Marco Benz
Wenn Sie Ihren Ertrag steigern wollen, ist es von wesentlicher Bedeutung zu wissen, ob der Standort Ihrer Apotheke noch über weiteres Umsatzpotenzial verfügt – oder ob die eigenen Potenziale bereits vollständig ausgeschöpft sind und zusätzliche Umsätze nur mit erheblichen Aufwendungen im Bereich Marketing vom Wettbewerber geholt werden können.
Und wenn Sie eine Apotheke neu gründen oder übernehmen wollen? Dann sollten Sie natürlich vor der Unterschrift unter den Kauf- bzw. Mietvertrag bereits wissen, dass der ausgewählte Standort über ein so großes Umsatzpotenzial verfügt, dass Sie Ihre Unterschrift guten Gewissens leisten können!
Da heißt es: Von den Großen lernen – nicht nur von denjenigen im pharmazeutischen Markt, sondern auch von den Big-Playern im Lebensmitteleinzelhandel und den Drogeriemarktketten. Ohne Geomarketing mitsamt speziellen Berechnungsmodellen wird dort keine Standortentscheidung getroffen, die mit der Investition von siebenstelligen Beträgen einhergeht!
Häufig aber schauen Apotheker, die sich an einem neuen Standort niederlassen wollen, lediglich danach, ob Ärzte und vielleicht noch einige weitere Frequenzbringer in der Nähe angesiedelt sind. Für ein erstes Gefühl hinsichtlich des Standorts ist das wohl in Ordnung, aber für eine Investitionsentscheidung in mittlerer sechsstelliger Höhe sicherlich nicht ausreichend.
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Wie geht man vor?
Durch den Einsatz eines Gravitationsmodells ergibt sich die Möglichkeit, die Umsatzpotenziale eines beliebigen Standorts IT-basiert zu berechnen. Darüber hinaus kann auch ermittelt werden, wie sich die Eröffnung oder die Verlagerung einer Apotheke auf das eigene Umsatzpotenzial auswirkt.
Es gibt verschiedene Wege, eine Umsatzpotenzialanalyse durchzuführen. In diesem Beitrag wird beispielhaft eine Lösung vorgestellt. Dazu gilt es zunächst, die folgenden Faktoren zu bestimmen:
- maximales Einzugsgebiet der Apotheke – hier definiert über die zeitliche Erreichbarkeit (in Geh- bzw. Fahrminuten), und nicht über den Radius oder die Gemeinde,
- Wettbewerber-Apotheken im Einzugsgebiet,
- Distanzen, die die Einwohner zu den Apotheken (inklusive der eigenen) zurücklegen müssen,
- Anzahl der Einwohner je Altersklasse und
- durchschnittliche Gesundheitsausgaben der Einwohner je Altersklasse.
Im nächsten Schritt werden für unterschiedliche Zonen im Einzugsgebiet die Abschöpfungswahrscheinlichkeiten festgelegt. Dazu wird hier das sogenannte „Huff“-Modell genutzt. Diesem zufolge steigt die Abschöpfungswahrscheinlichkeit umso stärker an, je näher der einzelne Einwohner am Apothekenstandort wohnt. In Abhängigkeit vom gewählten Einzugsgebiet (z.B. zwölf Gehminuten) wird etwa ein Einwohner, der eine Gehminute von der Apotheke entfernt wohnt, diese mit einer Wahrscheinlichkeit von 82% aufsuchen, und ein Einwohner, dessen Distanz zur Apotheke neun Gehminuten beträgt, nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 14%. Diese Wahrscheinlichkeiten sind natürlich stark von den Wettbewerbern und deren Entfernungen zu den Einwohnern abhängig.
Anschließend ermittelt man für jede Zone das insgesamt (also für alle Apotheken) vorhandene Umsatzpotenzial. Dieses ergibt sich aus den Gesundheitsausgaben der Einwohner je Altersklassen multipliziert mit der Anzahl der Einwohner in dieser Altersklasse. Multipliziert man dieses insgesamt vorhandene Potenzial je Zone mit der entsprechenden Abschöpfungswahrscheinlichkeit, ergibt sich das Umsatzpotenzial der zu betrachtenden Apotheke in der Zone. Das Umsatzpotenzial dieser speziellen Apotheke im gesamten Einzugsgebiet schließlich erhält man, indem man ihre Umsatzpotenziale für alle Zonen aufaddiert.
Übrigens: Der Kaufkraftzufluss spielt bei der Berechnung im Modell auch eine Rolle. Im Rahmen dieses Beitrags allerdings wird er um der Vereinfachung willen vernachlässigt.
Praxisbeispiel
Apotheker A möchte wissen, wie hoch sein Umsatzpotenzial im Einzugsgebiet ist und wie es sich entwickeln wird, wenn in der Nachbarschaft eine neue Apotheke eröffnen würde. Sein Umsatz im letzten Geschäftsjahr: 1.525.000 €.
Für das definierte (in drei Zonen unterteilte) Einzugsgebiet wird dann das gesamte Umsatzpotenzial der Apotheke A unter Berücksichtigung des Wettbewerbers B berechnet (Abb. 1a). Es beträgt 1.687.466 €. Damit hat Apotheker A seine Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft: Er könnte vielmehr einen um 162.466 € (1.687.466 € – 1.525.000 €) höheren Umsatz erzielen.
Anschließend wird simuliert, wie sich die Eröffnung einer zusätzlichen Apotheke C auf das Umsatzpotenzial von Apotheke A (und auch Apotheke B) auswirken würde (Abb. 1b): Das Ergebnis zeigt, dass Apotheke A rund 28% und Apotheke B rund 37% des Potenzials an Apotheke C abgeben würden. Durch den neuen Wettbewerber wird Apotheker A (ebenso wie auch Apotheker B) einen Umsatzrückgang hinnehmen müssen, der existenzgefährdend sein könnte. Beachtet werden muss allerdings, dass das Umsatzpotenzial von Apotheke C bei nur 1.173.308 € läge. Insofern ist es fraglich, ob die Apotheke überhaupt eröffnet würde.
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Fazit
Durch Geomarketing lassen sich heute viele Fragen zum Standort zügig beantworten. So können Ihnen z.B. die Ergebnisse einer Umsatzpotenzialanalyse zeigen, ob und wieweit sich Ihr derzeitiger Umsatz noch steigern lässt. Hilfreich sind die Ergebnisse überdies bei der Überlegung, ob sich eine Neueröffnung bzw. Übernahme lohnt. Damit das ermittelte Potenzial jedoch nicht nur eine Wunschzahl bleibt, müssen Sie Maßnahmen u.a. zur Kundenbindung bzw. Neukundengewinnung entwickeln.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(24):12-12