Guido Michels
Die alljährlich vom Bundesministerium für Finanzen veröffentlichte Richtsatzsammlung soll der Finanzverwaltung eine Orientierung über die wirtschaftlichen Parameter verschiedener Branchen geben. Sie dient dazu, Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben oder auch zu schätzen. Die Tabelle unten zeigt die Richtsätze 2015 für Apotheken. Als Vergleich dienen die Durchschnittswerte aus dem Externen Betriebsvergleich der Treuhand Hannover GmbH.
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Die Richtsätze wurden gegenüber den letzten Jahren leicht überarbeitet: Beim Rohgewinn wurde der untere Rahmen von 23 % auf 22 % gesenkt, beim Reingewinn wurde der Rahmen enger gefasst und liegt nun zwischen 5 % und 12 %.
Der Mittelsatz der Finanzverwaltung für den Rohgewinn beträgt 26 %, die Spannbreite reicht von 22 % bis 29 %. Die West-Apotheken lagen zuletzt 2013 – nach Honorarerhöhung und Abschlagssenkung – nahe diesem Mittelsatz. Durch die Verschlechterung der Rohgewinne aufgrund von Struktureffekten und Änderungen der Einkaufskonditionen sind sie allerdings heute mit 24,8 % deutlich davon entfernt. Die realen Rohgewinne im Osten lagen schon immer erheblich unter dem Mittelsatz, finden sich heute aber immerhin innerhalb des Rahmens wieder. Rohgewinne in der Größenordnung des oberen Rahmensatzes von 29 % werden nur bei außergewöhnlichen Strukturgegebenheiten erreicht.
Berechnet man die Gesamtkosten der Apotheke als Differenz aus den Mittelsätzen für Roh- und Reingewinn, so erhält man einen Wert von 18 %. Dieser liegt sehr nahe an den „echten“ Kosten einer durchschnittlichen Apotheke.
Bei den Gewinnen gehen die Richtsätze von 8 % aus. Solche Ergebnisse wurden 2015 im Durchschnitt weder in Ost- noch in Westdeutschland erreicht. Rund 30 % aller Apotheken erzielen nicht einmal den unteren Rahmen von 5 %!
Fazit: Die an den Richtsätzen vorgenommenen Anpassungen haben nicht dazu geführt, die Ertragssituation der Apotheken real wiederzugeben. Sowohl Roh- als auch Reingewinn werden zu gut eingeschätzt. Veränderungen der letzten Jahre, wie z. B. der Anstieg von hochpreisigen Verordnungen, sind nicht berücksichtigt. Für den unternehmerischen Alltag sind die Richtsätze keine Hilfe. Hierfür sind aktuelle Benchmarks aus Externen Betriebsvergleichen nötig. Allerdings dienen die Richtsätze der Finanzverwaltung zur Orientierung in Betriebsprüfungen. Aufgrund der beschriebenen Diskrepanzen sind Kontroversen möglich. Apotheker sollten daher Umstände darlegen können, die die Abweichungen erklären.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(16):7-7