespielung dieser neuen Bühne mit Inhalten über reine Packungspräsentationen und Werbevideos hinaus. Sich damit intensiv zu beschäftigen, darf heute als eine vorrangige Chefsache gelten.
Der Technik-Bogen spannt sich somit nahtlos weiter zur Großbaustelle Internet. Für viele ist das immer noch „Neuland“. Zahlreiche Dienstleister liefern brauchbare Plattformen und „Rahmen“ – aber wer bespielt diese zeitnah, aktuell, spannend und kundenorientiert? Eher die Regel als die Ausnahme sind Aktionen vom Juni, die im November immer noch unter „Aktuelles“ aufgeführt sind ...
Investitionsziel Mitarbeiter
Möglicherweise liegen Ihre größten Baustellen und Investitionsversäumnisse aber gar nicht bei Regalen, Computern oder Lampen, sondern bei ihrem „lebenden Inventar“, welches im Grunde Ihr wertvollstes Kapital darstellt. Demzufolge will es ebenfalls sorgsam gepflegt, „gewartet“, auch modernisiert und hin und wieder mal „entrostet“ werden.
Um es mal so platt zu sagen: Häufig wird das Auto oder der Kommissionierautomat sorgfältiger „in Schuss gehalten“ als die Menschen. Nun kann man auf dem Standpunkt stehen, dass der Erhalt der „Employability“ in erster Linie Aufgabe des Arbeitnehmers ist. Die Realität ist freilich gerade im Mikrokosmos Apotheke eine andere. Kluge Unternehmer stellen regelrechte Investitions- und Entwicklungspläne für ihre Mitarbeiter auf – für Schulungen, gute Arbeitsmittel, mal ein Coaching und nicht zuletzt genügend eigene Zeitkapazität für Mitarbeitergespräche und ein stets „offenes Ohr“.
Wundern Sie sich nicht, wenn diese Investitionen in der Summe selbst manch größere Sachinvestitionen betragsmäßig überschreiten. Richtig eingesetzt, sind diese Mittel jedoch Gold und somit jeden Euro wert!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(18):10-10