Steuer-Spartipp

Erbschaft- und Schenkungsteuer: Erbauseinandersetzung über das Familienheim


Helmut Lehr

Das sog. Familienheim kann unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei an den Ehepartner oder an Kinder vererbt werden. Ist ein Kind des Erblassers bereits verstorben, kommt auch eine steuerfreie Übertragung an Enkel in Betracht. Als Familienheim im Sinne der steuerlichen Definition gilt ein bebautes Grundstück, das der Erblasser bis zu seinem Tod bewohnt hat oder an dessen Selbstnutzung er aus objektiv zwingenden Gründen gehindert war (z. B. Heimunterbringung wegen Pflegebedürftigkeit). Die Begünstigung setzt voraus, dass der Erwerber das Objekt unverzüglich zu eigenen Wohnzweckennutzt.

Hinweis: Besteht das Gebäude aus mehreren Wohnungen, kommt die Steuerbefreiung für den Wert der selbst genutzten Wohnung in Betracht. Erben Kinder oder Enkel, gilt sie aber nur insoweit, als die Wohnfläche der Wohnung 200 m2 nicht übersteigt.

Ausgangsbeispiel

Herr Paulsen ist am 24.12.2012 verstorben. Er hinterlässt mehrere Grundstücke, u. a. ein Zweifamilienhaus, in dem er bis zu seinem Tod eine Wohnung (150 m2) zusammen mit seiner Tochter Emma bewohnte, die andere Wohnung ist vermietet. Emma und ihr Bruder Sven erben gemeinsam, jeweils zur Hälfte (Miterben). Ende 2013 zieht Sven mit seiner Familie in die vormals von seinem Vater selbst genutzte Wohnung ein. Mit notariell beurkundetem Erbauseinandersetzungs- und Grundstücksübertragungsvertrag heben Sven und Emma die Erbengemeinschaft im März 2014 in der Weise auf, dass Sven das Zweifamilienhaus (mit seiner eigenen Wohnung) und Emma die restlichen (in der Summe etwa gleichwertigen) Grundstücke erhält.

Im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung für Sven gewährt das Finanzamt die Steuerbefreiung für die Familienwohnung nur zur Hälfte – entsprechend seinem Miterbenanteil. Zur Begründung verweist es auf die Verwaltungsauffassung, wonach die Auseinandersetzung über den Nachlass spätestens ein halbes Jahr nach dem Erbfall stattfinden müsse, um insoweit steuerlich anerkannt zu werden1).

Zeitnaher Einzug

Zunächst ist festzuhalten, dass der Einzug in die vormals vom Erblasser selbst genutzte Wohnung unverzüglich erfolgen muss – und zwar unabhängig vom Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung. Innerhalb welcher Frist dies geschehen muss, ist gesetzlich nicht geregelt, die Finanzverwaltung versteht darunter aber einen Einzug „ohne schuldhaftes Zögern“2). Im Beispiel lässt das Finanzamt eine Frist von einem Jahr (Einzug Ende 2013) genügen, andernfalls hätte es die hälftige Steuerbefreiung entsprechend dem Miterbenanteil nicht gewähren dürfen.

Der Bundesfinanzhof hat nun mit Urteil vom 23. Juni 20153) klargestellt, dass ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall als angemessene Frist für die Selbstnutzung zu sehen ist. Dauert es länger, darf die Steuerbefreiung nicht zwangsläufig versagt werden, vielmehr muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.

Hinweis: Solche Gründe können z. B. vorliegen, wenn sich der Einzug wegen einer Erbauseinandersetzung zwischen Miterben oder wegen Klärung von Fragen zum Erbanfall und zu den begünstigten Erwerbern über den Sechsmonatszeitraum hinaus um einige Monate verzögert. Gründe wie „Renovierung“ sollen nur unter besonderen Umständen anzuerkennen sein, z. B. wenn ganz gravierende Mängel festgestellt werden!

Frist für die Erbauseinandersetzung

Im Rahmen des „Begünstigungstransfers“ ist es im Ausgangsbeispiel grundsätzlich möglich, dass Sven für die selbst genutzte Wohnung die volle Steuerbefreiung geltend machen kann, also auch für diejenige „Eigentumshälfte“, die er (erst) im Rahmen der Erbauseinandersetzung von seiner Schwester erhalten hat. Das Finanzamt hat dies zunächst abgelehnt, weil die Erbauseinandersetzung zu spät erfolgt sei.

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 23. Juni 2015 (siehe oben) allerdings entschieden, dass es für die Anwendung des „Begünstigungstransfers“ nicht auf den Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung ankommt, es wird somit nicht zwingend eine zeitliche Nähe zum Erbfall gefordert.

Hinweis: Für das Ausgangsbeispiel bedeutet dies, dass Sven die Steuerbefreiung für die selbst genutzte Wohnung in voller Höhe beanspruchen kann. Im Ergebnis wird er damit erbschaftsteuerlich so gestellt, als hätte er das Zweifamilienhaus direkt als „Alleineigentümer“ erhalten. Allerdings muss Sven ganz grundsätzlich beachten, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim nachträglich entfällt, wenn das Objekt innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr selbst genutzt wird. Etwas anderes gilt nur, wenn zwingende Gründe einer Selbstnutzung entgegenstehen.

Steuerermäßigung für vermietete Wohnung

Hinsichtlich der im Zweifamilienhaus vorhandenen fremd vermieteten Wohnung kann Sven eine 10%-ige Steuerermäßigung geltend machen, da zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke grundsätzlich nur mit 90 % ihres Wertes angesetzt werden. Auch dieser Wertabschlag wird nach dem gesamten Wohnungswert berechnet, weil nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch insoweit die Erbauseinandersetzung zu berücksichtigen ist. Sven wird deshalb wiederum so gestellt, als hätte er das Alleineigentum am Zweifamilienhaus direkt durch Erbanfall und nicht erst im Rahmen der Erbauseinandersetzung erhalten.

1) Vgl. H E 13.4 Erbschaftsteuer-Hinweise, Stichwort: Freie Erbauseinandersetzung.

2) Vgl. hierzu AWA-Ausgabe Nr. 24 vom 15. Dezember 2012, Seite 17.

3) Aktenzeichen II R 39/13.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(21):18-18