Einheitliches Vertragswerk

Grunderwerbsteuer nachträglich mindern


Helmut Lehr

Wer ein Grundstück mit fertigem Bebauungskonzept erwirbt, läuft Gefahr, Grunderwerbsteuer auch auf die Baukosten zu zahlen. Nachträgliche Minderungen des Werklohns sollten dann aber dem Finanzamt angezeigt werden, um die Steuerbelastung wenigstens etwas zu reduzieren.

Den Begriff des „einheitlichen Vertragswerks“ bringt die Finanzverwaltung insbesondere dann ins Spiel, wenn Bauunternehmer, Bauträger bzw. Projektentwickler Wohnhäuser bzw. Eigentumswohnungen projektieren und dabei mit dem Verkäufer des zu bebauenden Grundstücks „Hand in Hand“ arbeiten.

Für den „Häuslebauer“ bzw. Erwerber hat das zur Folge, dass die Grunderwerbsteuer – je nach Bundesland immerhin in einer Höhe bis zu 6,5% – nicht nur auf den Grundstückskaufpreis, sondern auch auf den Werklohn (Baukosten) fällig wird. Dies kann zu empfindlichen Zusatzbelastungen führen und in Einzelfällen die Finanzierung gehörig ins Wanken bringen.

Hinweis: Bevor die Grunderwerbsteuerfestsetzung auf die Baukosten akzeptiert wird, sollte der Bescheid von einem versierten Berater geprüft werden. Unter Umständen ist die Finanzverwaltung nämlich über das Ziel hinausgeschossen und der Bescheid rechtswidrig (vgl. AWA 18/2017).

Nachträgliche „Kaufpreisminderungen“

Ist die Steuerfestsetzung (auch) für die Baukosten zurecht erfolgt, muss immer geprüft werden, ob sich im Laufe der Bauphase noch Anhaltspunkte für eine Minderung des Kaufpreises bzw. des Werklohns ergeben haben. Diese können sehr unterschiedlich sein, wie das nachfolgende Beispiel zeigt.

Beispiel

Die Apotheker-Eheleute Ammann aus Nordrhein-Westfalen beauftragen einen Bauunternehmer mit der schlüsselfertigen Errichtung ihres neuen Wohnhauses (Werklohn: 350.000 €). Weil der Bauunternehmer zugleich auch das passende Grundstück zu einem Kaufpreis von 100.000 € im Auftrag eines Dritten mitvermarktet, geht das Finanzamt von einem einheitlichen Vertragswerk aus und setzt die Grunderwerbsteuer auf eine Höhe von 29.250 € (450.000 € x 6,5%) fest.

Im Werkvertrag ist eine Vertragsstrafe von 500 €/Woche bei einer Terminüberschreitung festgelegt. Außerdem dürfen die Eheleute einzelne Gewerke (Maler- und Tapezierarbeiten sowie Fußboden) selbst erstellen.

Nach dem Bauende ergibt sich folgendes Bild:

  • Wegen fünfwöchiger Terminüberschreitung bei der Baufertigstellung kürzen die Eheleute den Werklohn zutreffend um 2.500 €.
  • Für tatsächlich erbrachte Eigenleistungen einigt man sich mit dem Bauunternehmer auf eine Herabsetzung des Werklohns um 7.500 €.
  • Wegen bestehender Mängel bei Abnahme werden weitere 10.000 € zurückbehalten.

Beurteilung der einzelnen „Kürzungen“

Die Vertragsstrafe wegen Terminüberschreitung ist grundsätzlich als Schadensersatz einzustufen. Entsprechende Vereinbarungen sichern lediglich die Erfüllung der Hauptverpflichtung und stehen in keinem kausalen Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang (vgl. Bruschke, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht, Heft 12/2017, S. 380f.). Vor diesem Hintergrund dürfte eine solche Zahlung („Aufrechnung“) vom Finanzamt nicht als Kaufpreisminderung anerkannt werden.

Eigenleistungen, die ausschließlich dem Erwerber nützen und den Werkvertrag nicht tangieren, dürften ebenfalls zu keiner Minderung der Grunderwerbsteuer führen. Im Beispiel ist allerdings davon auszugehen, dass die Eigenleistungen auch dem Bauunternehmer nutzen (ersparte Aufwendungen): Schließlich wurden sie ausschließlich im Bauvertrag vereinbart. Letztlich handelt es sich um eine Modifizierung des Vertragsinhalts, die zu einer Minderung des Werklohns führt.

Der Einbehalt wegen Baumängel gehört zunächst weiterhin zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Schließlich kann der Bauunternehmer die Mängel beseitigen und dann seinen Anspruch auf Zahlung der Restsumme geltend machen. Werden die Mängelbeseitigung verweigert und der Sicherungseinbehalt definitiv nicht mehr ausgezahlt, ist hierin allerdings eine echte Minderung des Werklohns („Kaufpreis“) zu sehen.

Hinweis: Für den Beispielfall bedeutet dies, dass die Eheleute die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nachträglich um 17.500 € (7.500 € + 10.000 €) mindern könnten, sofern der Bauunternehmer die Mängel endgültig nicht beseitigt. Das spart Grunderwerbsteuer in Höhe von immerhin 1.137,50 € (17.500 € x 6,5%).

Antrag beim Finanzamt erforderlich

In vergleichbaren Fällen wird die Finanzverwaltung nicht von sich aus reagieren: Vermutlich hat sie von der später tatsächlich eingetretenen Werklohnminderung keine Kenntnis. Außerdem ist der Grunderwerbsteuerbescheid womöglich bereits bestandskräftig.

Das Gesetz sieht allerdings ausdrücklich eine Änderungsmöglichkeit vor, wenn die Gegenleistung für das bebaute Grundstück (hier also der Werklohn) innerhalb von zwei Jahren herabgesetzt wurde und der Steuerpflichtige einen Antrag stellt (vgl. §16 Absatz 3 Grunderwerbsteuergesetz).

Hinweis: Der Antrag selbst ist innerhalb eines Jahres nach der Herabsetzung der Gegenleistung beim Finanzamt einzureichen. Um einen entsprechenden Nachweis in Händen zu halten, sollte der Antrag selbstverständlich schriftlich erfolgen.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(03):16-16