Karin Wahl
Die drei folgenden aktuellen Beispiele aus der Praxis stellen Ihnen mögliche Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen vor, die fair sind und vom ganzen Team akzeptiert werden sollten.
Beispiel 1: Neuere versus langjährige Mitarbeiter
In einer Apotheke haben sich die neueren Mitarbeiter in den vergangenen zwei Jahren mit den Urlaubs- und Arbeitszeitgepflogenheiten der langjährigen Mitarbeiter abgefunden. Auch in diesem Jahr besteht eine ältere PTA, deren Kinder schon längst aus dem Haus sind, auf ihren alljährlichen dreiwöchigen Urlaub mitten in den Sommerferien. Zwei jüngere PTAs sind wegen ihrer schulpflichtigen Kindern auf Urlaub just in dieser Zeit angewiesen und werden beim Chef vorstellig: Wenn ihre Wünsche nicht berücksichtigt würden, müssten sie sich nach einem anderen Arbeitsplatz umsehen. Das Angebot sei ja bekanntlich groß.
Dem Chef ist die Situation sehr unangenehm: Zum einen ist er selbst noch relativ jung und hat Respekt vor der älteren PTA, die als „graue Eminenz“ in der Apotheke gilt. Zum anderen will er die beiden jüngeren Mitarbeiterinnen, mit deren Leistung er sehr zufrieden ist, nicht verlieren. Schließlich ruft er alle Beteiligten zusammen.
Nach einer emotionalen Diskussion findet man eine Lösung: Die sechswöchigen Sommerferien werden gedrittelt. Jede der drei PTAs erhält somit eine sichere Urlaubszusage für zwei Wochen. Man kann sich allerdings zunächst nicht einigen, wer während des ersten, wer während des zweiten und wer während des letzten Drittels frei bekommt. Letztlich entscheidet das Los. Anschließend besteht immer noch die Möglichkeit, bei Bedarf zu tauschen. Damit sind alle einverstanden. Weil man somit auf einem guten Weg ist, werden gleich auch die Regelungen für die weiteren Ferienzeiten und die Brückentage mit dem gesamten Team besprochen. Ein großer Beitrag für den Betriebsfrieden ist geleistet.
Beispiel 2: Frühzeitige versus kurzfristige Urlaubsplanung
In einer Apotheke mit 12 Teilzeit- und Vollzeitmitarbeitern sorgt das Thema Urlaub alljährlich für Aufregung, weil die Chefin die bei ihr eingehenden Urlaubsanträge sofort genehmigt, wenn sich bislang noch niemand für den entsprechenden Zeitraum in den Kalender eingetragen hat. Den Vorteil haben stets diejenigen, die sich frühzeitig Gedanken um den Urlaub im nächsten Jahr machen. Diejenigen hingegen, die noch viel abzuklären haben, kommen mit ihren Wünschen regelmäßig zu spät, müssen deswegen umdisponieren und sind enttäuscht.
Eine zuverlässige und zurückhaltende PTA betreut neben ihrer Tätigkeit in der Apotheke ihre gebrechlichen Eltern. Sie hat mit den Pflegediensten so viel zu regeln, dass sie auch in diesem Jahr ihren Urlaubsantrag nicht rechtzeitig stellt. Weil dieser in der Folge einmal mehr abgelehnt wird, sucht sie sich einen anderen Arbeitgeber.
Die Chefin verliert damit eine wertvolle Mitarbeiterin. Sie überlegt, wie sich solche Vorfälle in Zukunft vermeiden lassen. Sinnvoll wäre es beispielsweise, eine Frist zu setzen, bis zu der die eingereichten Urlaubsanträge gesammelt werden. Anschließend lassen sich die Zusagen so gerecht wie möglich verteilen.
Beispiel 3: Feste versus flexible Arbeitszeiten
Eine Apotheke hatte nach langer Suche endlich eine PTA gefunden, die ins Anforderungsprofil passt. Die neue Kollegin arbeitete nicht in Vollzeit, sondern 30 Stunden pro Woche – laut Personalplan 70 % davon in Labor und Rezeptur sowie 30 % im Handverkauf. Um ihre beiden Kinder betreuen zu können, hatte sie darauf bestanden, lediglich am Vormittag arbeiten zu müssen. Da die übrigen Mitarbeiter froh waren, überhaupt eine neue Kollegin gefunden zu haben, akzeptierten sie dies – wenn auch widerwillig, da auch sie lieber morgens gearbeitet und nachmittags gelegentlich frei gehabt hätten.
Dies ging eine Weile gut. Die Situation verschärfte sich jedoch, als eines der Kinder krank wurde und die neue PTA deshalb nicht in die Apotheke kommen konnte. Eine andere Kollegin musste einspringen und die versprochenen Rezepturen unter großem Zeitdruck herstellen. Noch weiter spitzte sich alles zu, als die Planung der Sommerferien anstand und mehrere Mitarbeiter mit ebenfalls schulpflichtigen Kindern ihren Urlaub beantragten – für denselben Zeitraum, für den der Chef der neuen PTA bereits Urlaub genehmigt hatte. Als Folge fühlten sich die langjährigen Mitarbeiter hintergangen.
Nichtsdestotrotz waren sich alle einig, dass die neue Kollegin ihre Tätigkeiten hervorragend verrichtete und das Team durch pünktliche und zuverlässige Arbeit sehr entlastete. Deswegen versuchte man, die Situation zur Zufriedenheit aller zu lösen. Zunächst ließ sich eine neue Arbeitszeitregelung finden: Die PTA wurde aus dem allgemeinen Personalplan mit festen Arbeitszeiten genommen und bekam eine „Stabsstelle“ mit flexiblen Arbeitszeiten, die sie sich selbst einteilen durfte. Da die Apotheke über ein Zeiterfassungssystem verfügte, ließ sich die tatsächlich geleistete Arbeitszeit ohne Probleme registrieren. Unter der Woche wurde die PTA nur noch in Labor und Rezeptur eingesetzt. Der vereinbarten Tätigkeit im Handverkauf kam sie dann gelegentlich an Samstagen nach.
In Rezeptur und Labor konnte die PTA ihre Aufgaben bereits morgens vor der Apothekenöffnung erledigen oder auch abends nach Betriebsschluss, wenn der Vater bei den Kindern war. Musste eine nicht eilige Rezeptur angefertigt werden (rund 90 % der Fälle), konnten die Patienten ihre Bestellung am nächsten Morgen zu einem einheitlichen Zeitpunkt abholen oder sie sich alternativ zustellen lassen. Die restlichen dringend herzustellenden 10 % der Rezepturen sollten innerhalb eines vereinbarten Zeitfensters abholbereit sein. Die Rezepturen wurden bei Bedarf mit einer Approbierten vorbesprochen. Diese Approbierte übernahm dann auch die Endkontrolle.
Nachdem man mit dieser Regelung für die Arbeitszeit alle zufriedengestellt hatte, wurde auch eine Lösung für die Schulferien gefunden – ein rollierendes System, in dem jeder Mitarbeiter abwechselnd zu Beginn und in der Mitte der Ferienzeit frei bekam.
Zuverlässige Mitarbeiter durch flexible Bedingungen halten
Dieses dritte Beispiel zeigt, dass bestimmte Aufgaben in der Apotheke bei Bedarf aus dem festen Zeitschema herausgenommen werden können. Beispiele für solche Tätigkeiten sind außer Rezeptur und Labor auch der Direkteinkauf, das Qualitäts-Management-System inklusive Rezept-Nachkontrollen sowie Tätigkeiten um den werblichen Auftritt wie etwa das Erstellen von Flyern, die Pflege der Homepage und die Planung von Aktionen. Vereinbart werden sollte allerdings auch hier, dass die Mitarbeiter zumindest wenige Stunden pro Woche während der regulären Öffnungszeiten in der Apotheke präsent sind. Denn nur so bleiben sie weiterhin über das Tagesgeschäft informiert und entfremden sich auch nicht von den Kollegen.
Ändern sich die Rahmenbedingungen, können die Modalitäten auch wieder geändert werden. Entsprechendes sollten Sie jeweils in einem Zusatzpassus zum Arbeitsvertrag vereinbaren.
Nur Tätigkeiten, die in direktem Zusammenhang mit dem Handverkauf und dem Kundenkontakt stehen, lassen solch eine flexible Lösung noch nicht zu. Allerdings könnte man den Mitarbeitern in diesen Fällen anbieten, beispielsweise nicht an jedem Tag in der Woche vormittags, sondern stattdessen an einem Tag in Vollzeit zu arbeiten. Als Ausgleich hierfür hätten sie an einem anderen Tag frei und könnte sich ganz ihren anderweitigen Aufgaben widmen.
Durch flexiblere Arbeitsrahmenbedingungen lassen sich also zuverlässige Mitarbeiter mit guter Qualifikation auch während der Familienphase halten. Gerade für die Apotheke als Tätigkeitsfeld ist dies von besonderer Bedeutung, da hier überproportional viele Frauen arbeiten, für die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (einschließlich der Pflege der Eltern) unabdingbar bleibt.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(17):15-15