Prof. Dr. Reinhard Herzog
Personalwechsel, vor allem ein ungeplanter, wird in Zeiten knapperer Fachkräfte auch für Apotheken verstärkt zur unternehmerischen Herausforderung. Es ist noch nicht lange her, da waren „dynamische“ Unternehmen sogar stolz auf eine hohe Fluktuationsrate – stand diese doch für eine laufende „Blutauffrischung“ einerseits und die Trennung von weniger leistungsfähigen bzw. nicht mehr „passenden“ Mitarbeitern andererseits. In Ländern mit einem hohen Angebot an nachwachsenden Arbeitskräften ist dies immer noch so, hierzulande wirft der demografische Wandel auf dem Arbeitsmarkt seine Schatten voraus.
Deshalb empfiehlt es sich gerade für mitarbeiterstarke Apotheken, die Fluktuationsrate systematisch zu erfassen und auszuwerten. Prinzipiell kommen folgende Gründe für einen Personalwechsel und damit ggf. eine Fluktuation in Betracht:
- Eine Kündigung seitens des Mitarbeiters.
- Die Kündigung durch den Arbeitgeber.
- Vorübergehendes Ausscheiden: z.B. Kinderpause bzw. Elternzeit, „Sabbatical“.
- Endgültiges Ausscheiden durch Verrentung, gar Tod u.a. = „natürliche Fluktuation“.
- Partielles Ausscheiden auf jetzigem Stellenlevel: „Altersteilzeit“, sonstige Stundenreduktion.
- Unternehmensinterne Veränderungen: interne Stellenwechsel, Beförderungen oder auch Rückstufungen innerhalb der Gesamtorganisation.
Irgendetwas ist immer los ...
Zusammen ergibt dies in größeren Betrieben eine beträchtliche Personaldynamik – irgend jemand ist immer auf dem Sprung.
Unter der Fluktuationsrate im engeren Sinne versteht man jedoch lediglich die unternehmensfremde Fluktuation, d.h., den Anteil an Mitarbeitern, welchen man durch Kündigung des Mitarbeiters selbst an andere Unternehmen verliert (das entspricht also nur dem ersten Punkt der langen Aufzählung).
Die Fluktuationsrate errechnet sich somit aus der Zahl der Abgänge geteilt durch den durchschnittlichen Personalbestand. Das kann man nach Köpfen berechnen, wer es exakter mag, rechne mit den anteiligen, abgängigen Stellen bezogen auf die Gesamtzahl an Vollzeitstellen.
Kündigen im Laufe eines Jahres beispielsweise zwei Halbtags- und zwei Vollzeitkräfte, und Sie haben 30 Vollzeitstellen unter Vertrag (nicht „Köpfe“!), betrüge Ihre Fluktuationsrate 10% (entsprechend drei abgängigen Vollzeitkräften).
Der kluge, umsichtige Firmenchef schaut weiterhin genau hin, wer bei ihm kündigt: Vor allem die approbierten Kollegen, die sich vielleicht nicht adäquat gewürdigt fühlen? Mitarbeiter in einer bestimmten Filiale oder in einem bestimm-ten Arbeitsbereich (zum Beispiel Speziallabor, Heimversorgung etc.)? Das sind klare Signale, dass punktuell etwas nicht stimmt.
Bundesweit werden Fluktuationsraten von etwa 14% genannt (Quelle: Personaldienstleister Hay Group), mit steigender Tendenz, da der Arbeitsmarkt vielfach einen Wechsel erlaubt: Die Konkurrenz sucht ebenfalls fähige Leute! In Rezessionszeiten wird hingegen „geklammert“, die Fluktuationsraten sinken. In den USA sind die Veränderungsraten traditionell höher (22%), in Italien beispielsweise noch niedriger als bei uns (10%).
Da ein Wechsel eines guten Mitarbeiters den ehemaligen Arbeitgeber meist mehr oder weniger hoch fünfstellige Beträge kostet, bis Ersatz gefunden, eingearbeitet und wieder hundertprozentig produktiv ist, kommen bei einer zweistelligen Fluktuationsrate selbst auf Betriebe in der Größenordnung von 15 oder 20 Mitarbeitern nennenswerte, jährliche Kostenrisiken zu. Ein Grund mehr, das Thema „auf dem Radar“ zu behalten – und im Falle hoher Fluktuation rasch eine unvoreingenommene Ursachenforschung zu betreiben...
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(20):13-13