Wirtschaftliche Situation der Filialapotheken

Filialen entwickeln sich dynamisch


Guido Michels

Filialapotheken wachsen sowohl von der Anzahl als auch vom wirtschaftlichen Ergebnis her dynamisch. Die Verbünde setzen sich wirtschaftlich immer mehr von Einzelbetrieben ab, sind aber auch stärker mit Organisations-, Management- und Führungsaufgaben belastet.

Filialisierung ist weiterhin ein Wachstumsfeld. 2016 gab es laut ABDA in Deutschland 135 Filialen mehr als im Vorjahr – insgesamt inzwischen 4.416. In einem ansonsten bezüglich der Anzahl an Apotheken abnehmenden Markt steigt damit der Anteil der Filialen auf inzwischen über 22 %. Rechnet man Hauptapotheken und Filialen zusammen, so kommen die Verbünde heute auf 38 % Prozent Marktanteil.

Betrachtet man die Entwicklung der letzten 13 Jahre, so fällt ein Wandel auf. In den ersten Jahren wurden häufig Filialen übernommen, weil Apotheker in den Ruhestand gingen und froh waren, ihre Apotheken noch abgeben zu können. So wurde anfangs manche Filialapotheke etabliert, weil das Angebot aus dem Umfeld kam oder weil man „dabei sein wollte“.

Inzwischen ist die Entscheidung für die Eröffnung von Filialen eine bewusste strategische Entscheidung, weil ein nachhaltiges Wachstum auf anderen Wegen kaum noch zu realisieren ist. Steigerungen von Umsatz und Kundenzahl sind im bestehenden Konkurrenzumfeld schwer zu generieren, Ärzte anzusiedeln ist schwierig bis unmöglich, gute Standorte für Neugründungen sind extrem selten, Nischen wie Heim- und Klinikversorgung oder Onkologie sind durch spezialisierte Betriebe besetzt. Somit ist die Filialisierung eine der wenigen Möglichkeiten zur Expansion.

Auf der anderen Seite wird aber auch bei Filialen inzwischen stärker auf die Rendite geschaut und nicht jedes Gründungs- oder Übernahmeprojekt durchgeführt. Dies ist der Grund für den abnehmenden Trend von Filialgründungen und -übernahmen.

Unterschiede bei Umsatzhöhe und Personalkosten

Die durchschnittliche Filiale erreichte 2016 ein Umsatzwachstum von 5,0 % und überschritt damit die 2,0-Millionen-Euro-Marke beim Umsatz. Verglichen mit der gleich großen Einzelapotheke, sind die Filialen stärker gewachsen. Der Rohgewinn einer Filialapotheke lag mit 24,4 % auf dem Niveau der Vergleichsbetriebe.

Die höheren Personalkosten einer Filiale von 12,1 % vom Umsatz entstehen durch den angestellten Filialleiter und aus der Tatsache, dass im Personalaufwand der Einzelapotheke kein kalkulatorischer Unternehmerlohn enthalten ist. Die Personalkostendifferenz zwischen den Filial- und den Vergleichsapotheken betrug rund 2 Prozentpunkte, dies entspricht etwa 40.000 €. Diese Differenz deckt allerdings nicht einmal die Kosten eines angestellten Apothekers ab, geschweige denn die eines Filialleiters.

Nimmt man alleine ein durchschnittliches Tarifgehalt eines Vollzeitapprobierten an, so müsste man mit rund 55.000 € Personalkosten inklusive Arbeitgeberabgaben rechnen. Filialleiter, die oft übertariflich bezahlt werden, lägen sogar noch höher. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass in Filialapotheken weniger Mitarbeiter für die Kundenbedienung vorgehalten werden und sich Synergieeffekte einstellen. Folgende Annahmen machen dies plausibel:

  • Filialleiter übernehmen weniger Leitungs- und Chef-Aufgaben als ein selbstständiger Apotheker und sind somit mehr im Verkauf präsent.
  • Filialverbünde können einzelne Tätigkeiten bündeln (zum Beispiel Botendienste, Rezeptur) und tauschen Personal untereinander aus.

90 % der Filialen schreiben Gewinne

Da es bei den sonstigen Kosten kaum Unterschiede zwischen Filialen und Einzelapotheken gibt, bleibt beim Betriebsergebnis ein Unterschied in der Höhe der Personalkostendifferenz. Die durchschnittliche Filiale erreichte 2016 ein Betriebsergebnis von 5,3 % vom Umsatz, also etwas mehr als 100.000 €.

Die Bandbreite der Betriebsergebnisse ist bei Filialen ebenso groß wie bei Einzelapotheken. Allerdings sind die Anteile in niedrigeren Ergebnisklassen höher: 40 % der Filialen erreichen ein Betriebsergebnis von unter 4,0 % vom Umsatz, 16 % von über 8,0 %. Wie in den letzten Jahren auch, arbeiten etwa 10 % der Filialen mit Verlust, im Westen mehr als im Osten.

Dem Inhaber der Hauptapotheke kommen diese Beträge zusätzlich zu dem dort erwirtschafteten Ergebnis zu. Von diesem Gewinnbetrag müssen zwar auch Einkommensteuern bezahlt werden, aber die Ausgaben für Versorgungswerk, Krankenversicherung usw. erhöhen sich nicht weiter. Somit ist der zusätzliche Verfügungsbetrag, den die Filiale für den Inhaber erwirtschaftet, grundsätzlich in einem positiven Licht zu bewerten.

Hinweis: In unseren Berechnungen sind keine kalkulatorischen Kosten enthalten, auch ist kein Unternehmerlohn abgezogen worden.

Ein erfolgreich gemanagter Filialverbund setzt sich daher, was die wirtschaftliche Basis, Marktmacht und Wettbewerbsstellung angeht, stark von den Einzelapotheken ab. Dies beginnt mit den Hauptapotheken, also den „Besitzern“ der Filialen, die im Schnitt fast 30 % höhere Umsätze haben als der Durchschnitt. Dazu besteht jeder Verbund rechnerisch aus 2,4 Apotheken. Ein solcher statistischer Verbund aus Hauptapotheke und Filialen erreicht etwa 5,7 Mio. € Umsatz im Jahr und eine Umsatzrendite von 5,5 %.

Filialen wachsen stärker als Einzelapotheken

Auffällig ist, dass die Umsätze der Filialen 2016 mit 5,0 % doppelt so stark gewachsen sind wie die Umsätze der vergleichbaren Einzelapotheken (s. Tabelle unten). Richtet man den Blick einige Jahre zurück, so zeigt sich, dass dies ein genereller Trend ist. Wie die Abbildung oben links zeigt, sind seit 2013 sowohl die Umsätze als auch die Betriebsergebnisse der Filialen deutlich stärker gestiegen als die der Einzelapotheken.

Die in vielen Bereichen auffallende Spreizung des Apothekenmarktes scheint auch hier zu greifen. Große Einheiten wie Filialverbünde weisen eine dynamischere Entwicklung auf als eine durchschnittliche Apotheke. Inzwischen ist eine Filialapotheke nur noch etwa 6 % „kleiner“ als eine Durchschnittsapotheke.

Managementqualitäten gefordert

Der Grund für diese dynamischere Entwicklung liegt nicht am Typus Filiale. Es ist vermutlich eine Kombination aus Managementqualitäten des Inhabers und Synergieeffekten im Betrieb.

Auf der einen Seite werden Filialverbünde von einem Typ Inhaber geführt, für den Wachstum, Rendite, Organisations-, Management- und Führungsaufgaben stärker im Vordergrund stehen, als es für den Durchschnittsapotheker zutrifft. Dazu kommt, dass Filialleiter oft über erfolgsabhängige Prämien geführt werden und damit ein Eigeninteresse an einer überdurchschnittlich positiven Entwicklung haben.

Zum anderen lassen sich Synergieeffekte nutzen. Überall, wo man als großer Verbund Nachfrage bündeln kann – z.B. bei Einkaufskonditionen, Dauerverträgen oder Investitionsvorhaben –, lassen sich bessere Konditionen erreichen. Weitere Effizienzgewinne erzielt man im Personalbereich, wenn Aufgaben „einmal für alle“ gemacht werden können.

Zu meistern sind dabei ständige organisatorische und zwischenmenschliche Herausforderungen. Gut, wenn der Apothekeninhaber und die Filialleiter über Führungsqualitäten verfügen oder sich von professionellen Beratern bzw. Coaches unterstützen lassen.

Um jederzeit über die wirtschaftliche Situation der einzelnen Apotheken informiert zu sein, sind getrennte monatliche Betriebsvergleiche für jeden Einzelbetrieb unerlässlich. Dabei sollte auf eine möglichst exakte Trennung von Warenbezügen, Personal- und sonstigen Kosten geachtet werden, um Ausgaben verursachungsgerecht zuordnen zu können. Kann man auf externe Vergleichszahlen zurückgreifen, so sollten sich diese nicht auf eine standardisierte Durchschnittsapotheke beziehen, vielmehr sollte man Daten aus vergleichbaren Filialverbünden den eigenen gegenüberstellen.

Dreh- und Angelpunkt: der Filialleiter

Einer der zentralen Erfolgsfaktoren ist die Auswahl eines unternehmerisch denkenden und motivierten Filialleiters. Dies ist angesichts eines spürbaren Mangels an Bewerbern für manche Filialen schon zum K.-o.-Kriterium geworden. Hat man einen gefunden, ist es wichtig, Aufgaben, Kompetenzen und Erwartungen zu klären.

Der Apothekeninhaber muss Aufgaben und Entscheidungskompetenzen delegieren. Das ist nicht immer einfach: Viele wollen alles selber machen und meinen, dass die Qualität sonst leidet und alles mehr Zeit kostet. Dies ist aber ein Trugschluss. Wer richtig delegiert, kann sich selber entlasten und seine Mitarbeiter motivieren. Für die Delegation von Aufgaben braucht es Vertrauen in die Fähigkeiten der Person, die die Aufgabe übernehmen soll. Was die Fähigkeiten angeht, sollte dies schon bei der Besetzung der Stelle ins Auge gefasst werden. Und Vertrauen braucht Zeit, um sich entwickeln zu können.

Bei der Delegation gibt es die Möglichkeit, dass der Filialleiter alleine und ohne Rücksprache Aufgaben wahrnimmt und Entscheidungen fällt. Dies bedeutet die höchste Stufe der Autonomie und Verantwortung und erfordert einen besonders qualifizierten und zuverlässigen Filialleiter. Das entlastet den Chef am meisten, eignet sich aber nicht für alle Aufgaben und Funktionen.

Daher kommt oft die Variante zum Tragen, dass der Filialleiter beschränkt entscheiden darf. Sei es, dass er festgelegte Entscheidungen nur nach Rücksprache trifft, oder dass die Entscheidungen eine gewisse Tragweite nicht übersteigen dürfen (beispielsweise bei Investitionen).

Der Inhaber muss sich aber auch vorbehalten, besonders sensible Aufgaben selbst zu übernehmen. Häufig betrifft das zum Beispiel Personalfragen wie die Einstellung von neuen Mitarbeitern oder das Aussprechen arbeitsrechtlicher Maßnahmen.

Es empfiehlt sich, Kompetenzfragen bereits vor der Anstellung des Filialleiters zu klären. Ein praktikables Vorgehen ist, Aufgabenbereiche abzugrenzen und festzulegen, wie die Entscheidungsbefugnisse gestaltet sein sollen. Die Ergebnisse sollten schriftlich im Anhang zum Arbeitsvertrag fixiert werden.

Diplom-Ökonom Guido Michels, Treuhand Hannover GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, 30519 Hannover, E-Mail: guido.michels@treuhand-hannover.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(12):7-7