Aktuelles zur Umsatzsteuer

Das sollten Sie jetzt wissen


Helmut Lehr

Als Unternehmer dürfen Sie nicht nur die Einkommenssteuer im Blick haben, sondern müssen auch über die Umsatzsteuer stets aktuell informiert sein. Diese Steuer ist nämlich schon längst nicht mehr nur ein durchlaufender Posten, sondern kann zu echten Mehrbelastungen führen.

Der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen hängt in erster Linie davon ab, ob die zugrundeliegenden Rechnungen ordnungsgemäß sind. Deshalb sollten Eingangsrechnungen stets zeitnah überprüft werden – am besten mithilfe einer Checkliste (vgl. AWA 20/2016).

In der jüngeren Vergangenheit war umstritten, ob auch solche Rechnungen zum Vorsteuerabzug berechtigen, die nicht die „richtige“ Anschriftdes leistenden Unternehmers bzw. nur (s)einen „Briefkastensitz“ enthalten. Deshalb wurde auch empfohlen, Rechnungen, aus denen z.B. lediglich die Postfach-Adresse des Rechnungsausstellers hervorgeht, nicht zu akzeptieren (vgl. AWA 16/2016).

Der Europäische Gerichtshof hat jetzt erfreulicherweise für Klarheit gesorgt und entschieden, dass in einer Rechnung als Anschrift des Leistenden nicht zwingend der Ort seiner wirtschaftlichen Tätigkeit angegeben sein muss: Es genügt die postalische Erreichbarkeit – und somit auch eine „Briefkasten-Adresse“ (vgl. Urteile vom 15.11.2017, Aktenzeichen: C-374/16 und C-375/16). Sinnvoll ist dies gerade auch, weil es mit zunehmender Digitalisierung z.T. ohnehin immer schwerer wird festzustellen, wo denn genau ein Unternehmen wirtschaftlich tätig ist.

Hinweis: Sollte die Finanzverwaltung in laufenden Betriebsprüfungen bzw. offenen Verfahren den Vorsteuerabzug wegen der Angabe eines Briefkastensitzes bzw. einer Postfach-Adresse des leistenden Unternehmers noch verweigern, sollten Sie auf die aktuellen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs hinweisen. Alternativ können Sie prüfen, ob eine rückwirkende Rechnungskorrektur durch den Aussteller noch möglich ist und sich das Finanzamt auf diese Weise zufriedenstellen lässt (vgl. AWA 21/2016).

Umsatzsteuerpflichtiger Grundstücksverkauf

Auch wer ein Geschäftshaus bzw. „Gewerbeobjekt“ veräußern möchte, muss immer die Umsatzsteuer im Blick haben. Grundstücksveräußerungen sind zwar grundsätzlich umsatzsteuerfrei (vgl. §4 Nr. 9 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz). Auf diese Steuerfreiheit kann allerdings optional verzichtet werden. Ein solcher Verzicht ergibt immer dann Sinn, wenn das Gebäude zuvor umsatzsteuerpflichtig genutzt worden ist (z.B. als eigene Apotheke oder bei Vermietung an einen anderen Gewerbetreibenden). In solchen Fällen wurde nämlich regelmäßig der Vorsteuerabzug aus den Objektkosten (Anschaffung/Herstellung, Renovierung, laufende Unterhaltung etc.) geltend gemacht.

Eine umsatzsteuerfreie Veräußerung würde dann womöglich dazu führen, dass beträchtliche Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurückzuzahlen wären, sofern der zehnjährige Vorsteuerberichtigungszeitraum im Zeitpunkt der Veräußerung noch nicht abgelaufen ist.

Besonders tückisch dabei ist: Bei vielen Immobilien gibt es nicht nur den einen Vorsteuerberichtigungszeitraum, der regelmäßig mit der Anschaffung/Herstellung des Objekts beginnt. Vielmehr kann durch spätere Erhaltungsmaßnahmen der Beginn zusätzlicher Berichtigungszeiträume ausgelöst werden, die ebenfalls jeweils zehn Jahre lang zu beachten sind.

Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung kann nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums nur noch im ursprünglichen, notariellen Grundstückskaufvertrag wirksam erklärt werden (vgl. Schreiben vom 02.08.2017, Aktenzeichen: III C 3 – S 7198/16/10001). Ein späterer Verzicht ist unwirksam, selbst wenn er nachträglich noch notariell beurkundet werden sollte.

Das bedeutet: Der Verkäufer muss sich beim Gang zum Notar endgültig darüber im Klaren sein, ob er auf die Umsatzsteuerfreiheit verzichtet oder nicht. Deshalb sollte frühzeitig zusammen mit dem steuerlichen Berater geprüft werden, ob und ggf. in welcher Höhe Vorsteuerbeträge aufgrund eines umsatzsteuerfreien Objektsverkaufs an das Finanzamt zurückzuzahlen wären.

Hinweis: Möchte der Käufer das Objekt allerdings nur umsatzsteuerfrei erwerben, um seinerseits Vorsteuerrisiken zu vermeiden, sollte geprüft werden, ob durch eine angemessene Erhöhung des Kaufpreises etwaige Vorsteuernachteile des Veräußerers (Rückzahlungen an das Finanzamt) ausgeglichen werden können.

„Privatbereich“: Glücksspiele und Preisgelder

Online-Pokern und andere Glücksspiele im Internet werden immer beliebter – natürlich auch beim Fiskus. Wer hier Preisgelder erzielt, muss sich ebenfalls fragen, ob dafür Umsatzsteuer fällig wird. Der Bundesfinanzhof hat kürzlich entschieden, dass Gewinne bei Pokerturnieren nicht der Umsatzsteuer unterliegen, wenn bzw. weil Auszahlungen nur im Erfolgsfall stattfinden und deshalb zunächst ungewiss sind (Urteil vom 30.08.2017, Aktenzeichen: XI R 37/14). Nach Ansicht der obersten Steuerrichter muss insoweit stets geprüft werden, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung (z.B. Poker-Spielen) und Gegenleistung (Gewinne) besteht. Sobald die Auszahlung von Unwägbarkeiten (Spielglück bzw. -erfolg) abhänge, könne dieser unmittelbare Zusammenhang grundsätzlich verneint werden.

Hinweis: Die Entscheidung hat nicht nur Bedeutung für den Online-Spielebereich, sondern generell für eine Vielzahl von Turnieren, Wettbewerben und Glücksspielen. So hat der Europäische Gerichtshof bereits entschieden, dass auch Preisgelder für die Teilnahme an Pferderennen nicht der Umsatzsteuer unterliegen (vgl. Urteil vom 10.11.2016, Aktenzeichen: C-432/15). Die einkommensteuerliche Behandlung muss allerdings gesondert geprüft werden.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(01):13-13