Prof. Dr. Reinhard Herzog
Besorgnis bestimmt die Branche: Das Honorargutachten der Agentur 2HM erschreckt, der Rx-Versand ist eine offene Wunde, der künftige gesundheitspolitische Kurs noch nicht absehbar. Da kommt Skepsis auf, wenn man sich über ein mögliches Lebenseinkommen unterhält. Doch blicken wir fast 50 Jahre zurück. 1970 machte die seinerzeit westdeutsche Apothekenbranche ca. 10 Mrd. DM Umsatz, die Durchschnitts-Apotheke lag damals um 850.000 DM (430.000 €), mit allerdings 40% Rohertragsmarge. Im laufenden Jahr werden die jetzt gesamtdeutschen Apotheken die 50-Mrd.-Euro-Grenze durchstoßen haben, und die statistische Durchschnitts-Apotheke wird bei gut 2,6 Mio. € liegen. Zieht man Speziallabore und Versand ab, sind es immer noch 2,3 bis 2,4 Mio. €, bei allerdings nur noch rund 24% Spanne (in den neuen Bundesländern sogar 1,5 bis 2%-Punkte weniger, im Westen unwesentlich mehr).
Trotz dieses Margenverfalls sind die absoluten Roherträge des Gesamtmarktes Jahr für Jahr gestiegen, wenige Reformjahre ausgenommen. Je Apotheke sieht es noch besser aus, seit die Apothekenzahl Jahr für Jahr um gut 1% sinkt (Abb. 1; Daten nach ABDA und eigene Berechnungen bzw. Prognosen). Der Wermutstropfen: In den letzten Jahren schneiden die Spezialversorgung (Sterillabore) sowie der Versand ein immer größeres Stück von diesem Rohertragskuchen ab.
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In den Jahren seit 1970 mussten unzählige Reformen und regulatorische Eingriffe in den Apothekenmarkt verdaut werden: Wir hatten Zeiten mit fünf Mio. Arbeitslosen und hohen Staatsdefiziten, Zeiten mit über 5% Inflation – und die Apotheken haben insgesamt auch dies ganz achtbar überdauert. Schauen wir über die Grenzen, gibt es weltweit Apotheken: Nirgends sind sie bislang wegrationalisiert, und fast überall erzielen selbstständige Apotheker(innen) ein gemessen an der Durchschnittsbevölkerung deutlich überdurchschnittliches Einkommen. Selbst wenn die Branche in den kommenden Jahren im Zuge der Digitalisierung und diverser therapeutischer Revolutionen vor Herausforderungen und Umbrüchen steht, kann man angesichts des wachsenden Gesundheitsmarktes durchaus Langfristbetrachtungen im Sinne eines erzielbaren Lebenseinkommens anstellen.
Sehr viel hängt vom persönlichen Geschick ab – was die Betriebsführung, aber eben auch den Umgang mit dem erwirtschafteten Kapital und die persönliche Lebensführung angeht. So verflüchtigen sich alle schönen Einkünfte, wenn Scheidungen und Rosenkriege dazwischenfunken oder schwere Erkrankungen hochtrabende Pläne verunmöglichen.
Eigene Lebensgestaltung
Das haben Sie zu einem gewissen Grad selbst in der Hand. Das Thema Lebenseinkommen ist also sinnvollerweise in einem persönlichen „Lebens- und Risikokontext“ zu betrachten. Wer so zumindest die größten Sünden und Dummheiten der persönlichen Lebensgestaltung vermeidet (ohne sich gleich selbst kasteien zu müssen), ist schon einen entscheidenden Schritt weiter. Es liegt viel in Ihrer Hand, z.B. ob Sie mit einem 25%igen 10-Jahres-Herzinfarkt- oder Diabetes-Risiko leben oder ob sich durch drei Scheidungen quälen.
Um am Ende des Lebens eine positive Bilanz ziehen zu können, bedarf es dreier Säulen: die der Einkünfte, die der Ausgaben mit Vernunft und Augenmaß und jene dritte, was man schließlich aus den Überschüssen macht.
Der letzte Punkt ist enorm wichtig. Es gibt eine Vielzahl von Hochverdienern, die mit einer erstaunlich bescheidenen (finanziellen) Lebensbilanz in den Ruhestand treten. Hierfür ursächlich sind eine ungenügende Ausgabenkontrolle, eine geringe Affinität zum Thema Kapitalanlage sowie teils irrationale Sicherheitsbedürfnisse, die sich in teuren „Luxus-Versicherungen“ ohne adäquaten Gegenwert niederschlagen. Ein weiterer häufiger „Lebensbilanz-Killer“ ist die Affinität zu (überteuerten) Immobilien insbesondere im privaten Wohnumfeld. Immobilien als Anlagemodell sind nicht per se schlecht, verlangen aber aufgrund ihrer Eigenschaft, typische „Klumpenrisiken“ zu bergen, besonderes Augenmerk.
Um etwas aus den Einnahmen zu machen, ist also ein steter „Free Cashflow“ zur freien Anlage anzustreben. Schon 100 € regelmäßig monatlich angelegt ergeben über 30 Jahre bei 3% Rendite am Ende nominal rund 58.000 €, bei 5% 81.500 € und bei 7,5% gar 128.000 € (letzteres lässt sich langfristig durchaus am Aktienmarkt realisieren), jeweils gemindert um den Kaufkraftschwund und eventuelle Steuern.
Doch nun zu den Einnahmen. Beispielhaft haben wir drei Berufswege gegeneinander gestellt und die möglichen Lebenseinkommen verglichen (Tabelle 1):
- Angestelltentätigkeit in der Apotheke: zwei Jahre etwa 15% über Tarif, dann fünf Jahre Filialleiter zu 70.000 € brutto jährlich, dann nochmals außerordentliche Steigerung auf 80.000 € = Endstufe; danach nur noch übliche, in etwa tarifliche Erhöhungen.
- Eine typische Industrielaufbahn, jedoch keine außergewöhnliche Karriere: Beginn mit 70.000 € brutto für drei Jahre, Beförderung auf 90.000 € für sechs Jahre, 110.000 € für acht Jahre, dann Sprung auf 130.000 € für zehn Jahre sowie die Endposition mit 150.000 € für weitere ca. zehn Jahre bis zur Rente.
- Eine aus heutiger Sicht gut durchschnittliche Apotheke im Umsatzbereich um 2,4 Mio. €, Rohertrag 600.000 €, Gesamtinvestition 720.000 €, Gesamttilgung über zwölf Jahre mit 60.000 € jährlich. Danach soll etwa 25 Jahre schuldenfrei „geerntet“ werden können, wobei aus dem höheren Einkommen eine angemessene Rücklage von 24.000 € jährlich für Ersatzinvestitionen und Modernisierungen gebildet werden soll.
Die Betrachtung soll stets um das 30. Lebensjahr beginnen und bis etwa 67 Jahre (regulärer künftiger Renteneintritt) dauern.
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Dabei werden grundsätzlich Nettoeinkünfte auf der Grundlage branchenüblicher Kosten- und Ertragswerte ermittelt. Der einfacheren Vergleichbarkeit wegen erfolgen die Steuerabzüge auf Basis eines Ledigen.
Wer die Einkünfte aus der Apotheke im Detail nachvollziehen möchte, kann dies mittels einer einfachen Excel-Simulation zum Download tun. Es wird vereinfacht unterstellt, dass sich alle Einkünfte etwa im Rahmen der Inflation fortentwickeln, was in der langfristigen Vergangenheit sowohl bei Angestellten als auch bei einigermaßen gut im Markt liegenden Apotheken erzielt oder gar übertroffen wurde. Damit sind die dargestellten Werte auf etwa heutigem Kaufkraftniveau zu betrachten (Tabelle 1).
Die eigene Apotheke bietet in diesem Vergleich selbst zur durchaus erfolgreichen Industrielaufbahn einen Nettovorteil von rund einer Million Euro zuzüglich eines möglichen Verkaufs- bzw. Pachterlöses sowie der Option, die Apotheke über die gesetzliche Rentengrenze nach freiem Ermessen hinaus weiter zu betreiben.
Gar nicht berücksichtigt sind mögliche Expansionsoptionen (Filialen), welche das Einkommen erheblich steigern können. Ehrlicherweise kann der Zug natürlich auch in die andere Richtung laufen: Umsatzrückgänge, Verlust von Standortqualitäten, Ertragsminderungen aller Art, politische Eingriffe.
Dagegen steht bei Angestellten stets das Risiko des Arbeitsplatzverlustes, in höherem Lebensalter mit teils existenziellen Konsequenzen. Da stellt sich ein eventueller, wenn auch empfindlicher Gewinnrückgang als weitaus erträglichere Variante dar.
Nebenbei: Mit einer mittleren (Land-)Apotheke um 1,6 bis 1,8 Mio. € Umsatz erzielen Sie noch eine ähnliche Einkommensbilanz wie mit der o.a. Industrielaufbahn. Mit deutlich weniger Umsatz unterschreitet man aber heute schnell selbst die Bilanz eines Apothekenangestellten.
Weitere Erfolgsbausteine
Wenn Sie sich an das oben Gesagte zum „Free Cashflow“ erinnern und Ihre zusätzlichen Einkünfte klug anlegen, dann ist bei z.B. 1.000 € Rücklage im Monat die zusätzliche halbe oder gar ganze Million im Alter gar nicht so weit weg! Denken Sie daran: „Mehr nachdenken, weniger arbeiten“. Sowie an das Motto von John D. Rockefeller: „Wer den ganzen Tag arbeitet, hat keine Zeit, Geld zu verdienen!“
Vergessen Sie bei alldem nicht die Pflege Ihres nicht-monetären Kapitals in Form der Familie und Ihrer Netzwerke. Hakt es dort, wird es nämlich auch monetär teuer – und kräftezehrend dazu. Hierfür benötigen Sie Zeit und Ressourcen, deren Gestaltung Sie aber als Selbständiger freier gestalten können als z.B. ein sich im fremdbestimmten Hamsterrad drehender Angestellter des mittleren Managements in der Industrie.
Fazit
Die eigene Apotheke ist unter den Aspekten des Lebenseinkommens und der Lebensgestaltung trotz Widrigkeiten aus heutiger Sicht immer noch interessant – sofern Lage und Umfeld zukunftsfähig sind. Andernfalls drohen frustrierende „Sackgassen-Existenzen“ – und das Risiko hierfür ist ebenfalls gestiegen, zumal die guten „Apothekenplätzchen“ in aller Regel besetzt sind.
Setzen Sie sich möglichst früh mit dem Thema „Lebenseinkommen“ auseinander. Hier können Sie noch Weichen stellen. Mit zunehmendem Alter wird es immer schwieriger, falsche Weichenstellungen auszubügeln. Zum Ende des Berufslebens muss man besonders achtgeben, das Erreichte nicht aufs Spiel zu setzen. Denn eine weitere Chance gibt es dann nicht mehr. Zur Planung gehört immer ein persönliches Risikoprofil, welches man alters- und chancenangepasst stets neu justieren sollte.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(03):4-4