Heimversorgung

Was Apotheker jetzt wissen sollten


Dr. Bettina Mecking

Einige jüngere Entscheidungen der Gerichte haben erhebliche Konsequenzen für heimversorgende Apotheken. Manche Auswirkungen z. B. hinsichtlich der Honorierung der Verblisterung dürften erst langfristig spürbar werden, dafür aber umso durchgreifender.

Wankende Rx-Festpreisbindung hin oder her – die Apotheken vor Ort müssen im Rahmen bestehender Vertragsverhältnisse die Versorgung aufrechterhalten. Verschiedene Gerichte sowie der Gesetzgeber haben zuletzt einige Rahmenbedingungen abgesteckt, nämlich betreffend ...

  • die zugelassene Entfernung zwischen Apotheke und Heim,
  • die Nutzung externer Lagerräume für die Heimversorgung,
  • Schadensersatz bei Kündigung eines Versorgungsvertrags,
  • die Neubewertung kostenloser Verblisterung im Lichte der Antikorruptionsvorschriften.

Entfernungsproblematik

Für potenzielle Partner einer Heimversorgung gilt, dass bei großer Entfernung zwischen Apotheke und Heim (über 100 km) eine Stunde Fahrzeit die maximale zeitliche Grenze für die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung darstellt (Urteil des VG Hannover, 23. Juni 2016, Az.: 5A 334/15 und 5A1953/15 – nicht rechtskräftig). Hier kommt das Regionalprinzip vergleichbar der Krankenhausversorgung zum Tragen.

Im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung spielt u. a. die Stauanfälligkeit von Autobahnen eine wichtige Rolle. Im vorliegenden Fall wollten die Betroffenen die Arzneimittel patientenindividuell verblistern. Dies bedeutet nämlich, dass u. U. verlorene oder beschädigte Einzeltabletten, die akut benötigt werden, zeitnah ersetzt werden müssen.

Externe Lagerräume

Die Entfernung spielt auch eine Rolle bei der Nutzung externer Lagerräume für die Heimversorgung (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 2016, Az.: 3C8.15 – rechtskräftig). Hier ist zu berücksichtigen, dass die Entfernung zu den übrigen Betriebsräumen angemessen sein muss, damit der Apothekenleiter seiner Leitungsfunktion und Verantwortung gerecht werden kann. Eine unbegrenzte Ausweitung zu „Logistikzentren“ droht nicht, da durch das Erfordernis der persönlichen Leitung der Abschluss von Heimversorgungsverträgen nicht unbeschränkt möglich ist. Da die Betriebserlaubnis raumgebunden ist, ist eine entsprechende Anpassung der Betriebserlaubnis nötig, eine erneute Abnahme der Räume ist jedoch nicht erforderlich.

Vertragskündigungen

Eine Heimversorgung ist wertvoll für die wirtschaftliche Existenz einer Apotheke. Wird ein langjähriger Versorgungsvertrag gekündigt (hier wegen der Weigerung, kostenlos zu verblistern), muss eine angemessene Kündigungsfrist eingehalten werden (Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. Juli 2016, Az.: III ZR 446/15 – rechtskräftig). §12a ApoG hat eine doppelte Wirkung, indem diese Vorschrift einerseits eine Verbesserung der Arzneimittelversorgung von Heimen anstrebt und andererseits den versorgenden Apotheken eine angemessene wirtschaftliche Grundlage verschafft. Die Interessen der Apotheke können nur gewahrt werden, indem eine Übergangsfrist zur Vornahme der erforderlichen Dispositionen v. a. im Personalbereich vorgesehen wird. In solchen Fällen muss der Heimträger ansonsten Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns leisten, auch wenn nicht der gesamte Versorgungsbereich, sondern lediglich Teile davon auf eine andere Apotheke verlagert werden sollen.

Kostenloses Verblistern rechtswidrig?

Tatsächlich verlangen immer mehr Heimbetreiber, dass die Apotheken eine patientenindividuelle Arzneimittelverblisterung anbieten – und zwar kostenlos. Hier sind zwei Aspekte zu berücksichtigen:

Laut BGH-Urteil vom 5. März 2015 (Az. I ZR 185/13) besteht keine Bindung der Preise gemäß §1 Abs.3 Satz 1 Nr. 7 AMPreisV bei der Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt. Bei der Verblisterung geben Apotheken Fertigarzneimittel in solchen Teilmengen ab. Dass dabei zeitlich gestreckt die Gesamtmenge einer Arzneimittelpackung ausgeliefert wird, schließt die Anwendung der Norm nicht aus.

Die Rx-Festpreisbindung ist derzeit ein besonders heißes Eisen. Für die Zukunft soll nun mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) klargestellt werden, dass die AMPreisV nur dann keine Anwendung findet, wenn die Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen aufgrund ärztlicher Verordnung erfolgt. Ansonsten lässt sich schwer erklären, warum das Festhalten an Festpreisen nötig ist, wenn bei den an Bedeutung gewinnenden Blistern eine Ausnahme gemacht wird.

Die Rolle des Antikorruptionsgesetzes

Das Thema dürfte im Zuge der praktischen Handhabung der Korruptionsdelikte an Fahrt aufnehmen. Es werden Stimmen laut, wonach gemäß dem inzwischen scharf gestellten Antikorruptionsgesetz ein kostenloses Verblistern strafbar sei. Im Rahmen der Strafparagrafen zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen wurden der Bezug und die Abgabe von Arzneimitteln zwar ausgeklammert, bei der Heimversorgung ist das Antikorruptionsgesetz gleichwohl relevant.

Ein Heim spart Kosten, wenn die Arzneimittel für Heimbewohner von der versorgenden Apotheke bedarfsgerecht zusammengestellt und verblistert werden, und bevorzugt deshalb denjenigen Apotheker, der das Verblistern unentgeltlich anbietet. Das Verblistern ist eine pharmazeutische Tätigkeit, an die nach § 34 ApBetrO besondere Anforderungen in Bezug auf die räumliche und personelle Ausstattung gestellt werden, die gesondert vergütet werden müssen. Ist der Preis zu niedrig angesetzt, liegt ein ungerechtfertigter Vorteil des Heims vor.

Angemessene Preise nehmen

Der vereinbarte Preis sollte angemessen sein. Als Orientierungsgröße ist es hilfreich, sich bei externen Blisterzentren nach den dort kalkulierten Preisen pro Patient und Woche zu erkundigen. Der konkrete Preis sollte dann von der Anzahl der zu versorgenden Patienten abhängen sowie von den Personal- und Materialkosten in der Apotheke. Wird ein Blisterzentrum beauftragt, können dessen Rechnungen sowie der eigene Zeitaufwand der Apotheke veranschlagt werden.

Sind die Repräsentanten des Heimträgers Angehörige eines Heilberufs, ist das Korruptionsstrafrecht auf Seiten des Heimträgers als Vorteilsnehmer und auf Seiten des Apothekers als Vorteilsgeber einschlägig. Ansonsten greift – etwa bei Heimen in öffentlicher Hand oder im Eigentum einer privaten Betreibergesellschaft, die bisherige Strafvorschrift zu Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr.

Ein Teil der Problematik besteht sicher darin, dass es für die Dienstleistung der Heimversorgung keine geregelte Vergütung gibt. Auch Apotheken, die im klassischen Sinne Heimversorgung betreiben, machen dies unentgeltlich. Von der Bestellannahme, der Rezeptabholung, der Rezeptbearbeitung, der Verpackung, dem Transport ins Heim bis zur Rechnungslegung werden alle diese Leistungen kostenlos erbracht und aus dem Rohertrag der Arzneimittelpackungen bezahlt. Selbst die vertraglich geregelten Kontrollen und Schulungen erfolgen unentgeltlich.

Es bleibt zu hoffen, dass man zu angemessenen Vergütungspauschalen für die Heimversorgung im klassischen Sinne bzw. speziell für die Verblisterung kommt. So würden sich viele Diskussionen erübrigen und die bestehenden Unsicherheiten beseitigt.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(22):12-12