Marketingstrategien

Zielgruppe Kind


Andreas Kinzel

Sie sind die Kunden von morgen, aber auch Multiplikatoren und somit Magnet für andere Kundengruppen. Kinder und ihre Eltern haben besondere Wünsche und Ansprüche. Lässt man sich als Apotheke darauf ein, können Gewinne winken, aber auch Kosten entstehen.

Ein Kinderlächeln entschädigt für vieles, sagt man. Doch letztlich gilt für die Apotheke als Handelsbetrieb, dass am Ende auch etwas übrig bleiben muss. Eine kindgerechte Apotheke bedarf guter Planung und hoher Investitionen, wie jede andere Spezialisierung auch. Neben einem breit gefächerten Sortiment benötigen Kinder und deren Angehörige oft intensive Betreuung mit entsprechendem Zeitaufwand.

Emotionale Kundenbindung

Grundsätzlich ist immer entscheidend, dass sich die Kunden wohlfühlen. Besonders bei der Zielgruppe Kinder ist es wichtig, mit Emotionen zu arbeiten. Ein Kleinkind lässt sich nicht mit Argumenten überzeugen, sehr wohl jedoch mit einem freundlichen Lächeln. Auch bei den Müttern zählen oft Emotionen sowie das Image von Apotheke und Marken mehr als reines Fachwissen. Besonders diese Zielgruppe informiert sich ausführlich in verschiedenen Quellen und kommt dann schon mit einem konkreten Wunsch in die Apotheke.

Dennoch sind sie häufig ängstlich. Manchmal vertrauen sie dem Internet und ihrem Umfeld mehr, manchmal auch dem Fachwissen der Apotheke. In jedem Fall ist Sensibilität erforderlich. Wie bei den Kindern selbst, nimmt der Wohlfühlcharakter einen hohen Stellenwert ein. Er entsteht durch die Ladengestaltung und einen intensiven Personaleinsatz.

Möchte sich die Apotheke kindgerecht mit einem entsprechenden Geschäftsbereich aufstellen, muss dieser umfassend gepflegt werden. Selbstverständlich trifft das auf alle Schwerpunkte zu, doch hier ist es wegen der Vielseitigkeit aufwändiger. Die vielen individuellen Wünsche, aber auch die Rabattverträge machen ein großes Sortiment nötig.

Die Zielgruppe selbst ist sehr vielschichtig und teilweise heterogen. Von der Schwangerschaft bis zur unreinen Haut der Teenager kann die Zielgruppe Kind reichen. So sind hier entsprechende Fortbildungen nötig. Familien schätzen Fachwissen mehr als z.B. „Bürokunden“, die in ihrer Mittagspause kommen. Selbst wenn sie dem Rat des Apothekers nicht immer folgen, ist seine Meinung durchaus gefragt.

Von Vorteil für die Beratung kann es sein, wenn Teammitglieder eigene Kinder haben. Man spricht dann nicht nur aus Erfahrung, sondern auch „unter sich“. Dabei spielen für Vertrauen und Wohlfühlcharakter nicht nur die rein medizinischen Themen eine Rolle, sondern auch Gespräche über Kinderwägen oder Bommelmützen. Hier greift die emotionale Kundenbindung besonders.

Möchte sich die Apotheke auf Kinder spezialisieren, ist zuerst einmal ein entsprechendes, speziell abgestimmtes Sortiment nötig. Zwar führt jede Apotheke ein gewisses Grundsortiment an Kinderarzneien, jedoch nicht immer ein breit gefächertes und auf das konkrete Publikum ausgerichtetes Sortiment. Die Ansprüche reichen hier von Naturarzneimitteln über Homöopathika bis hin zum klassischen Produkt einer ganz bestimmten Firma.

Ebenso sollten Sie überlegen, ob sich ein Umbau lohnt im Hinblick auf eine attraktiv gestaltbare Sicht- und Freiwahl. Eventuell reicht ein Freiwahlregal mit der Bezeichnung Kinder&Familie, vielleicht auch punktuell ein Bereich in anderen Regalen wie Schmerz oder Erkältung. Hier lassen sich kindgerechte Dosierungen oder spezielle Arzneimittel für Kinder offerieren. Bietet die Apotheke genug Platz, kommen auch Aufsteller mit Babyzubehör vom Schnuller bis zur Milchpumpe infrage.

In jedem Fall sollten Sie sich Gedanken über eine Spielecke machen – klassisch, aber auch mit modernen interaktiven Terminals. Generell kann es sich lohnen, Kinder (annähernd) wie die erwachsenen Kunden zu behandeln. Dazu gehört, Teenager als vollwertige Kunden zu erkennen, aber auch den Kleinkindern entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen. Neben der Sortimentsstruktur lohnen sich zudem kleine Maßnahmen wie parallel zur Kundenkarte eine „Kinderkarte“, Kundenzeitschriften oder ein niedriger HV-Bereich. Auch wenn dieser nur angedeutet ist bzw. einem Kaufmannsladen zum Spielen gleicht, spricht er Kinder direkt auf Augenhöhe an. Man stelle sich vor, man selbst stünde vor einer Wand ohne etwas zu sehen und würde von oben angesprochen ... Sicherlich bedarf dies Platz und auch Zeit in der operativen Umsetzung. Bestehen hier Zweifel, kann man den Bereich in die Spielecke integrieren oder dort als zentralen Punkt gestalten.

Was im Schnellrestaurant die Zugabe beim Kindermenü ist, ist in der Apotheke der Traubenzucker oder ein preisgünstiges Kindermemory. Ebenso bieten sich hier diverse Proben oder Spielzeug analog demjenigen beim Arzt an. Entscheidend ist, einen positiven emotionalen Zusammenhang zwischen den Kindern und der Apotheke zu erreichen. Nicht nur die Eltern und Großeltern, eben gerade die Kinder sollten gerne in die Apotheke kommen.

Umfangreiches Sortiment

Oft stehen berufstätige Eltern mit jungen Kindern unter Zeitdruck. Vom Job schnell zur Kita und noch Haushalt, Freunde und Familie. So bevorzugen sie häufig ein sog. One-stop-shopping, d.h., sie suchen nach der Apotheke, die alles führt, was sie verlangen. Sie möchten nur ungern noch woanders nach fehlenden Artikeln suchen. Somit sollte die Apotheke für diese Zielgruppe nicht nur kindgerecht ausgestattet sein, sondern auch sonst ein umfangreiches Sortiment führen, unter Abwägung der hohen Lager- und Logistikkosten gegenüber den Vorteilen einer intensiven Kundenbindung.

Neben dem klassischen Sortiment an Medikamenten führen viele Apotheken auch umfangreich Hilfsmittel und Leihgeräte. Hier liegt bei kindgerechten Apotheken durchaus ein Schwerpunkt. Kompressionsstrümpfe für Schwangere, Milchpumpen und Babywaagen bringen in der Regel zwar wenig Gewinn, ziehen allerdings das Zielpublikum in die Apotheke.

Vom Baby bis zum Twen sind hier recht hohe Summen im Spiel. Sicherlich gibt es Familien, bei denen das nicht so ist, jedoch gehören sie nicht zur typischen Kundschaft der Apotheken bzw. gelten nicht als Zielgruppe von entsprechenden Zusatzprodukten. Dennoch wünschen sich auch hier die Mütter das Beste für ihr Kind und somit sitzt das Geld dann doch oft locker.

Mundpropaganda

Kinder dienen stark als Multiplikatoren. Dies bedeutet, dass sie bei einem positiven Bild der Apotheke viele andere Kunden anziehen. So kommen sie oft mit der ganzen Familie in unterschiedlichen Konstellationen in die Apotheke, sei es mit den Eltern, den Großeltern oder auch mit dem Babysitter. Damit besuchen viele potenzielle neue Kunden die Apotheke. Des Weiteren haben Mütter oft einen weiten Bekanntenkreis, etwa über die Kita oder den Sportverein, sodass sie hier die guten Erfahrungen weitergeben können. Doch Vorsicht: Dieser Effekt kann sich auch umkehren! Bei Unzufriedenheit fällt eine Mundpropaganda schnell negativ aus.

Grundsätzlich muss eine angesprochene Zielgruppe überhaupt existieren – ohne Kinder auch keine kindgerechte Apotheke. Einfache Auswertungen der Apothekensoftware können hier helfen. Sicherlich liegt der Schwerpunkt bei den Kleinkindern. Sie spielen im Gesundheitswesen eine bedeutende Rolle und können so für die Apotheke attraktiv sein. Dennoch ist der Bereich von der Schwangerschaft bis zum Twen und dann wieder den eigenen Kindern im Idealfall nicht nur weit gestreut, sondern ein Kreislauf.

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E‑Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(01):9-9