Axel Witte
Apotheken sind Teil eines vielfältig regulierten Marktes. Das betrifft sowohl Vorgaben für das Sortiment und die Preise als auch Anforderungen z.B. an die Materialien und das Personal. Insofern nimmt der Kunde verschiedene Apotheken als gleich (oder zumindest ähnlich) und damit im Wesentlichen als untereinander austauschbar wahr.
Als ein Kriterium zur Differenzierung hat sich in den letzten Jahren verstärkt die Preisaktivität im OTC-Segment etabliert. Das wird besonders deutlich, wenn man den Versandhandel, aber auch Apotheken mit Discountkonzept betrachtet. Doch im Preiswettbewerb gibt es – so eine bekannte Kaufmannsregel – keinen Gewinner: Wettbewerber können ein Angebot in kürzester Zeit mit einem noch niedrigeren Preis toppen. Hinzu kommt, dass Kunden, die sich primär (nur) am Preis orientieren, unstete Kunden sind. Sie „folgen“ vom Prinzip her dem Preis. Nachhaltige Kundenbindung erreichen Apotheken auf diese Weise also kaum. Dazu gehört mehr als Preisdumping.
Mehrwert generieren
Um eine nachhaltige Kundenbindung zu erreichen, können Sie beispielsweise Service- und Dienstleistungen anbieten (vgl. auch AWA 18/2017). Vorteilhaft dabei ist, dass formal scheinbar gleiche Leistungen inhaltlich sehr unterschiedlich sein können – allein durch die agierenden Personen. Denn ein Botendienst entspricht genauso wenig einem anderen wie ein Vortrag dem anderen gleicht.
Service- und Dienstleistungen werden „just in time“ erbracht. Sie sind individuell, einmalig und schwer kopierbar – allerdings auch sehr personalintensiv. Nicht der Verkauf von Ware steht im Vordergrund, sondern die Leistung des Mitarbeiters für und mit dem Kunden.
Service- und Dienstleistungen können ein Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition, USP) für die Apotheke bedeuten. Deshalb werden sie zunehmend im Wettbewerb eingesetzt und aktiv beworben.
Serviceleistungen: Was sollten Sie beachten?
Serviceleistungen sind solche Leistungen, die unmittelbar mit dem Kauf von Produkten verbunden sind. Sie stellen eine unentgeltliche Ergänzung des Verkaufs dar. Zum Tragen kommt hier eine Mischkalkulation: Demnach sollte der Aufwand des Services mit der Marge der im Verbund verkauften Produkte abgedeckt sein.
Produktbezogene Beratungen gelten beim Verkauf von Arzneimitteln im Hinblick auf Compliance und Arzneimittelsicherheit als selbstverständlich für Apotheken und sind insofern keine eigenständig zu vergütenden Leistungen.
Was ist aber mit den zum Teil sehr aufwendigen Beratungen, die mit Recherchen usw. verbunden sind und die nicht unbedingt zu einem Verkauf (zumindest in Ihrer Apotheke) führen? Hier sollten Sie souverän agieren, denn Ihr Gegenüber entscheidet, ob und was er wann und wo kauft. Der Beratene von heute kann ein Kunde von morgen sein und die Beratung der Einstieg in eine längerfristige Kundenbeziehung. Wird aber die Apotheke wiederkehrend von Einzelnen für solche Beratungen „ausgenutzt“, dann ist ein freundliches, aber klares Wort des Inhabers durchaus angesagt.
Grundsätzlich gilt: Serviceleistungen müssen im Verhältnis zur erbrachten Kernleistung angemessen sein.
Bei Leistungen der Apotheke, die in Verbindung mit anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen erbracht werden, sind die Möglichkeiten von werthaltigem, aber unentgeltlichem Service vor allem durch das Heilmittelwerbe- und das Antikorruptionsgesetz eingeschränkt. Ein Beispiel für eine solche Leistung ist das Verblistern im Rahmen der Heimversorgung.
Übrigens: Inwieweit die Aktualisierung des Medikationsplans weiterhin eine Serviceleistung – also eine nicht separat durch die Krankenkassen vergütete Leistung der Apotheken – bleiben wird, ist im Hinblick auf die anstehende Honorarreform abzuwarten.
Dienstleistungen: Wie kalkulieren Sie den Preis?
Gegenüber unentgeltlichen Serviceleistungen sind Leistungen, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Verkauf von Produkten stehen, als entgeltliche Dienstleistungen zu betrachten. Dabei ist es gleich, ob es sich um spezielle Beratungen, Vorträge, Kurse oder Leistungen im Rahmen der Prävention usw. handelt. Hier gilt der Grundsatz: Jede erbrachte Leistung muss betriebswirtschaftlich kalkuliert werden. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Aufwand.
Die Kalkulation beginnt mit der Zusammenstellung der Kosten. Anschließend sind diejenigen Aufwendungen auszuwählen, die der angebotenen Dienstleistung zugeordnet werden können. Man spricht hierbei auch von einer kostenorientierten Preisbildung. Grundsätzliches Ziel ist es, den Preis so festzulegen, dass sich zumindest eine Kostendeckung, besser noch ein Ertrag erzielen lässt.
Vom Grundsatz her können Sie die anzusetzenden Preise entweder über eine Teil- oder über eine Vollkostenrechnung ermitteln (Tabelle 1). Bei Dienstleistungen nutzt man in der Regel die Teilkostenrechnung: Dabei gehen nicht alle Kosten in den Preis ein. Gemeinkosten (z.B. Kosten für die Apothekenräume, das nicht-pharmazeutische Personal oder die EDV-Anlage) bleiben unberücksichtigt. Insofern ergibt sich der Preis der Dienstleistung aus den direkt zurechenbaren Einzelkosten.
Entscheidend sind die Personalkosten, denn Dienstleistungen sind Leistungen, die durch den Mitarbeiter für den Kunden erbracht werden. Deshalb stellt sich an erster Stelle die Frage: Was kostet eine Mitarbeiterstunde (z.B. eines Apothekers, einer PTA oder eines Boten)? Eine Orientierungshilfe dazu finden sie in Tabelle 2.
Bei einer übertariflichen Bezahlung und anderen regelmäßigen Zuwendungen an die Mitarbeiter sind entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Dementsprechend ist die Preisbildung immer eine betriebsindividuelle Aufgabe. Die effektiven Kosten in der jeweiligen Apotheke und die vom Inhaber gemachten Vorgaben sind entscheidend.
Kalkulationen zufolge kann manals Orientierungswert bei einem Botendienst im Durchschnitt einen Euro (netto) je Kilometer ansetzen. Damit sind die Pkw- und Personalkosten abgedeckt. Bei reinen Beratungsleistungen – wie z.B. einer Reise- oder Ernährungsberatung – kann man im Wesentlichen die reinen effektiven Personalkosten (wie in Tabelle 2) zugrunde legen. Für die anfallenden Sach- und Gemeinkosten lässt sich ggf. ein pauschaler Zuschlag von etwa 5% bis 10% ansetzen. Außerdem ist zu beachten, dass nicht nur die reine Gesprächszeit mit dem Kunden anfällt: Notwendige Organisations-, Vor- und Nachbereitungszeiten sind in jedem Falle mit zu berücksichtigen.
Was sollten Sie noch in Ihre Überlegungen einbeziehen?
Die Ermittlung der Kosten, die im Zusammenhang mit der jeweiligen Dienstleistung entstehen, ist der Ausgangpunkt für die Preiskalkulation. Anschließend ist zu überlegen, in welcher Höhe ein Gewinnzuschlag möglich ist. Üblicherweise können Sie auch hierfür in etwa 5% bis 10% ansetzen. Bei dem auf diese Weise ermittelten Wert handelt es sich um den Nettopreis der Dienstleistung. Hierauf gilt es noch die Mehrwertsteuer in Höhe von 19% aufzuschlagen. Dann erhalten Sie den Preis, den Sie von Ihren Kunden für die Dienstleistung verlangen sollten.
Natürlich gibt es neben den rein betriebswirtschaftlichen Erfordernissen weitere Faktoren, die für die Preisbildung eine Rolle spielen. In erster Linie gilt es dabei, die Sicht des Kunden einzunehmen: Der Kunde ist nur dann bereit, einen entsprechenden Preis für die Dienstleistung zu zahlen, wenn sie ihm einen für ihn adäquaten Nutzen bringt. Jeder Kunde ermittelt somit ausgehend von dem individuellen Nutzen, den er einer Dienstleistung beimisst, seine individuelle Zahlungsbereitschaft für diese Dienstleistung. Für Ihre Apotheke heißt das: Prüfen Sie, ob der nach Aufwandsgesichtspunkten ermittelte Preis am Markt – also bei den Kunden – durchsetzbar ist. Je nachdem, wie das Ergebnis ausfällt, sollte dann ein Preis festgelegt werden, der ggf. vom Aufwand abweicht.
Das ist natürlich kein einmaliger Vorgang, sondern vielmehr ein fortlaufender Prozess – zumal die Apotheke ihr Angebot kontinuierlich weiterentwickeln sollte: So ist stetig zu ermitteln, wie die Dienstleistungen von den Kunden angenommen werden, wie sich die Umsätze und die Kosten entwickeln und ob Verbundeffekte bestehen. Dementsprechend sind auch die von Ihnen angebotenen Dienstleistungen in Ihr Controlling und Marketing einzubinden.
Zusammenfassung
Unabhängig davon, ob es sich um eine Service- oder eine Dienstleistung handelt: Wichtig ist, dass Sie den Aufwand realistisch ermitteln. In einem ersten Schritt führen Sie dafür eine Kostenanalyse durch: Sie ermitteln also zunächst alle anfallenden Kosten, um dann diejenigen auszuwählen, die der jeweiligen Leistung zuzuordnen sind. In einem zweiten Schritt prüfen Sie, ob die ermittelten Preise so auch bei Ihren Kunden durchsetzbar sind. Alles unter dem Kundengesichtspunkt zu sehen und deswegen auf Ertrag zu verzichten, ist aber genauso falsch, wie zu hohe Gebühren zu erheben.
Im Hinblick auf die Entwicklung der Apotheken-Roherträge ergibt sich die Notwendigkeit, alle Leistungen immer wieder auf den Prüfstein zu legen. Nur so können Sie entscheiden, welche Leistungen zu welchem Preis weiterhin angeboten, ausgebaut und letztendlich auch aktiv beworben werden sollen.
Preisbildung ist ein wirtschaftlich weitreichender Prozess. Hier können Sie in der Summe allerhand Ertrag gewinnen, aber auch verlieren.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(21):7-7