Prof. Dr. Reinhard Herzog
Ein Angebot aus Frankreich: Ordentlich laufende Apotheke, zu haben für gut einen Jahresumsatz! Österreich: Etwa ein Jahresumsatz, teils etwas mehr, ist auch hier eine typische Kaufpreisforderung, ähnlich in der Schweiz.
Zwar liegen die erzielten Spannen in diesen Ländern, allen voran die Schweiz, einige Prozentpunkte höher. Die Kosten (insbesondere Personal, in der Schweiz zusätzlich die Mieten) sind allerdings auch höher, sodass die Gewinnmargen gar nicht so viel anders wie bei uns aussehen. Indes gibt es in Österreich und Frankreich Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit, in der Schweiz dagegen herrschen liberale Verhältnisse – Ketten und je nach Kanton selbstdispensierende Ärzte eingeschlossen.
Und hier? Eine gut durchschnittliche Apotheke, zwischen 2,0 und 2,5Mio.€ Nettoumsatz, ist für etwa 20% bis allenfalls 40% vom Umsatz zu haben, mit Glück sogar inklusive Warenlager. Die Zeiten, in denen auch hier etwa ein Jahresumsatz bezahlt wurde, sind viele Jahrzehnte her.
Gradmesser Börse
Schauen wir vergleichend einmal auf die Börsenbewertungen verschiedener Einzelhändler, darunter Apothekenbetreiber (Galenica in der Schweiz, Walgreens Boots Alliance und CVS Health in den USA). Bewertungen in der Größenordnung eines Jahresumsatzes sind bei den (allerdings nicht ausschließlichen) Apothekenbetreibern üblich.
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In Deutschland billigt man Bijou Brigitte, einem Modeschmuckhändler, dessen Umsätze schon lange fallen (Filial-Durchschnittsumsatz gut 300.000€), trotzdem immer noch eine etwa 1,2-fache Bewertung des Umsatzes zu. Die Modekette Adler kommt auf etwa 45% Firmenwert vom Umsatz. Vergleichsweise billig ist ein Metro-Umsatz (um 15%) zu haben.
Legt man die viel wichtigeren Gewinne zugrunde, werden an der Börse gerne 15 bis 20 Jahresgewinne nach Steuern bezahlt, selbst in schwächeren Börsenzeiten meist noch über 10. Bezogen auf den Buchwert beträgt das Verhältnis heute oft etwa zwei bis drei (Kurs/Buchwert-Verhältnis). Allerdings: Wir reden an der Börse von „echten“, versteuerten Gewinnen, ggf. zur (teilweisen) Ausschüttung an die Aktionäre, nach Abzug aller Kosten einschließlich Vorstandsgehältern. Bei einer inhabergeführten Apotheke wäre der betriebswirtschaftliche Gewinn nach Abzug eines kalkulatorischen Unternehmerlohns eine vergleichbare Größe. Alternativ kommt der Gewinn infrage, der sich ohne jede Unternehmerleistung aus Filialsicht („profit center“) mit hundertprozentiger Abdeckung durch Angestellte ergeben würde. Hier sehen viele Apotheken schon erheblich schwächer aus.
Preise richten sich zum einen nach Angebot und Nachfrage. Andererseits limitiert die Tragfähigkeit und damit verbunden die Finanzierbarkeit (v.a. bei Fremdfinanzierung) den Preis. Das gilt selbst dann, wenn ein gründungswilliger Apotheker oder ein Konkurrenzbetrieb bereit wären, sehr hohe Preise zu entrichten, um dem Angestelltendasein zu entkommen oder die Konkurrenz aufzukaufen. Somit sollte die Tragfähigkeitsanalyse der limitierende Faktor sein. Doch wie weit ist es damit her?
Die entscheidenden Werte sind die Zinsbelastung, der Tilgungshorizont sowie am Ende der mutmaßliche Verkaufserlös. Wer mit einem ähnlichen oder gar höheren Verkaufserlös rechnen kann, als er selbst bezahlt hat, kann ganz anders kalkulieren, als wenn der Apothekenwert selbst ohne eigenes Zutun (regulatorische Eingriffe!) stets bedroht ist. Bei stabiler Wertentwicklung kann man mutig rechnen!
Aggressive Kalkulation
Angenommen, Sie würden eine Apotheke mit gutem, nachhaltigem Ertrag für einen stolzen Jahresumsatz kaufen. Um nicht mit Tilgungen belastet zu werden, wird ein endfälliges Darlehen abgeschlossen (Tilgung vollständig am Schluss). Das freut die Bank (stete Zinsen auf den Gesamtbetrag!), nach Steuern sieht es für Sie allerdings auch nicht mehr so schlimm aus.
Kaufpreis mal Kreditzinssatz bedeutet dann bei z.B. 2,5% Zins auch eine Zinsbelastung von 2,5% vom Umsatz oder – bei 25% Spanne – 10% vom Rohertrag. Das entspricht in etwa einer zweiten Miete und ist durchaus tragfähig. Bei 5% Zinsen wird es dagegen schon weit kritischer! Das verdeutlicht die Zinssensitivität hoher Unternehmenswerte (analog auch Immobilienpreise). Die Nettoliquidität belastende Tilgungen fallen erst einmal nicht an. Getilgt wird am Ende mit dem Verkaufserlös. Solche Modelle funktionieren in langfristig stabilen oder wachsenden Gesellschaften und Märkten, hier allerdings ggf. auf sehr lange Zeit. Obiges Modell können Sie beinahe in die Ewigkeit strecken (wenn eine Bank mitmacht), so funktionierten u.a. viele amerikanische Immobilienfinanzierungen. Wehe allerdings, wenn die Unternehmenserträge und damit die Werte ins Rutschen kommen! Erlösen Sie am Ende nur noch die Hälfte Ihres Kaufpreises, stehen Sie dumm da – denn die andere Hälfte, nunmehr ebenfalls zur Tilgung fällig, müssen Sie irgendwo hernehmen!
Vorsichtigere Rechnung
Damit kommen wir zur „kleinen Hasenfuß-Kalkulation“: Sie rechnen damit, dass die Apotheke am Ende nur noch die Hälfte wert sein wird. Nun sollten Sie auch mindestens die Hälfte bis dahin tilgen und benötigen dafür einen Zeithorizont. Jetzt geht es nicht mehr bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Jetzt fängt das Rechnen und Überlegen an: 10 Jahre? 15 Jahre? Länger? Nehmen wir 10 Jahre. Dann müssen Sie 5% des Kaufpreises (100% eines Jahresumsatzes, 50% werden getilgt, und zwar auf 10 Jahre) Jahr für Jahr „abstottern“. Dafür sinkt zwar über die Jahre etwas Ihre Zinsbelastung aufgrund der fortschreitenden Tilgung. Nichtsdestotrotz stehen selbst bei nur 2,5% Zinssatz knapp 7% vom Umsatz für Zins und Tilgung im Schnitt der Jahre zu Buche, oder rund 28% vom Rohertrag. Das ist kaum leistbar. Der Kaufpreis in Prozent vom Jahresumsatz muss schlicht reduziert werden, um die Belastung für Zins und Tilgung – ebenfalls in Umsatzprozent – in Grenzen zu halten, und zwar auf:
36% bei 2,5% Kapitalkosten,
43% bei 3% Kapitalkosten,
58% bei 4% Kapitalkosten.
Das sind verglichen mit den Marktpreisen immer noch eher hohe, aber schon realistischere Werte. Rechnet man pessimistischer, kommen noch niedrigere Werte zustande. Wohlgemerkt: Das sind alles Grobkalkulationen, welche lediglich die Zusammenhänge erläutern sollen.
Fazit
Gemessen an den Bewertungen vergleichbarer Geschäfte, erst recht international, sind unsere Apotheken überraschend billig (wie übrigens nach wie vor viele Immobilien). Der Dreh- und Angelpunkt sind die Zukunfts- und Wachstumserwartungen, verbunden mit einer sehr sicherheitsorientierten Sichtweise.
In Deutschland werden eher Angst- und Mißtrauensabschläge vorgenommen, nicht zuletzt aufgrund politischer Unsicherheit und hoher Fremdbestimmung. Auch wirft die Demografie – regional sehr unterschiedlich – bereits ihre Schatten voraus. Andernorts herrschen mehr Zuversicht und langfristig bessere Wachstumserwartungen. Das monetarisiert sich in Form von teils erheblichen „Vertrauenszuschlägen“, die jedoch nicht immer gerechtfertigt erscheinen und dann als „Blasen“ platzen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(18):8-8