Kapitalanlage 2017/2018

Das Kuriositäten-Kabinett


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Anhaltende Niedrigzinsen, Börsenkurse auf historischen Höchstständen, Immobilienmärkte in Teilen außer Rand und Band: Das letzte Jahr hat sich für Kapitalanleger mehrheitlich gelohnt. Auf dem Gipfel wird aber die Luft dünn – welche Anlageideen bleiben 2018 aussichtsreich?

Die Märkte erinnern inzwischen wieder an ein Finanzkasino, wie wir es zuletzt um die Jahrtausendwende am Neuen Markt gesehen haben. Einige Beispiele:

  • Die Krypto-Währung Bitcoin bewegte sich vor fünf Jahren noch im einstelligen Bereich um 5 € bis 10 € je „Krypto-Münze“. Inzwischen wurde bereits die 10.000-€-Marke locker geknackt – irre! Ein Großteil der Kursexplosion entfällt auf das letzte Jahr – ein gefährliches Zeichen. Bei Bitcoins handelt es sich um ein willkürlich auf 21 Millionen Stück begrenztes, virtuelles, rein mit komplizierten Rechenalgorithmen kreiertes Zahlungsäquivalent („elektronisches Gold“), das hierzulande bislang keinerlei staatlicher oder institutioneller Aufsicht untersteht. Immerhin liegt so der Gesamtwert aller Bitcoins momentan bei gut 250 Mrd. €.
  • Selbst im „realen Leben“ geht die Post ab: Die Internet- und IT-Giganten laufen und laufen an der Börse, wenn auch mit zwischenzeitlichen kleineren Korrekturen. Neben den bekannten Schwergewichten wie Alphabet (Google), Amazon, Apple und Microsoft haben fernöstliche IT-Stars wie Alibaba oder Tencent in wenigen Jahren regelrecht „abgehoben“ und ihren Kurs vervielfacht. Das namentlich genannte „Sechserpack“ weist zurzeit eine Marktkapitalisierung von sage und schreibe gut 3.000 Mrd. € auf, beinahe die Jahreswirtschaftsleistung Deutschlands und fast das Zweieinhalbfache des Wertes aller 30 DAX-Unternehmen! Das zeigt, wie die Digitalwirtschaft gegenüber den „alten“ Industriezweigen bewertet und wo die Zukunft vermutet wird. In der Abbildung sind beispielhaft einige Börsenbewertungen (Firmenwerte) im Kontext der Firmenumsätze und -gewinne dargestellt – die „neue“ Wirtschaft toppt zunehmend die alten Industrien. Nicht immer scheint dies jedoch vom Ertrag her gerechtfertigt.
  • In die Schublade „Kaum zu glauben, aber wahr!“ passt die Cannabis-Story (s.a. https://marijuanaindex.com, www.marihuana-aktien.de). Mit der Liberalisierung und Entkriminalisierung von Cannabis in immer mehr Regionen der Welt schießt die Fantasie der Anleger ins Uferlose. Firmen mit minimalen Umsätzen werden teils abenteuerlich bewertet. Parallelen zur ersten Internet-Euphorie der Jahrtausendwende werden wahr. Hier wie da werden sich einige Top-Player herausschälen und in der Tat interessante Perspektiven aufweisen. Die meisten Firmen dürften aber in der Versenkung verschwinden.
  • Und selbst auf dem bodenständigen deutschen Immobilienmarkt werden teilweise Kaufpreise in Höhe von 40 bis über 50 (!) Jahreskaltmieten aufgerufen. Das sollte ernstlich zu denken geben!

Wer bereits mit am Roulettetisch sitzt: „Gewinne laufen lassen und die Party feiern, solange die Musik spielt!“ Das bedeutet aber auch: Stets bereit zum Ausstieg sein, die Kurse laufend beobachten, Gewinne mittels „Stop-Loss-Technik“ ggf. sichern, indem die entsprechenden Marken bei steigenden Kursen stets nachgezogen und bei Unterschreiten des Stop-Kurses dann konsequent verkauft werden. Denn eines ist klar: Wenn nach einer solchen Übertreibungsphase eine wirklich nachhaltige Korrektur und Neubewertung einsetzt, dann gehen die Kurse richtig in den Keller – und sinken nicht nur um 10% oder 20%.

Die Rohstoff-Story

Eine ganz rationale Investmentidee beruht auf den Rohstoffmärkten, die sich deutlich von ihren Tiefpunkten Anfang 2016 erholt haben. Wer die Anregungen damals aufgegriffen hat, kann sich über schöne Zuwächse freuen.

Ein regelrechter Hype ist um das Thema „Elektromobilität“ und damit den zusätzlichen Bedarf an Lithium, Kobalt und Nickel entbrannt. In einem für eine Reichweite von etwa 500 km nötigen 100-KWh-Akku auf Lithiumionenbasis steckt das Äquivalent von 40 Kilogramm des natürlich vorkommenden Lithiumcarbonats – Preis: etwa 20 US-$ je Kilogramm. Bei 40 Millionen Tonnen weltweiter Reserven an Lithiumsalzen (wovon zurzeit nur 35.000 Tonnen p.a. gefördert werden) und rund 75 Millionen weltweit jährlich gebauten Autos bei einem Bestand von über einer Mrd. Fahrzeugen erkennt man schnell den „Flaschenhals“ sogar bei überschaubaren Marktanteilen von Elektroautos. Aufgrund instabiler Förderländer (u.a. Kongo) ist dieser „Bottleneck“ bei dem ebenfalls notwendigen Kobalt noch bedeutsamer. Weniger kritisch ist die Versorgungslage bei Nickel. Selbst das gute alte Kupfer profitiert von der Elektrifizierungswelle.

Am Kursverlauf von Kupfer und Nickel lässt sich traditionell mittels Open-End-Zertifikaten teilhaben, für Lithium und Kobalt entwickeln sich diese Anlagevehikel gerade. Etablierte Minengesellschaften wie z.B. die dividendenstarke, aber mit „Russland-Risiko“ behaftete Norilsk Nickel sollten langfristig zu den Profiteuren gehören. Direkte Investments in oft kleine Lithiumproduzenten – teils bereits durch die Decke gegangen – sind hingegen hochriskante Wetten!

Im Rohstoffsektor sind wir zudem langfristig für den momentan noch „durchhängenden“ Düngemittelsektor positiv gestimmt (z.B. für den kanadischen Weltmarktführer Potash).

Fallen Angels

Wer auf die klassischen Industrien steht: Nicht alle Unternehmen stehen trotz Börsenboom auf der Sonnenseite. Einstige Stars wie der amerikanische Mischkonzern General Electric sind in den letzten Monaten regelrecht abgestürzt, ähnliches gilt für den Multi-Milliarden-Spielwarenkonzern Mattel (u.a. Barbie-Puppen). Auch in unserer Branche hat es z.B. die mit Schulden im Zuge der Actavis-Übernahme kämpfende israelische TEVA (eine Tochter ist ratiopharm) ganz böse erwischt. Selbst die dividendenstarke britische GlaxoSmithKline ist ganz schön abgefallen – neben hohen Schulden steht hier die Zukunft der Dividende in den Sternen, was schon General Electric in Ungnade fallen ließ. Mutige schauen hier genauer hin. Bei Novo Nordisk, auch kräftig unter die Räder gekommen, hat der erfolgreiche Turnaround dagegen bereits eingesetzt.

Nähre Dich redlich!

Indirekt ohne hohe eigene Investitionen am Immobilienboom profitieren? Das geht mit Immobilienaktien wie Vonovia, Patrizia, Deutsche Wohnen, dem Hamborner REIT, der Deutschen EuroShop oder der niederländischen Unibail-Rodamco. Hier steht weniger eine stürmische Kursentwicklung als vielmehr eine berechenbare sichere Dividende im Vordergrund. Viele dieser Gesellschaften kaufen mangels Anlagealternativen immer teurere Objekte zu, bei momentan noch niedrigen Zinsen und abnehmenden Mietrenditen. Eine Zinswende wirkt hier als „Damoklesschwert“: Kluge Anleger schauen bei diesen vermeintlich „sicheren“ Werten genau hin und steigen rechtzeitig aus.

Die genannten Kapitalanlagen stellen lediglich eine Anregung – und keine Empfehlung – dar! Überprüfen Sie Ihre Investitionsentscheidungen stets sorgfältig!

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(24):4-4