Jasmin Theuringer
Äußere Form des Zeugnisses
Den ersten Eindruck hinterlässt die äußere Form eines Zeugnisses. Ist es sauber und fehlerfrei geschrieben? Wurde es auf Briefpapier gedruckt oder auf Blankopapier? Ist es auffällig kurz oder lang?
Die angemessene Länge eines Zeugnisses richtet sich nach der Position des Arbeitnehmers, den ausgeübten Tätigkeiten und der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Bei einem sehr kurzen Arbeitsverhältnis, das noch innerhalb der Probezeit beendet wird, ist in der Regel noch nicht viel über den Arbeitnehmer zu sagen. Füllt das Zeugnis dennoch zwei DIN-A4-Seiten, sollte das stutzig machen. Das spricht doch sehr dafür, dass der Arbeitgeber sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, das Zeugnis selbst zu schreiben, sondern einen Entwurf des Arbeitnehmers ungeprüft übernommen hat. Arbeitnehmer neigen häufig dazu, in eigenen Entwürfen sehr ausführlich ihre Tätigkeit und ihre persönlichen Vorzüge zu beschreiben, ohne dabei Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.
Im Übrigen dürfte eine Länge von knapp einer DIN-A4-Seite die Untergrenze darstellen. Ist das Zeugnis kürzer, insbesondere bei einer mehrjährigen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, drückt das eine deutliche Abwertung aus. Das gilt in besonderem Maße für verantwortungsvolle Positionen, also insbesondere für den Approbierten oder den Filialleiter. Hier darf der Text auch über eine DIN-A4-Seite hinausgehen.
Unsauberes Papier, die Verwendung von Blankopapier anstelle des Briefpapiers der Apotheke oder gar Rechtschreibfehler sind in Zeugnissen nicht zu akzeptieren. Sie sind ein ganz deutlicher Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber sich nicht die geringste Mühe mit dem Zeugnis gegeben hat. Das wiederum lässt auf dessen Wertschätzung nur einen Schluss zu... Allerdings sind derartig offensichtliche Mängel auch dem Arbeitnehmer vorzuwerfen, der diese offenkundig kampflos akzeptiert und zudem auch keine Hemmungen hat, sich mit einem solchen Zeugnis zu bewerben.
Tätigkeitsbeschreibung
Die Reihenfolge, in der die Aufgaben des Arbeitnehmers im Zeugnis dargestellt werden, sollte sich an der Bedeutung der Aufgaben orientieren. Dabei sollten wesentliche Bestandteile der Tätigkeit weder weggelassen noch am Ende einer Auflistung von Belanglosigkeiten erwähnt werden. Andernfalls kann damit zum Ausdruck gebracht werden, dass wesentliche Tätigkeiten ungern oder nicht zufriedenstellend erledigt wurden.
Beurteilung
Die zentrale Aussage eines Zeugnisses ist der Ausdruck der Zufriedenheit. Es hat sich eine Bewertungsskala etabliert, um anhand verschiedener, wenn auch sprachlich etwas unglücklicher Steigerungen der Zufriedenheitsaussage die Tätigkeit des Arbeitnehmers zu benoten. So entspricht die Formulierung „stets zu meiner vollsten Zufriedenheit“ einem „Sehr gut“, „zu meiner vollsten Zufriedenheit“ ebenso wie „stets zu meiner vollen Zufriedenheit“ einem „Gut“, „zu meiner vollen Zufriedenheit“ einem „Befriedigend“ und alles, was hinter diesen Formulierungen zurückbleibt, ist für einen Arbeitnehmer unvorteilhaft.
Es reicht jedoch nicht aus, lediglich einen Blick auf die Zufriedenheitsaussage zu werfen, es sollte stets der gesamte Tenor des Zeugnistextes beachtet werden. Bei einem sehr guten Zeugnis sollte auch an anderen Stellen nicht an den in Zeugnissen üblichen Superlativen gespart worden sein. So sind „gute Fachkenntnisse“ nicht wirklich gut, in positiven Zeugnissen werden sie stattdessen als „hervorragend“ bezeichnet.
Gerade weil sich in Zeugnissen die Verwendung von Superlativen eingebürgert hat, wird Negatives häufig durch sog. Nicht-Aussagen ausgedrückt oder durch das Weglassen wesentlicher Aussagen. So ist zum Beispiel die Aussage über das Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden in einem Zeugnis unverzichtbar. Die Mindestaussage hierzu sollte lauten: „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets einwandfrei“. Heißt es stattdessen, das Verhalten sei „nicht zu beanstanden“ gewesen, bedeutet dies, dass es tatsächlich zu beanstanden war. Wird die Reihenfolge vertauscht, der Vorgesetzte also zum Beispiel als Letzter genannt, so ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass es mit dem Verhältnis zu diesem gerade nicht zum Besten stand. Das Gleiche drückt das völlige Weglassen einer der drei Personengruppen aus.
Bei Mitarbeitern im Handverkauf ist natürlich der Umgang mit den Kunden ein ganz wesentliches Beurteilungskriterium. Eine positive Aussage hierzu sollte daher nicht fehlen.
Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ganz besondere Aufmerksamkeit ist dem Schluss eines Zeugnisses zu widmen. Üblicherweise findet sich dort zunächst eine Aussage zu der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wirklich positiv für den Arbeitnehmer ist nur die Aussage „...verlässt uns auf eigenen Wunsch“, denn das bedeutet, dass der Arbeitnehmer selbst gekündigt hat. Ist das Zeugnis im Übrigen positiv formuliert, schadet auch die Aussage „leider ... aus betrieblichen Gründen“ nicht. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses „im gegenseitigen Einvernehmen“ hingegen umschreibt eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung des Arbeitsverhältnisses, das durch einen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich endete.
Eine ganz deutliche Sprache spricht ein „krummes“ Beendigungsdatum. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist nach der Probezeit gemäß den gesetzlichen Regelungen nur zum Fünfzehnten oder zum Letzten eines Monats möglich, nach zweijährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses nur noch zum Letzten eines Monats. Jedes andere Beendigungsdatum ist daher ein ganz deutlicher Hinweis auf eine fristlose Kündigung.
Schlussformel
Ein wohlwollendes, gutes Zeugnis endet im Idealfall mit etwa dieser Formulierung: „Herr X verlässt uns mit dem 31.Dezember 2015 auf eigenen Wunsch. Ich bedaure, mit ihm einen hervorragenden Mitarbeiter zu verlieren, danke Herrn X für die stets angenehme Zusammenarbeit und wünsche ihm für seine berufliche und private Zukunft weiterhin viel Erfolg und alles Gute.“
Das Besondere an dieser sog. Dankens-Bedauerns-Formel ist, dass ein Arbeitnehmer auf diesen Zeugnisabschluss keinen vor Gericht durchsetzbaren Anspruch hat. Fehlt beispielsweise der Ausdruck des Bedauerns, so bedeutet das genau dies – der Arbeitgeber bedauert das Ausscheiden nicht. Ist die Schlussformel deutlich kürzer und endet mit „...wünsche ihm für seine berufliche Zukunft viel Erfolg“, ohne den Zusatz „weiterhin“, soll das häufig bedeuten, dass die Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer als nicht sonderlich erfolgreich angesehen wurde.
Gesamtbild des Zeugnisses
Wichtiger als einzelne Formulierungen in einem Zeugnis ist stets das Gesamtbild. Gerade Zeugnisse sind leider oft gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Dahinter muss nicht stets eine böse Absicht stehen. Klingt das Zeugnis insgesamt positiv, müssen einzelne missglückte Formulierungen nicht wirklich auf die Unzufriedenheit des Arbeitgebers hinweisen. Im Zweifel lohnt sich oft ein klärendes Telefongespräch mit dem Vor-Arbeitgeber, das gilt insbesondere auch bei Zeugnissen, die zu gut sind, um wahr zu sein.
Eine Checkliste zur Bedeutung verschiedenster Zeugnisformulierungen können unsere Abonnenten hier abrufen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(21):15-15