Karin Wahl
Was läuft da schief? Inhaber halten traditionell ihre Betriebsergebnisse unter Verschluss und geben damit Anlass zu Spekulationen. Früher war das abendliche „Kassemachen“ die exklusive Aufgabe des Chefs. Noch heute erlebt man die Chef-Anweisung im Falle der Abwesenheit,
- den Streifen der Tageskasse auszudrucken,
- das ganze Geld und die Belege,
- gemindert um das Wechselgeld, das in der Schublade verbleibt,
- ungezählt in eine Papiertüte zu tun,
- und diese dann mit Datum zu versehen und mit der Kassenschublade über Nacht im Tresor zu lagern.
Der Chef bearbeitet das dann am nächsten Tag persönlich. Eventuelle Fehlbestände und Irrtümer beim Eintippen oder falsches Herausgeben können so kaum zeitnah gefunden werden.
Kasse als Geheimnis
Die extremste Vorgabe dieser Art pflegt ein Kollege, der diese Anweisung sogar für seinen dreiwöchigen Urlaub erteilt. Weder wird Geld bei der Bank eingezahlt noch darf die Post geöffnet werden, geschweige denn werden somit Rechnungen mit kurzem Zahlungsziel unter Abzug von Skonto überwiesen. Dieses Verhalten scheint ein Credo dieser Apothekerdynastie zu sein, denn der Sohn hat die Apotheke vom Vater übernommen und diese Tradition beibehalten.
Die Begründung: Der Inhaber ist der Meinung, dass die Mitarbeiter Umsatz und Ertrag nichts angehen und sie das sowieso nie richtig einordnen könnten. Dabei wird vergessen, dass man damit alle Mitarbeiter der Verantwortung für den finanziellen Bereich enthebt, da sie ja nicht einbezogen sind. Sie erfahren somit nicht, ob die Kassen stimmen, und fühlen sich auch nicht für Fehlbestände durch falsches Handling an der Kasse zuständig.
Andere Kollegen übertragen das abendliche „Kassemachen“ dem Team und geben dazu konkrete Anweisungen. Sie legen fest, dass bestimmte Mitarbeiter nur an bestimmten Kassen arbeiten und dass bei Schichtwechsel der Teilzeitkräfte ein Kassenschnitt gemacht wird, sodass der nachfolgende Bediener mittags eine stimmige Kasse übernimmt. Der Mitarbeiter der Frühschicht hat dafür Sorge zu tragen, dass er eine stimmige Kasse übergibt und aufgetretene Differenzen gleich behebt.
Bei großen Teams ist das eine gute Anweisung, denn wie will ein Mitarbeiter abends um 20.00 Uhr herausfinden, welche Falschbuchung bereits morgens um 9.00 Uhr gemacht wurde. Das kann nur der Bediener, der dafür verantwortlich ist. Man kann als Chef eine zulässige Differenz („Manko“) festlegen von z. B. 5 € bei einer üblichen Tageseinnahme von 3.000 €, nach der abends nicht mehr langwierig gesucht werden muss. Das Finanzamt toleriert bei Geschäften mit Kassen, die nicht vollautomatisch das Wechselgeld herausgeben, kleine Abweichungen, sofern sie nicht die Regel sind.
Trotzdem sollte durch den Inhaber die Differenz null angestrebt und bei Erfolg gewürdigt werden.
Diesen Inhabern ist es selbst bei persönlicher Abwesenheit wichtig, dass die Kassen zeitnah bearbeitet werden und das Geld am nächsten Tag zur Bank kommt. Das kann man von jedem Team verlangen, denn daheim wird die Haushaltskasse ja auch geführt.
Nicht behoben ist damit allerdings der Eindruck der sagenhaft hohen Gesamteinnahmen, weil die Mitarbeiter nur das Geld in der Kasse oder den Endbetrag auf dem Kassenstreifen sehen, aber nicht, was damit alles finanziert werden muss. Inhaber, die manchmal aus sehr guten Gründen (z. B. Konkurrenzschutz, wenn Mitarbeiter in zwei verschiedenen Apotheken arbeiten) ihren Angestellten nicht den Umsatz der Apotheke mitteilen wollen, können trotzdem ihr Team in die Mitverantwortung nehmen, indem sie nicht die absoluten Zahlen in Euro und Cent, sondern prozentuale Werte kommunizieren.
Mitarbeiter beobachten genau
Man darf Mitarbeiter im Übrigen nicht für dumm halten, denn sie bekommen sehr schnell ein Gefühl dafür, in welcher Größenkategorie sich ihre Apotheke bewegt. Haben sie Zugang zur Rezeptabrechnung, können sie sehr schnell eins und eins zusammenzählen. Dummerweise überschätzen sie meistens Umsatz und Gewinn und haben von all den anfallenden Kosten keine Ahnung.
Mitarbeiter sehen hohe Kassen- und Rezeptumsätze und welches Auto von wem in der Familie gefahren wird und wo und wie Sie wohnen. Sie registrieren, wohin Sie und Ihre Familie wie oft im Jahr in Urlaub fahren, mit wem Sie Umgang pflegen und welche Uhr oder welchen Schmuck Sie tragen und ob Sie Ferienwohnungen oder ein Segelboot besitzen. Sie addieren alles zusammen, vergleichen das mit den eigenen Lebensumständen und schnell werden Sie als Millionär und Mitglied der „Upperclass“ gehandelt. Die Mitarbeiter sehen in der Regel nicht, ob Sie verschuldet sind und wie Sie Ihr Leben finanzieren. Um eventuellen Mythen entgegenzuwirken, hilft hier nur die Visualisierung!
Menschen können nämlich mit abstrakten Zahlen meistens nichts anfangen. Was sie aber sehr schnell verstehen ist die Präsentation von harter Währung. Die folgende Empfehlung erfordert zwar etwas Vorbereitung, aber sie ist durchschlagend erfolgreich! Jeder, der sie erprobt hat, war verblüfft über die Wirkung. Dabei wurde, falls so gewünscht, weder der Gesamtumsatz bekannt gegeben noch sonstige persönliche Details.
Hier nun die Dramaturgie, die erst beschrieben und als Zahlenbeispiel noch konkretisiert wird. So gehen Sie vor:
- Nehmen Sie die monatliche betriebswirtschaftliche Abrechnung (BWA) des Steuerbüros für einen durchschnittlichen Monat.
- Sie notieren daraus die Prozentsätze vom Umsatz der größten Kostenpositionen, also Wareneinsatz, Personal und vielleicht die Raumkosten, die restlichen Kosten fassen Sie zusammen. Ermitteln Sie zudem den prozentualen Rohertrag und das vorläufige Ergebnis vor Steuer.
- Nun nehmen Sie einen typischen wahren Betrag einer Tageskasse sowie die GKV-Rezeptsumme eines Tages.
- Halten Sie die Einnahmen einiger Tage zur Visualisierung der Einzelbeträge in Scheinen und Münzen vor.
- Für die Einzelbeträge suchen Sie sich kleine Boxen.
- Nun machen Sie einen Termin für Ihre „große Kassenschau“.
Erst selbst rechnen ...
Nehmen Sie eine Brutto-Tageskasse und rechnen die einzelnen Kostenpositionen in Beträge um. Los geht es mit der Mehrwertsteuer, die Sie als Erstes herausrechnen. Den verbleibenden Nettobetrag teilen Sie gemäß der BWA wie oben beschrieben auf. Die einzelnen Beträge kommen in die beschrifteten Boxen. Den Rezeptumsatz können Sie ebenfalls dergestalt „zerlegen“.
Alleine dieser Anblick verblüfft und beeindruckt sogar den Chef. Wir sind bekanntlich „Augenmenschen“, die über Visualisierung alles besser verstehen und aufnehmen können. Am Abend der Betriebsbesprechung (idealerweise im 2. Halbjahr, weil da belastbare Zahlen vorliegen) sollten Sie für ein angenehmes Ambiente und leibliches Wohl sorgen. Sie können nun darlegen,
- wie die Situation der Apotheke und ihre Entwicklung ausschaut, inklusive Ihrer Bewertung,
- ob es Probleme mit der Konkurrenz, Ärzten etc. gibt,
- was Sie gemeinsam mit dem Team daraus für Konsequenzen ziehen,
- ob Sie eine Teamprämie ausloben, wenn bis zum Jahresende gewisse Ziele hinsichtlich Umsatz, Ertrag oder auch anderer Art erreicht werden.
Sie sollten Ihren Teammitgliedern Gelegenheit geben, sich zu allem zu äußern. Um die Spannung aufrechtzuerhalten, haben Sie schon vorher die Boxen mit dem Geld bestückt. Nachdem alle neugierig sind, lüften Sie jetzt das Geheimnis der Boxen.
Sie äußern Verständnis, dass man ein falsches Bild vom Betrieb und seiner Situation bekommen könne, wenn man immer nur die Einnahmenseite sieht. Sie möchten nun dem Team optisch auf der Basis echter Buchhaltungszahlen darlegen, wie die Mittelverwendung einer einzigen Tageskasse aussieht (Rechengänge dabei zusätzlich z. B. mittels Flipchart erläutern!).
Rechenwege
Beim GKV-Rezeptumsatz („Brutto-Rezeptumsatz“ der Rechenzentren) müssen Sie die Zuzahlungen aus der Tageskasse „entnehmen“ und diesem zurechnen, den Kassenrabatt und eventuelle Retaxationen abziehen und am Ende die Mehrwertsteuer abziehen. Dann haben Sie näherungsweise den echten „Nettoumsatz“ (sonstige Zu- und Absetzungen hier mal außen vor). Das könnte für einen Tag X so aussehen:
Tageskasse brutto: 3.104,62 €
... davon Zuzahlungen GKV: 249,80 €
Rezepte brutto mit Zuzahlungen: 3.595,31 €
Tages-Gesamtumsatz brutto: 6.699,93 €
Erläutern Sie, dass letzterer Betrag der ist, den die Mitarbeiter als „Einnahmen“ wahrnehmen.
Wir runden fortan auf einen Euro. Vom nominalen Rezeptumsatz gehen der Kassenrabatt (Annahme ca. 3,5 % = 126 €), Retaxationen (z. B. 100 €) und die Mehrwertsteuer auf den Rest (19 % aus 3.595 € – 126 € – 100 € = 3.369 € entspr. 538 €) ab. Es verbleiben 2.831 € Rezept-Nettoumsatz.
Bereinigt um die Zuzahlungen, befinden sich in der Tageskasse „echte Warenumsätze“ von 2.855 €, darin Mehrwertsteuer (vereinfacht nur 19 %) von ca. 456 €, macht eine Netto-Tageskasse von 2.399 €. Damit ergibt sich ein Gesamttagesumsatz von netto 5.230 €. Dieser stellt für die folgenden Aufteilungen den 100 %-Bezug dar.
Der Wareneinsatz sei laut BWA 73,43 % = 3.890 €, der Rohertrag betrage somit recht gute 26,57 % = 1.390 €. Davon gehen ab:
Personalkosten 11,5 % = 601 €
Raumkosten 3,25 % = 170 €
Sonstige Kosten (Werbung, Kfz, Versicherungen, Reparaturen, Kapitalkosten ...) 4,85 % = 254 €,
vorläufiges Ergebnis vor Steuern ca. 7,0 % = 365 €.
So sähen dann die einzelnen Boxen in unserem Beispiel aus (die unten stehende Grafik illustriert das ebenfalls sehr schön):
- „Gesamttagesumsatz brutto“ 6.700 €
- „Gesamttagesumsatz netto“ 5.230 €
- „Umsatzsteuer Finanzamt“ 994 €
- „Wareneinkauf, Großhandel“ 3.840 €
- „Personalkosten“ 601 €
- „Raumkosten“ 170 €
- „Sonstige Kosten“ 254 €
- „Chef“, vor Steuer 365 €

Lassen Sie nun diese Zusammenhänge auf die Mitarbeiter wirken und geben Sie Ihnen Gelegenheit, unvoreingenommen und offen Fragen zu stellen.
Diese Veranstaltung sollte bei häufigem Personalwechsel alle zwei bis drei Jahre abgehalten werden. Der Vorbereitungsaufwand ist beträchtlich, lohnt sich aber. Verständnis und die Akzeptanz des Teams gegenüber dem Inhaber und der individuellen Apothekensituation erhöhen sich erheblich. Dieses Vorgehen fördert ebenso das unternehmerische Denken der Teammitglieder. So sehen sie ihren engagierten Chef vielleicht plötzlich doch mit realistischeren Augen.
Und nun: Viel Erfolg!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(22):14-14