Steuerspartipp

Vermietung und Verpachtung: Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten


Helmut Lehr

In den letzten Jahren war die steuerliche Behandlung von Schuldzinsen, die für ein vormals vermietetes Objekt auch nach dessen Veräußerung noch zu entrichten sind, sehr umstritten. Verschiedene Anweisungen der Finanzverwaltung und Urteile des Bundesfinanzhofs machten die Rechtslage unübersichtlich1). Das Bundesfinanzministerium hat nun nochmals in einem ausführlichen Schreiben seine Sicht der Dinge für verschiedenste Fallgestaltungen klargestellt2).

Hinweis: Die Verlautbarung betrifft nicht nur klassische Schuldzinsen, die nach der Objektveräußerung weiterhin entstehen, sondern auch Vorfälligkeitsentschädigungen und Schuldzinsen nach Aufgabe der Einkunftserzielungsabsicht (ohne Veräußerung).

Grundstücksveräußerung nach dem 31. Dezember 1998

Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, welche der Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten eines vormals vermieteten Objekts dienten, können grundsätzlich auch nach der Veräußerung weiter als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös hätten getilgt werden können (Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung). Ausnahmsweise gilt der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung nicht, wenn hinsichtlich des Veräußerungserlöses Auszahlungshindernisse oder bezüglich der Tilgung Rückzahlungshindernisse bestehen.

Der nachträgliche Werbungskostenabzug setzt weiter voraus, dass die Absicht, Einkünfte zu erzielen, nicht bereits vor der Veräußerung weggefallen ist. Keine Rolle spielt hingegen für den Werbungskostenabzug, ob die Veräußerung innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist erfolgt(e).

Hinweis: Wurde das Objekt bereits vor dem 1. Januar 1999 veräußert, soll ein nachträglicher Werbungskostenabzug nicht mehr in Betracht kommen. In der Praxis werden die meisten Darlehen mehr als 16 Jahre nach der Veräußerung ohnehin getilgt sein.

Vorfälligkeitsentschädigung bei Veräußerung

Die Finanzverwaltung sieht in einer Vorfälligkeitsentschädigung wirtschaftlich betrachtet das Ergebnis einer auf vorzeitige Ablösung gerichteten Änderung des Darlehensvertrags. Der ursprüngliche wirtschaftliche Zusammenhang des Darlehens mit der Finanzierung des Mietobjekts werde dadurch im Zuge der Veräußerung überlagert. Aus diesem Grund ist eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften abzugsfähig, vielmehr gehört sie nach Ansicht der Verwaltung zu den Veräußerungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften. Eine steuerliche Auswirkung ergibt sich daher nur, wenn Anschaffung und Veräußerung des Objekts innerhalb von zehn Jahren erfolgen.

Hinweis: Wurde der Vertrag über die Veräußerung des Objekts vor dem 27. Juli 2015 rechtswirksam abgeschlossen, soll es ausnahmsweise noch möglich sein, eine Vorfälligkeitsentschädigung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen. Dies erfordert allerdings, dass bereits bei Ablösung des Darlehensvertrags die konkrete Absicht bestand, ein neues, der Einkünfteerzielung dienendes Objekt anzuschaffen und die Vorfälligkeitsentschädigung mit dieser neuen Finanzierung in Verbindung steht.

Aufgabe der Vermietungsabsicht

Sollte das Finanzamt im Einzelfall feststellen, dass die Einkünfteerzielungsabsicht nicht mehr besteht, obwohl das Mietobjekt noch nicht veräußert wurde, entfällt der Schuldzinsenabzug. Zwangsläufig entfällt dann auch jeglicher weitere Werbungskostenabzug, z.B. für Abschreibung und laufende Kosten.

Hinweis: Ein Wegfall der Einkünfteerzielungsabsicht wird von den Finanzämtern des Öfteren unterstellt, wenn der Steuerpflichtige für ein schon längere Zeit leer stehendes Objekt keine nennenswerten Vermietungsbemühungen nachweisen kann3).

Fremdfinanzierte Erhaltungsaufwendungen

Voraussetzung für den nachträglichen Werbungskostenabzug von Schuldzinsen bei fremdfinanzierten sofort abziehbaren Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) ist, dass der Erlös aus der Veräußerung des Mietobjekts nicht ausreicht, um die Darlehensverbindlichkeit zu tilgen.

Der durch die tatsächliche Verwendung des Darlehens zur Finanzierung sofort abziehbarer Werbungskosten geschaffene Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bleibt zwar grundsätzlich nach Beendigung der Einkünfteerzielung bestehen. Wird der Veräußerungserlös aber tatsächlich nicht zur Tilgung dieses Darlehens verwendet, kann nach Ansicht der Finanzverwaltung eine daneben bestehende bzw. neu entstehende relevante „private Motivation“ für die Beibehaltung des Darlehens sprechen. Soll heißen: Der Werbungskostenabzug geht verloren!

Hinweis: Wurde das Objekt mit vor dem 1. Januar 2014 rechtswirksam abgeschlossenen Kaufvertrag veräußert, bleibt die frühere Rechtslage aus Vertrauensschutzgründen weiter anwendbar. Danach kommt es für den Werbungskostenabzug von nachträglichen Schuldzinsen nicht darauf an, ob ein bei der Veräußerung erzielter Erlös zur Schuldentilgung ausgereicht hätte. Die Vertrauensschutzregelung ist deshalb angezeigt, weil der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 12. Oktober 2005 entsprechend entschieden4) und die Finanzverwaltung sich daraufhin ausdrücklich dieser Rechtsprechung angeschlossen hatte. Das bedeutet: Wurde ursprünglich Erhaltungsaufwand mittels Darlehen finanziert und das Objekt vor dem 1. Januar 2014 veräußert, sind nachträgliche Schuldzinsen grundsätzlich ohne Wenn und Aber weiterhin abzugsfähig!

1) Vgl. zuletzt AWA-Ausgabe Nr. 18 vom 15. Juni 2014, Seite 18 und 19.

2) Vgl. Schreiben vom 27. Juli 2015, Aktenzeichen IV C 1 – S 2211/11/10001.

3) Vgl. hierzu ausführlich AWA-Ausgabe Nr. 5 vom 1. März 2013, Seite 18.

4) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 1 vom 1. Januar 2006, Seite 19.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(18):18-18