Eine Frage der wahrgenommenen Preisfairness

Welchen Einfluss Preis und Qualität auf das Kaufverhalten haben


Andreas Kinzel

Es ist nicht immer einfach einzuschätzen, welche Preise Kunden für bestimmte Produkte zu zahlen bereit sind. Im Folgenden erfahren Sie, inwieweit Preise für das Kaufverhalten eine Rolle spielen und worauf Sie bei Ihrer Angebots- und Preisgestaltung achten sollten.

Sicherlich kennen Sie die Situation: Dem Kunden ist die Packung Ibuprofen zu teuer, obwohl er gleichzeitig einen Coffee-to-Go für mindestens denselben Preis in der Hand hält. Schon hieran zeigt sich, dass Preise immer eng mit Wertschätzung und Emotionen verbunden sind. Was dem Kunden eine Packung Ibuprofen wert ist, hängt in hohem Maße von der Qualität ab, die ihm das Produkt in dem Moment bietet, in dem er es kaufen will.

Empfindet der Kunde den Preis als fair?

Entscheidend für Sie ist vor allem, dass der Preis mit der Qualität und in der Folge mit dem Wert korreliert, den der Kunde einem konkreten Produkt beimisst (vgl. auch den Kasten unten). Letztlich ist es eine Frage der wahrgenommenen Preisfairness: Empfindet der Kunde den verlangten Preis als fair für das, was er dafür erhält? Das gilt übrigens unabhängig davon, wie preissensibel der Kunde ist.

Den Wert definiert der Kunde über die einzelnen Eigenschaften (Vor- und Nachteile), die das konkrete Produkt für ihn hat. Dabei sind ihm allerdings oftmals diejenigen Vorteile nicht bewusst, die dazu führen, dass der Preis höher liegt als bei einem „Konkurrenzprodukt“. Das gilt insbesondere für Unterschiede in Sachen Galenik: Der Kunde sieht bei vielen Präparaten nämlich primär nur den gleichen Wirkstoff. Hier ist somit Ihre Kompetenz als Apotheker gefragt. Erläutern Sie, warum der Preis höher ist – z.B. weil die Wirkung schneller eintritt (wie bei Ibuprofen mit Lysin) oder weil sich das Medikament leichter einnehmen lässt (wie bei Lingualtabletten).

Dabei hilft es, die Vorteile aller Alternativen zu nennen. Wenn beispielsweise zwei Ibuprofen-Präparate zur Auswahl stehen, sollten Sie nicht fragen: „Normal oder schneller wirkend?“, sondern eher: „Günstiger oder schneller wirkend?“ Der Kunde kann dann die Vorteile gegeneinander abwägen. Im Idealfall entscheidet er sich für das schneller wirkende Präparat mit dem höheren Preis. Sie profitieren dann von der meist höheren Gewinnmarge, haben aber gleichzeitig – zumindest in der unterbewussten Wahrnehmung des Kunden – durch Offenheit, Ehrlichkeit und Authentizität gepunktet.

Die Wahrnehmung von Preisen kann überdies situationsabhängig sein. Gerade bei Arzneimitteln spielen der Leidensdruck bzw. der Wunsch nach schneller Genesung eine wesentliche Rolle. So wird ein Kunde beispielsweise im Notdienst Preise anders wahrnehmen als im Alltag, wenn er schneller auf Alternativen aus anderen Einkaufsstätten zurückgreifen kann.

Welche Rolle spielt die Marke?

Für die vom Kunden wahrgenommene Preisfairness hat auch die Marke des Produktes einen hohen Stellenwert. Steht die Marke für Qualität? Rechtfertigt sie einen hohen Preis?

Bestimmte Marken können bei bestimmten Kunden bestimmte Emotionen hervorrufen. Die Kunden verbinden etwas Positives mit der Marke und fühlen sich „sicher“, wenn Sie entsprechende Produkte kaufen: Sie sind überzeugt, dass Ihnen die Marke einen Mehrwert liefert, und zahlen in der Folge auch gerne mehr.

Viele Kunden suchen so nach starken Marken, von denen Sie sich z.B. eine hohe Wirksamkeit versprechen. Einige von ihnen legen zudem Wert auf das gute Image mancher Marken. Den höheren Preis empfinden Sie als „positive Abrundung“.

Und welche Rolle spielt Ihre Apotheke?

Auch die Apotheke selbst kann einen Einfluss auf die wahrgenommene Preisfairness haben. Sorgen Sie deshalb dafür, dass sich der Kunde bei Ihnen wohl fühlt. Das gelingt z.B. mit einer adäquaten Einrichtung und Raumgestaltung sowie mit angenehmen Gerüchen. Wichtiger ist allerdings noch, wie Sie mit dem Kunden umgehen. Hier spielt es beispielsweise eine Rolle, wie kompetent und wie empathisch Sie beraten, sowie auch, wie viel Zeit Sie sich nehmen. Wenn der Kunde hoch schätzt, was Sie ihm in Ihrer Apotheke bieten, dann ist er auch bereit, einen höheren Preis zu zahlen.

Sollten Sie nur hochpreisige Produkte anbieten?

Produkte aus Apotheken sind prinzipiell hochpreisiger als diejenigen mancher Wettbewerber. Denken Sie bei Kosmetika beispielsweise an diverse Drogeriemärkte. Allerdings weisen Ihre Produkte in der Regel auch eine höhere Qualität auf – zum einen durch ihre Beschaffenheit (z.B. ihre Zusammensetzung), zum anderen auch durch das „Drumherum“ – nämlich die persönliche und fachkompetente Beratung durch das Apothekenpersonal. Die Qualität bestimmt, definiert und rechtfertigt den Preis.

Nichtsdestotrotz sollten Sie nicht nur hochpreisige Produkte anbieten, sondern beispielsweise auch typische und standardisierte Mitnahmeartikel wie Traubenzucker, Handhygiene-Gele oder Kondome vorrätig haben: Ihr Zeitaufwand für die Beratung bei diesen Produkten ist geringer. Die Aufschläge allerdings sind es auch.

Wenn Sie derartige Produkte jedoch unter einem bestimmten Schwerpunkt – z.B. „Kosmetik“ – präsentieren, haben Sie hier gleichzeitig wieder die Möglichkeit, auch hochpreisigere Marken anzubieten – bei einer entsprechend fachkompetenten Beratung natürlich.

Je nach Kundschaft können Sie zudem verstärkt Marken anbieten, die für Qualität zum kleinen Preis stehen, so z.B. klassische Generika. Ebenso lohnt es sich oft, auf bestimmte Hersteller und Linien zu setzen. Bei hohen Einkaufsvolumina erhalten Sie günstigere Einkaufspreise, die Sie dann an Ihre Kunden weitergeben können.

Außerdem kann es sich auszahlen, generell mit reduzierten Preisen zu arbeiten: So ist es sinnvoll, „Restposten“ vergünstigt zu verkaufen, wenn Sie Ihr Sortiment umstellen. Ebenso können Sie zeitlich begrenzte Sonderangebote oder Dauertiefpreise für bestimmte Produkte oder Linien anbieten. Damit gelingt es Ihnen, Kunden in Ihre Apotheke zu locken.

Allerdings: Wenn Sie dauerhaft hohe Qualität zum kleinen Preis anbieten, sinkt beim Kunden die Qualitätswahrnehmung – im Hinblick sowohl auf das Produkt als auch auf Ihre Apotheke. Letztlich werben Sie so um Schnäppchenjäger, bei denen Sie durch die niedrigen Margen nur wenig Gewinn generieren können. Und: Ziehen Sie die Preise an, ziehen diese Kunden meist weiter.

Sie sollten immer daran denken, dass jeder Preisdumping betreiben kann. Sich durch Qualität auszuzeichnen ist hingegen viel schwieriger!

Auf was Sie sonst noch achten sollten

Stimmen Sie Ihre Sortiments- und Preisgestaltung stets auf Ihre Kundschaft ab. Von Bedeutung ist dies vor allem deshalb, weil Sie und Ihre Mitarbeiter in persönlich-emotionalem Kontakt mit Ihren Kunden stehen!

Außerdem sollten Sie im Gespräch zu erkennen versuchen, ob dieser eine Kunde, der gerade vor Ihnen steht, eher Wert auf den Preis oder auf die Qualität legt. Hierauf können Sie dann Ihre Beratung abstimmen.

Wichtig ist es schließlich, dass die Empathie und der Zeitaufwand, die Sie in die Beratung investieren, mit dem Preis des entsprechenden Produktes korrelieren.

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(01):9-9