Kommunikation im Gesundheitswesen

Sprache als Schlüssel zum Erfolg


Karin Wahl

Wem ist es noch nicht passiert, dass er im Urlaub mit seinen Fremdsprachenkenntnissen an Grenzen stieß? Sprachkenntnisse sind der Schlüssel für das Verständnis im Alltag – aber noch viel wichtiger im medizinischen Bereich beim Arzt, in der Apotheke oder im Krankenhaus.

Hatten vor ein paar Jahren noch Kenntnisse in Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch für die Kommunikation mit Touristen oder den sogenannten Gastarbeitern zumindest halbwegs gereicht, um sich verständlich zu machen, ergänzt von Gesten und der Körpersprache, genügt das heute in vielen Gegenden bei Weitem nicht mehr.

In Orten mit einer hohen Dichte an „Südländern“ lernte mancher deutsche Inhaber diese Sprachen noch im Schnellkurs, unterstützt von Mitarbeitern mit entsprechender Muttersprache. Doch schon damals stieß man immer wieder an Grenzen.

Dabei spielten sowohl der Dialekt als auch der Bildungsgrad der Kunden eine große Rolle. Seniorinnen aus Ostanatolien oder einem griechischen Dorf waren manchmal selbst für die von dort abstammenden Mitarbeiterinnen, da hier geboren und aufgewachsen, ein fast unüberwindbares Problem. Manchmal blieb nichts anderes übrig, als zu bitten, dass sie mit einem Verwandten wiederkamen, der wenigstens einigermaßen der deutschen Sprache mächtig war.

Im Unterricht bei PKA- und PTA-Klassen stellten die Lehrer schnell fest, dass das Ableiten von Fremdwörtern, die auf lateinischen oder griechischen Wörtern beruhen, für Schüler aus anderen Staaten als Italien, Spanien oder Griechenland nicht möglich war. In solchen Situationen erkennt man schnell, dass die Medizin und Pharmazie auf lateinischen oder griechischen Begriffen beruht, die zur interdisziplinären Verständigung genutzt werden.

Ausdrücke wie „lokale, dermale, intravenöse, systemische, periphere, subcutane, intramuskuläre, intrakardiale Anwendung“ sagen einer PTA-Schülerin aus der Türkei, dem Iran oder Afghanistan zunächst einfach nichts.

Lateinkenntnisse: immer noch hilfreich!

Aber selbst deutsche Pharmazeuten und Mediziner, von denen nicht mehr wie früher zumindest das Kleine Latinum verlangt wird, kommen manchmal ins Schleudern. Ein nettes Beispiel war die Einführung des „Aut-idem-Kästchens“, bei dem ein sehr guter Pharmaziepraktikant erklärte, das hieße „etwas Ähnliches“. Erst die kleine Nachhilfe mit dem Unterschied zwischen „idem“ und „simile“ brachte Licht ins Dunkel.

Diese einleitenden Beispiele zeigen, welche vielfältigen Probleme im Apotheken- und Klinikalltag schon seither mit Begrifflichkeiten bestehen.

Ist das Problem mit „look alike, sound alike“ schon all die Jahre bekannt, wird das mit Menschen aus fernen Ländern und mit Sprachproblemen trotz einer medizinischen oder pharmazeutischen Ausbildung im Herkunftsland noch größer. Dabei ist es, wie man an der Uni Tübingen schmerzhaft lernen musste, nicht damit getan, einfach z. B. einen syrischen Medizinstudenten mit in die Klinik-Ambulanz zur Behandlung von Flüchtlingen zu nehmen, und alles wird gut.

Es zeigte sich, dass es für den verantwortlichen Arzt oft ein großes Problem war, weil er nicht verstehen konnte, was die Patienten berichteten, aber eben genauso wenig, was der Medizinstudent den Patienten vermittelte. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die aber einen großen Unterschied in der Behandlung ausmachen.

An der medizinischen Fakultät der Uni Tübingen wurde diese Problematik schnell erkannt und es wurden Arbeitskreise gebildet. In diesen wird mit den studentischen Dolmetschern das genaue Vorgehen bei der Kommunikation mit den fremdsprachigen Patienten festgelegt und trainiert.

„Gesundheit ist unser höchstes Gut“ – ein Motto, das wir alle sehr verinnerlicht haben! Kommen jedoch Kunden, denen es an der Gesundheit fehlt und die unsere Sprache nicht gut genug sprechen und zudem die lokale medizinische oder pharmazeutische Kultur nicht kennen, kann es bei Fehlinterpretationen des Gesagten zu fatalen Folgen kommen.

Dabei ist bei einem so streng reglementierten Beruf wie dem des Apothekers auch nach der Verantwortlichkeit zu fragen. Wenn man sich als Apotheker auf die Dolmetscherfunktion seiner syrischen oder iranischen PTA oder PKA verlässt, was passiert dann, wenn die Informationen nicht korrekt, nicht komplett oder gar fehlerhaft an den Verantwortlichen oder den Kunden weitergegeben werden?

Piktogramme ersetzen keine pharmazeutische Beratung

Als Apotheker und Heilberufler wollen wir ebenso wie die Ärzte allen Menschen, die zu uns kommen, helfen. Als „Krücken“ gibt es von einzelnen Apothekerkammern oder sonstigen Organisationen Faltblätter mit Piktogrammen sowie Fragen und Antworten in den gängigsten Sprachen der Zuwanderer und Flüchtlinge, aber das sind wirklich nur „Krücken“, denn eine pharmazeutische Beratung ersetzen sie nicht!

Flüchtlinge kommen oft schwer traumatisiert zu uns oder mit Krankheiten, die bei uns kaum mehr vorkommen. Da helfen keine Faltblätter, sondern da hilft nur ein zweisprachiger Arzt oder Apotheker.

Wir müssen uns darauf einrichten, dass Deutschland noch multikultureller wird. Wir sollten uns als Apotheker ebenfalls darauf einrichten, dass wir mit den Standardfremdsprachen, die wir in der Schule gelernt haben, nur noch einen kleinen Teil unserer Kunden mit Migrationshintergrund erreichen werden.

Man darf feststellen, dass Griechen, Spanier, Portugiesen und Italiener, die als Arbeitskräfte zu uns kamen, inzwischen die deutsche Sprache sehr gut gelernt haben. Selbst wenn dies in einigen Jahren bei den neuen Migranten genauso sein könnte – momentan stellt die Sprache bei diesem Kundenkreis meist noch eine erhebliche Hürde dar.

Als Apotheker trägt man da für sich und für sein Team eine große Verantwortung. Deshalb sollte man Mitarbeiter als Dolmetscher auf Herz und Nieren prüfen, eventuell jemanden als „Zweitmeinung“ befragen, ob die Sprachkenntnisse des Helfers wirklich ausreichend sind für den Bedarf im medizinisch-pharmazeutischen Bereich.

Als weitere Hürde kann es sich herausstellen, dass in deutschen Apotheken überwiegend weibliches HV-Personal eingesetzt wird, welches in manchen Kulturen von den patriarchalisch erzogenen männlichen Kunden nicht voll akzeptiert wird. Wenn dann auch noch eine kurdische PTA auf türkische Kunden trifft, kann das schnell eskalieren. So ist schon vorgekommen, dass sich die kurdische PTA sofort aus dem Handverkauf ins Labor zurückzog, sobald sie bestimmte Kunden die Apotheke betreten sah... Bei so vorprogrammierten Konflikten sollte innerhalb des HV-Personals klar festgelegt sein, wie mit solch einer Situation umzugehen ist, und wer einspringt und die Führung übernimmt.

Ebenfalls muss man darauf gefasst sein, dass Kunden in ihrer Sprache die gleichsprachige PTA beeinflussen wollen, bestimmte Sachverhalte „anders“ zu behandeln. Als Apothekenleiter, der nicht versteht, was gesprochen wird, muss man doppelt aufpassen, dass Dinge nicht aus dem Ruder laufen. Jeder kennt den Spruch „andere Länder, andere Sitten“! So kommt es immer wieder vor, dass besonders gut integrierte PTA anderer Kulturkreise nach Geschäftsschluss abgepasst und unter Druck gesetzt werden. Hier hat man als Chef eine besonders große Fürsorgepflicht seinen Mitarbeitern gegenüber!

Man erkennt, dass es bei der gewissenhaften Ausübung des Apothekerberufs neue Herausforderungen im Zeitalter der kriegsbedingten oder sozialen „Völkerwanderungen“ gibt, auf die man sich als Heilberuf besonders gut vorbereiten muss. Schließlich handeln wir mit hochkomplexen Arzneimitteln, die über Leben und Tod entscheiden können.

Fremdsprachige Sprechstunden in Brennpunkt-Apotheken

Wird man gar zur Brennpunkt-Apotheke, empfehlen sich für bestimmte Wochentage spezielle „Sprechstunden“ mit fachlich und sprachlich qualifiziertem Personal. Einen ggf. dafür gewonnenen, qualifizierten Dolmetscher kann man sich mit umliegenden Einrichtungen, beispielsweise anderen Apotheken oder Arztpraxen, stundenweise teilen.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(11):8-8