Helmut Lehr
Apotheker sind dem Grunde nach zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil sie mit dem Verkauf von Medikamenten/Waren umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze erzielen. Deshalb stellen Eingangsrechnungen in Höhe des ausgewiesenen Umsatzsteueranteils quasi einen Scheck dar, den sie bei der Finanzverwaltung einlösen müssen. Weil die formalen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigt, hoch sind, entpuppen sich diese nicht selten als „Steuerfalle“1).
Hinweis: Bislang erweisen sich in der Praxis die notwendigen Angaben zur Leistungsbeschreibung, zum Leistungszeitpunkt und zu bestehenden Rabattvereinbarungen als besonders fehleranfällig, da sie nicht selten unzureichend sind und machmal sogar völlig vergessen werden.
Postfach-Adresse neues Risiko
Weiter verschärft wurde die Rechnungsproblematik durch den Bundesfinanzhof: In seinem Urteil zu „Briefkastenfirmen“ vom 22. Juli 20152) entschied er, dass das notwendige Rechnungsmerkmal der „vollständigen Anschrift“ nur erfüllt ist, wenn auf der Rechnung die Anschrift des leistenden Unternehmers angegeben ist, unter der er seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Danach entspricht ein bloßer „Briefkasten-Sitz“ nicht der vollständigen Anschrift.
In der Praxis ist die Verunsicherung nun groß. Unternehmen beanstanden jetzt nämlich auf Empfehlung ihrer Berater nicht nur Eingangsrechnungen, die nicht die postalische Anschrift des Leistenden/Rechnungsausstellers enthalten, sondern z. T. auch solche, die sie als Leistungsempfänger nur mit der Postfach-Adresse bezeichnen.
Bisherige Verwaltungsmeinung
Nach bisheriger Verwaltungsauffassung ist es ausreichend, wenn als „vollständige Anschrift“ auch ein Postfach oder eine Großkundenadresse des Leistungsempfängers genannt wird3). Das bedeutet eigentlich, dass Rechnungen, die ausschließlich an ein Postfach des Leistungsempfängers adressiert sind, weiterhin zum Vorsteuerabzug berechtigen, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Hinweis: Die Bundessteuerberaterkammer hat sich bereits vor einigen Monaten mit einer Eingabe an das Bundesfinanzministerium gewandt und um Beseitigung der Rechtsunsicherheit gebeten. Eine offizielle Reaktion steht noch aus.
EuGH muss nun entscheiden
Zwischenzeitlich haben die beiden für Umsatzsteuersachen zuständigen Senate des Bundesfinanzhofs zwei anhängige Verfahren4) ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof um Klärung gebeten. Bis es so weit ist, sollten Rechnungsempfänger zumindest solche Rechnungen beanstanden/zurückweisen, die den Aussteller nur mit seiner Postfach-Adresse bezeichnen und keinen Hinweis auf dessen tatsächliche Geschäftsadresse erkennen lassen.
Wer Rechnungen über eine eigene Postfach-Adresse bezieht und auch in der Rechnung selbst nicht mit zutreffender Anschrift genannt ist, kann sich momentan eigentlich noch auf bestehende Verwaltungsanweisungen verlassen.
Hinweis: Da Verwaltungsanweisungen aber im Zweifel keine Bindungswirkung für die Gerichte haben, ist man auf der wirklich sicheren Seite insoweit nur dann, wenn man als Leistungsempfänger mit tatsächlicher Geschäftsadresse in der Rechnung bezeichnet wurde. Unabhängig davon ist nach vor nicht abschließend geklärt, ob fehlerhafte Rechnungen auch mit Wirkung für die Vergangenheit korrigiert werden dürfen; dann wären viele Betriebsprüfungsfeststellungen obsolet5).
1) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 10 vom 15. Mai 2014, Seite 18 und 19.
2) Aktenzeichen V R 23/14.
3) Vgl. Abschnitt 14.5 Absatz 2 Satz 3 Umsatzsteuer-Anwendungserlass.
4) Beschlüsse vom 6. April 2016, Aktenzeichen V R 25/15 und XI R 20/14.
5) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 24 vom 15. Dezember 2014, Seite 18 und 19.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(16):17-17