Axel Witte
Führen ist mehr als die Bewältigung des Alltagsgeschäfts. Führen heißt: Vorausschauend agieren, das Unternehmen wirtschaftlich steuern und Ziele entwickeln, festlegen sowie etappenweise realisieren.
Führung schließt Planung ein
In der Phase der Existenzgründung – gleich, ob es sich um einen Kauf oder eine Neugründung handelt – befasst sich jeder Apotheker mit Planrechnungen, wie z.B. der Umsatz-, Kosten-, Investitions- und Finanzierungsplanung. Sinn und Zweck ist es, einen Businessplan zu erstellen, um die Bank vom Konzept und der Tragfähigkeit des Vorhabens zu überzeugen. Das ist aber nur der Anfang.
Denn Planung ist Bestandteil der Führung eines Unternehmens. Das trifft uneingeschränkt auch für Apotheken zu. Erfolg setzt zunehmend betriebswirtschaftliches Know-how und die Nutzung dazugehöriger Instrumentarien voraus. In welchem Umfang das notwendig ist, hängt nicht zuletzt von der Größe und Struktur des Unternehmens ab. Bei großen Apothekenunternehmungen mit Filialen und/oder verschiedenen Geschäftsbereichen („Offizin“, Versand, Heimversorgung usw.) ist die Planung schon lange essenziell.
Natürlich stellen sich auch für jede andere Apotheke immer wieder Fragen wie:
- Welcher Umsatz ist mit welchen Kosten und Mitarbeitern im kommenden Zeitraum realisierbar?
- Reicht der geplante Gewinn aus für den Kapitaldienst, die Steuern, die Vorsorgeaufwendungen (Versorgungswerk, Krankenversicherung usw.) und die eigene Lebenshaltung?
- Müssen z.B. die Einrichtung, das Computersystem, der Fuhrpark usw. durch Investitionen erneuert/erweitert werden?
- Kann das Warenlager aufgestockt werden? Wenn ja, in welcher Höhe?
Diese Fragen stellen sich besonders im Zusammenhang mit Veränderungen am Apothekenstandort: Schließt z.B. ein Mitbewerber oder wird eine weitere Apotheke eröffnet? Oder gibt es absehbare Veränderungen bei den „Hauptverordnern“ der eigenen Apotheke (Verkauf, Erweiterung, Verlagerung, Schließung von Praxen usw.)? In jedem Falle sind die Auswirkungen auf den Ertrag zu ermitteln und notwendige Maßnahmen festzulegen. Auch Überlegungen des Apothekeninhabers im Hinblick auf eine eventuelle Standortverlagerung, Filialisierung oder gar Schließung der Apotheke/n sind undenkbar ohne Planung. Denn wirtschaftlich begründete Entscheidungen setzen Kennzahlen und Planrechnungen voraus, die den Ertrag, die Kosten, Investitionen, finanziellen Mittel usw. antizipieren.
Hinzu kommt, dass sich die Apothekenbranche selbst seit Jahren in einem Prozess tiefer Veränderungen befindet, der mit einer erheblichen wirtschaftlichen Differenzierung der einzelnen Apotheken einhergeht. Auch diese Entwicklungen machen Planrechnungen unumgänglich. Denn die Entwicklungen von Umsatz, Rohertrag und Kosten – um nur einige der Kennzahlen zu nennen – müssen miteinander korrelieren.
Weiterhin ist zu beachten, dass für viele Maßnahmen vergleichsweise lange „Reaktionszeiten“ bestehen: Wollen Sie z.B. Kundenzeitschriften, Leasing-, Miet- und Arbeitsverträge verändern oder kündigen, vergehen z.T. mehrere Monate und eventuell sogar Jahre, bis die Maßnahme wirksam wird.
Kennzahlen: Instrument der Planung
Kennzahlen ermöglichen es, die verschiedenen Leistungen, die eingesetzten Mitarbeiter sowie die materiellen und finanziellen Mittel auf das Wesentliche zu reduzieren, zu verdichten und zu analysieren. Sie sind ein bewährtes Instrument, um strategische Entscheidungen zu treffen und diese in Planzahlen zu fassen.
Allgemein unstrittig ist, dass ohne Plan und Planrechnung weder zielgerichtet noch erfolgsorientiert gearbeitet werden kann. Denn Anliegen der Planung ist es, Ziele und die dafür notwendigen Maßnahmen gedanklich möglichst genau vorwegzunehmen.
Die Planung orientiert sich im einfachsten Fall an den Kennzahlen des Vorjahres. Das ist aber zu eng gegriffen: Wichtig für die Planung ist es, Entwicklungstendenzen und -zusammenhänge anhand von Zeitreihen (etwa über einen Dreijahreszeitraum) zu erkennen. Außerdem heranzuziehen sind:
- Branchentrends,
- Trends vergleichbarer Apotheken (z.B. Ärztehaus-, Center- oder Filial-Apotheken) sowie
- Ergebnisse von z.B. Kunden-, Rezept- und Kostenanalysen.
Planung ist nicht statisch: Der regelmäßige Plan (=Soll)-Ist-Vergleich (mindestens quartalsweise) kann auch ein Nachjustieren von Kennzahlen erforderlich machen.
Plan-Ist-Vergleich: Anforderungen
Planung ist kein Selbstzweck. Die geplanten Kennzahlen sind Grundlage des Controllings. Ein regelmäßiger Plan-Ist-Vergleich ermöglicht es, unterjährig in laufende Prozesse einzugreifen, um am Ende den Erfolg des Unternehmens zu sichern. Geplante Kosten umfassen im Grunde das für den jeweiligen Zeitraum festgelegte Budget. Damit sind sie unterjährig eine Hilfe für ganz alltägliche Entscheidungen.
Die Kennzahlen in der monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) lassen erkennen, wie es seit Beginn des Wirtschaftsjahres, im Vergleich zum Vorjahr oder auch im Vergleich zur Planung „gelaufen“ ist. Damit die BWA allerdings tatsächlich einen Nutzen bringt, ist es wichtig, dass die ausgewiesenen Ist-Kennzahlen die Vorgänge sachlich richtig, vollständig und zeitgerecht widerspiegeln. Das erscheint banal. In praxi fallen jedoch immer wieder Verfahrensweisen auf, die die Aussagekraft der BWA und den Nutzen der Kennzahlen für Planung und Controlling erheblich einschränken.
Um die Authentizität Ihrer Kennzahlen in der BWA zu sichern, sind vor allem die Hinweise für die nachfolgend aufgeführten Sachverhalte zu berücksichtigen.
Umsätze
Umsätze sind buchhalterisch in dem Monat zu erfassen, in dem der Warenausgang – also die Belieferung – erfolgte. Darauf ist besonders zu achten, wenn Ware gegen Rechnungslegung abgegeben wird. Die Auswirkungen von Verschiebungen auf die Kennzahlen der Apotheke veranschaulicht das Beispiel in Tabelle 1: Hier wurden Arzneimittel im Wert von 11.000 € abgegeben. Die Fakturierung und die Verbuchung als Umsatz erfolgten erst im Februar. Dadurch stimmen in der BWA weder die Umsätze im Januar und Februar noch die sich daraus ergebenden Folgekennzahlen, wie die Wareneinsatz (WES)-Quote, der Rohertrag usw.
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Genauso ist bei der Belieferung von Rezepten zu beachten, dass die Warenabgabe und die Abrechnung des Rezeptes zeitgleich (d.h. im gleichen Monat) erfolgen. Tabelle 2 verdeutlicht am Beispiel einer sogenannten „Vorwegabrechnung“, wie Abweichungen von diesem Grundsatz die Ist-Kennzahlen in der BWA verzerren.
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Wareneinkauf
Sowohl Rechnungen als auch Gutschriften sind buchhalterisch in dem Monat zu erfassen, in dem der Zu- bzw. der Abgang der Ware erfolgt ist – in dem die Ware also folglich im Warenwirtschaftssystem verbucht wurde.
Bestandveränderungen
Entscheidend für den Rohertrag und den Ertrag der Apotheke ist nicht der Wareneinkauf, sondern der Wareneinsatz. Es gilt:
Wareneinsatz = Wareneinkauf während des Zeitraumes +/– Bestandsveränderung
Voraussetzung, um den Wareneinsatz zu kennen, ist es, dass jeweils am Ende des Monats ebenso wie zum Bilanzstichtag der Wert des Warenlagers ermittelt wird. Der jeweilige Warenbestand muss alle Artikel umfassen. Die Bestände sind immer gleich zu bewerten. Wird der zum Bilanzstichtag ermittelte Warenbestand z.B. um 5% abgewertet, dann muss das genauso monatlich erfolgen. Der bei unterschiedlicher Bewertung entstehende Fehler zieht sich letztendlich bis zum Betriebsergebnis der Apotheke durch, da die Kosten in beiden Fällen gleich sind. In Beispiel A in Tabelle 3 geht der Apothekeninhaber z.B. von einem deutlich besseren Ergebnis aus, als es de facto – nämlich in Beispiel B – ist.
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Hinweis: Vorsicht ist in der Praxis geboten, wenn der Wareneinsatz in der Buchhaltung nicht über die effektive Bestandsveränderung ermittelt wird, sondern unter Verwendung einer kalkulatorischen WES-Quote (i.d.R. derjenigen der Vergangenheit). Lag diese bspw. für die Apotheke in Tabelle 3 bei 76,6% (statt tatsächlich bei 77,2%), dann würde die BWA allein in diesem einen Monat einen um rund 800 € höheren Rohertrag ausweisen als den Ist-Wert von 28.450 €. Es gälte:
Wareneinsatz (kalkulatorisch): 125.000 € x 76,6% = 95.750 €
Rohertrag (kalkulatorisch): 125.000 € – 95.750 € = 29.250 €
Fehler – wie in diesen Beispielen – führen dazu, dass wichtige Kernkennzahlen – wie der Umsatz, der Rohertrag, die WES-Quote bis hin zum Ertrag – über Monate hinweg in der BWA unzutreffend sind. Das führt den Nutzen von Planung und Controlling ad absurdum: Fehlentscheidungen werden getroffen, Fehlentwicklungen und Handlungsbedarf zu spät erkannt. Dies ist in aller Regel mit Ertragsverlusten verbunden – was sich keiner leisten kann.
Zusammenfassung
Die Planung und das Controlling auf Basis von Kennzahlen sind wichtige Instrumente zur erfolgreichen Apothekenführung. Grundlage dafür sind nicht nur die Kennzahlen der Vergangenheit. Einzubeziehen sind vielmehr die sich verändernden Rahmenbedingungen (der Branche, am Standort usw.). Die Planung kann aber nur dann ihre Funktion erfüllen, wenn die Kennzahlen in der BWA authentisch sind.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(03):7-7