Dr. Andreas Nagel
Da die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente gesetzlich geregelt sind, ist eine eigene Preisgestaltung in der Apotheke nur für das rezeptfreie Sortiment möglich. Das Ergänzungssortiment der Freiwahl (Kosmetik, Zahncreme, Bonbons usw.) steht dabei oft in direkter Konkurrenz zu dem Angebot der nahegelegenen Supermärkte und Drogerien. Der interessanteste Bereich für eine individuelle Preisgestaltung ist daher das apothekenpflichtige Sortiment der Sichtwahl.
Leider haben Apotheken bei vielen Kunden immer noch ein Hochpreis-Image. In der Umgangssprache gibt es dafür den Begriff „Apotheken-Preise“, der immer dann verwendet wird, wenn ein Produkt als völlig überteuert empfunden wird. Das Preis- und Wertempfinden ist aber oft auch sehr subjektiv und von Kunde zu Kunde unterschiedlich. Produkte werden als zu teuer empfunden, wenn aus der individuellen Sicht des Kunden das Verhältnis zwischen Preis und Wert nicht stimmt: Der Kunde empfindet dann entweder den Preis als zu hoch oder den Wert als zu gering. Damit ergeben sich grundsätzlich zwei Alternativen zur Verbesserung der Preisakzeptanz – die Senkung der Preise oder die Erhöhung des wahrgenommenen Wertes.
Auswirkung einer Preissenkung
Die betriebswirtschaftlich schlech- teste Möglichkeit ist in vielen Fällen eine Preissenkung, da diese oft nicht durch eine Verkaufsmengensteigerung ausgeglichen werden kann. In der Beispielrechnung unten etwa erfordert eine Preissenkung um 10 % eine Verdopplung der Absatzmenge. Preissenkungen oder Aktionen sollten daher möglichst auf wenige, vom Kunden geschätzte „Schnelldreher-Produkte“ beschränkt und auch zeitlich oder mengenmäßig begrenzt sein.
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Den wahrgenommenen Wert erhöhen
Gesundheit ist das höchste Gut des Menschen. Wenn Sie den vom Kunden wahrgenommenen Wert der Produkte erhöhen wollen, müssen Sie daher den Nutzen des Produktes für die Gesundheit des Kunden deutlich beschreiben und hervorheben. Eine Standardformulierung könnte lauten: „Das beste Mittel gegen Ihre Beschwerden ist das Produkt X (= Produktname). Damit erreichen Sie Y (= Wirkung/Nutzen) und haben das Beste für Ihre Gesundheit (Genesung) getan.“ Diese Nutzenargumentation setzt natürlich ein entsprechendes Produktwissen bei allen Mitarbeitern im Verkauf voraus. Erstellen Sie doch für die häufigsten Produkte derartige Musterformulierungen, die dann von allen Mitarbeitern einheitlich an den Kunden kommuniziert werden können!
Bedeutung der Beratungsatmosphäre
Die Preisakzeptanz des Kunden wird auch durch das Erscheinungsbild der Apotheke und die Beratungsatmosphäre beeinflusst. Eine positive Stimmung, ein freundliches Auftreten und eine gute Beratung sind daher besonders wichtig. In vielen Branchen werden für vergleichbare Produkte sehr stark voneinander abweichende Preise gezahlt. Coffee-Shops oder Hotels verkaufen Kaffee mit vergleichbarer Qualität oft zu deutlich höheren Preisen als der Bäcker an der Ecke – hauptsächlich wegen des Ambientes und/oder des Service. Kunden, die sich beim Einkauf wohl fühlen und kompetent beraten werden, kaufen häufig mehr und zu höheren Preisen. Vielleicht haben Sie es beim Kleidungskauf schon selbst erlebt, dass Sie statt des günstigen No-Name-Pullovers nach der kompetenten Beratung durch eine freundliche Verkäuferin doch den teureren Markenpullover gekauft und zusätzlich auch noch ein passendes Hemd mitgenommen haben? Und waren Sie mit Ihrem Einkauf nicht sehr zufrieden – obwohl Sie deutlich mehr ausgegeben haben als geplant?
Preise „zerlegen“
Sie können einen in der Empfindung des Kunden zunächst hohen Preis häufig reduzieren, indem Sie ihn „zerlegen“. So könnten Sie zum Beispiel im Beratungsgespräch sagen: „Dieses Vitaminprodukt mit 30 Ampullen für einen Monat kostet 60 €. Damit sind Sie für 2 € pro Tag optimal mit allen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen versorgt.“ Oder: „Dieses Diätmittel kostet 18 € und enthält 12 Portionen, das heißt: Eine ‚Ersatz-Mahlzeit‘ kostet Sie nur 1,50 €.“
Günstige Standardprodukte
Ob eine Apotheke im Vergleich zu Wettbewerbern als „teuer“ oder „preisgünstig“ beurteilt wird, entscheiden Kunden oft anhand der Preise typischer Standardprodukte. In der Gastronomie sind es die Preise für ein Wiener Schnitzel oder ein Bier, in der Apotheke die Preise für Präparate wie Iberogast®, Voltaren® oder Grippostad®. Wenn Sie diese Preise niedrig kalkulieren, nimmt der Kunde Ihre Apotheke insgesamt als preisgünstig wahr.
Produkt- und Preisalternativen anbieten
Bei Angeboten in der Selbstmedikation ist es sinnvoll, dem Kunden Produkt- und Preisalternativen anzubieten. Das teuerste und beste Produkt sollten Sie dabei immer mit anbieten. Bei drei Produkt-/Preisvarianten entscheidet sich der Kunde häufig für die mittlere. Wenn Sie das teuerste Produkt zuerst anbieten, empfindet der Kunde die übrigen Produkte subjektiv meist als günstiger. Durch Preisvarianten werden Sie in vielen Fällen auch das teuerste Produkt verkaufen können – an Kunden, „für die das Beste gerade gut genug ist.“ Achten Sie aber immer darauf, Preisunterschiede anhand der Wirkung bzw. der Inhaltsstoffe des Produkts nachvollziehbar zu erklären, so zum Beispiel: „Dieses Standard-Nasenspray mit einem abschwellenden Wirkstoff kostet 3,25 €. Wenn Sie zusätzlich eine pflegende und heilende Wirkung erzielen möchten, empfehle ich Ihnen das höherwertige Spray für 4,35 €.“
Mitarbeiter für Preisgespräche schulen
Alle Mitarbeiter sollten für ein Preisgespräch geschult sein und auf die häufigsten Preiseinwände eine passende Antwort parat haben. Wenn Mitarbeiter auf Preiseinwände nicht reagieren, denkt der Kunde zwangsläufig: „Ich habe gesagt, es sei sehr teuer – und man hat mir nicht widersprochen. Also habe ich mit meiner Meinung wohl Recht!“ Entwickeln Sie daher mit Ihren Mitarbeitern geeignete Antworten auf die häufigsten Preiseinwände in Ihrer Apotheke. Beschwert sich zum Beispielein Kunde, dass er ein Produkt bei einer Online-Apotheke schon viel günstiger gesehen habe, könnte eine geeignete Antwort lauten: „Das mag sein. Dafür erhalten Sie bei uns aber auch eine umfassende, persönliche Beratung, und Sie können Ihr Medikament sofort mitnehmen.“
Achten Sie überdies im Preisgespräch darauf, möglichst nicht das Wort „billig“ zu verwenden. Sprechen Sie besser von „preiswert“, denn für viele Kunden bedeutet „billig“ nicht nur „günstig“, sondern auch „minderwertig“.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(17):9-9