Rechtssicherer Umgang mit der Verschreibungspflicht (Teil 1)

Befugnisse bei Rx-Arzneimitteln


Dr. Bettina Mecking

Wie verhalten Sie sich, wenn ein Arzt ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel außerhalb des durch seine Approbation abgedeckten Bereiches verordnet – sei es, dass ein Zahnarzt ein Rezept für die „Pille“ oder ein Augenarzt eines für ein Tierarzneimittel ausstellt?

Nicht selten stellen übliche Abgabesituationen im Apothekenalltag ein nicht erkanntes oder unrichtig eingeschätztes rechtliches Risiko dar. Hier müssen der Apothekenleiter und sein Personal „klare Kante“ zeigen. Eine Verschreibungssituation zu hinterfragen bedeutet, heilberufliches Verantwortungsbewusstsein zu zeigen und sich gleichzeitig selbst vor weitreichenden Sanktionen zu schützen.

Maßgebliche Rechtsnormen

§ 48 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) besagt, dass Arzneimittel, die durch die Arzneimittel-Verschreibungsverordnung (AMVV) näher bestimmte Stoffe oder Zubereitungen enthalten, nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verordnung an Verbraucher abgegeben werden dürfen. Die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ohne Vorlage eines ärztlichen Rezeptes stellt nach §96 Nr. 13 AMG eine Straftat dar. Es drohen hohe Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Im Falle fahrlässigenHandelns wird der Verstoß als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet. Bei verschreibungspflichtigen Arzneien für Lebensmitteltiere droht nach §95 Abs. 1 Nr. 6 AMG sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.

Ein Verstoß gegen die Verschreibungspflicht stellt immer einen erheblichen Verstoß gegen die apothekerlichen Berufspflichten dar. Eine unrechtmäßige Handhabe kann auch als Störung fremden Wettbewerbs verfolgt werden.

Wer darf was verschreiben?

Jeder Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt darf nur im Rahmen seiner Approbation tätig werden – auch dann, wenn er Verordnungen ausstellt. Heilpraktiker dürfen keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel verordnen.

Die Approbation als Arzt berechtigt zur Verschreibung aller verschreibungspflichtigen Arzneimittel zur Behandlung von Menschen. Es gibt keine Verschreibungsbeschränkung für den Facharzt auf sein Fachgebiet, sodass beispielhaft die Verordnung eines Antirheumatikums durch eine Gynäkologin nicht zu beanstanden ist.

Ein Rezept über verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung von Tieren – seien es eigene oder diejenigen anderer Besitzer – hingegen darf ein Humanmediziner nicht ausstellen.

Demgegenüber berechtigt die Approbation als Tierarzt zur Verschreibung aller verschreibungspflichtigen Arzneimittel zur Behandlung von Tieren. Eingeschlossen sind auch Humanarzneimittel für den Fall, dass kein zugelassenes Tierarzneimittel zur Verfügung steht.

Die Approbation als Zahnarzt umfasst die berufsmäßige, auf zahnärztliche wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Die Verschreibung von Humanarzneimitteln, die nicht auf dem Gebiet der Zahnheilkunde Anwendung finden, ist davon nicht erfasst. Im Einzelfall erscheint es jedoch durchaus vorstellbar, dass z.B. Schmerz- und Beruhigungsmittel oder Arzneimittel gegen Herpes im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung Einsatz finden können. Insofern werden die Grenzen zwischen zahnärztlicher und ärztlicher Verschreibungsbefugnis fließend sein. Ein Zahnarzt darf aber weder Antidiabetika, Antihypertonika noch orale Kontrazeptiva verordnen.

Umgang mit Zweifelsfällen

In Zweifelsfällen muss es daher dem Apotheker zugebilligt werden, eine Verschreibung zu beliefern, wenn sie von einem Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt ausgestellt worden ist und kein Hinweis auf einen Irrtum des Arztes oder sonstige Bedenken im Hinblick auf §17 Abs. 8 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) bestehen. Vor allem in dringenden Fällen darf die Versorgung von Patienten nicht durch bloße Zuständigkeitsfragen gefährdet werden.

Ist aber objektiv unzweifelhaft erkennbar, dass ein Arzt seine Verschreibungsbefugnis überschritten hat, darf die Apotheke das verschriebene Arzneimittel nicht abgeben. Denn eine Verschreibung, die von einer nicht dazu befugten Person ausgestellt wurde, ist im Sinne der AMVV nicht gültig.

Sonderfall Hebammen

Nach §48 Absatz 3 Satz 2 AMG kann eine Ausnahme von der Verschreibungspflicht für Hebammen festgelegt werden – und zwar bezüglich solcher Arzneimittel, die sie für eine ordnungsgemäße Berufsausübung benötigen. In Anlage 1 der AMVV werden vier entsprechende Wirkstoffe aufgeführt: So dürfen Hebammen Fenoterol zur Hemmung vorzeitiger Wehen, Lidocain zur Durchführung von Dammschnitten im Rahmen der Geburt sowie Methylergometrin und Oxytocin bei Nachgeburtsblutungen ohne Rezept in bestimmter Dosierung und Menge erwerben, um sie dann zur Hand zu haben, wenn sie benötigt werden. Die Apotheke muss sich vor der Abgabe nur davon überzeugen, dass es sich bei der erwerbenden Person wirklich um eine Hebamme handelt.

Eigenbedarf von Ärzten

Laut §4 Abs. 2 AMVV bedarf die Verschreibung für den Eigenbedarf nicht der schriftlichen oder elektronischen Form. Die Person muss sich nur in der Apotheke wirksam als Arzt – am besten mit einem gültigen Arztausweis – identifizieren lassen. Es wurden schon vergilbte Approbationsurkunden, Mitgliedsausweise für den Marburger Bund oder Visitenkarten vorgelegt. Hier muss im Zweifelsfall bei der zuständigen Ärztekammer nach einer gültigen Approbation gefragt werden. Auch kann man die meisten Chef- und Oberärzte von großen Kliniken mit Bild auf der Homepage des Krankenhauses finden.

Ärzte dürfen aufgrund ihrer ärztlichen Approbation bei sich selbst jedes Humanarzneimittel einsetzen. So ist es z. B. einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt erlaubt, für sich selbst Tamsulosin-Tabletten kaufen. Aber auch hier dürfen und müssen Apotheker bei wiederholtem Kauf großer Mengen nach §17 Abs. 5 ApBetrO die therapeutische Sinnhaftigkeit hinterfragen und den Ärzten ggf. zum Besuch eines entsprechenden Facharztes raten.

Von Zahnärzten wird oft auf eine ältere Auslegung der Bundeszahnärztekammer hingewiesen, wonach der Zahnarzt – jedenfalls für seinen Eigenbedarf – alle verschreibungspflichtigen Arzneien beziehen dürfe. Einige Landeszahnärztekammern sind dem allerdings bereits ausdrücklich entgegengetreten, sodass hier Vorsicht angeraten wird.

Eigenbedarf von Apothekern

Entgegen einer verbreiteten Auffassung ist es unzulässig, einem anderen Apotheker allein nach Vorlage eines Apothekerausweises ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel auszuhändigen – auch wenn sich der Betroffene darauf beruft, in der eigenen Apotheke ungehinderten Zugang zu diesem Arzneimittel zu haben.

Zudem stellt sich noch die Frage nach der Eigenentnahme durch Apothekenpersonal: Versorgt sich der Erlaubnisinhaber selbst, handelt es sich nicht um eine „Abgabe von Arzneimitteln“ an einen „anderen“. Deshalb fällt dieser Vorgang nicht unter die AMVV. Wenn ein Apothekenleiter aber seinem Personal erlaubt, verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Verschreibung aus dem Bestand zu entnehmen, liegt eine unzulässige Abgabe vor. Diese bleibt strafrechtlich jedoch nahezu ohne Relevanz, da sie sehr selten angezeigt wird.

Betäubungsmittel für den Eigenbedarf?

Arzneimittel, die der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) unterliegen, dürfen nie ohne Rezept abgegeben werden. Für jede Abgabe ist ein BtM-Rezept erforderlich, das eine Dokumentation ermöglicht. Welche Betäubungsmittel von Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt in welchen Höchstmengen verordnet werden dürfen, ist in den §§2–4 BtMVV festgelegt. Besondere Regelungen für den Eigenbedarf gelten hier nicht.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(19):14-14