Karin Wahl
In den skandinavischen Ländern oder z.B. in Frankreich ist man beim Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ viel fortschrittlicher als hierzulande. So gibt es dort beispielsweise einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kita- bzw. Kindergartenplatz für jedes Kind sowie ein etabliertes Ganztagsschulsystem. Hieraus resultieren zum einen hohe, bevölkerungssichernde Geburtenraten. Zum anderen ist es selbstverständlich, dass Frauen durch eine umfassende Berufstätigkeit einen wichtigen Teil zur Wirtschaftsleistung beitragen.
Familie als Grund für einen „Karriereknick“?
In Deutschland hingegen besteht im Vergleich zu diesen Ländern noch sehr viel Nachholbedarf. Dies lässt sich u.a. darauf zurückführen, dass gesetzliche Regelungen und Angebote oft nur spät und zögerlich eingeführt wurden. Was nützt ein gesetzlicher Anspruch, wenn es keinen Platz und keine Betreuer in den umliegenden Einrichtungen gibt?
Frauen konnten oftmals allenfalls so lange Karriere machen, bis die „Kinderphase“ anstand. Wenn sie dann jahrelang aus dem Job ausgeschieden waren, fanden sie – so sie „wieder einsteigen“ wollten – nur sehr selten eine Arbeit, die inhaltlich oder finanziell annähernd ihrer früheren Tätigkeit entsprach. Und auch Väter, die Elternzeit beantragten, sahen sich noch vor einiger Zeit Schwierigkeiten gegenüber: Sie galten in den Betrieben als „Weicheier“ und konnten sicher sein, einen „Karriereknick“ zu erleiden.
Neben der Kindeserziehung muss natürlich auch die Pflege bedürftiger Familienmitglieder berücksichtigt werden. Ihr kommt aufgrund des demografischen Wandels ein immer höherer Stellenwert zu.
Inzwischen ist zwar Vieles auf dem Wege der Besserung, wenngleich auch nicht im Idealzustand. Deshalb gilt es, nach vorne zu schauen und den vielen gut ausgebildeten jungen Menschen – weiblich wie männlich – die Chance zu eröffnen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.
Zu diesem Thema hat die Online-Jobbörse StepStone im Frühjahr 2017 die sogenannte „Gender-Studie“ unter Fach- und Führungskräften (46% weiblich, 54% männlich) durchgeführt. Die Ergebnisse (hier exemplarisch) geben einen interessanten Überblick über die Wünsche, die beide Geschlechter haben, um Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können:
- flexible Arbeitszeiten,
- Arbeitszeitenkonten,
- Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten,
- befristete Teilzeit mit Rückkehrrecht,
- Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen sowie
- kurzfristige Kinder-/Notfallbetreuung.
Zwar lassen sich nicht alle diese Aspekte in Apotheken realisieren. Dennoch ist die Umsetzung einiger dieser Wünsche und Erwartungen durchaus nicht utopisch.
Wie Sie mit langfristig planbaren Veränderungen umgehen
Apotheken zählen zu den Wirtschaftsbetrieben mit einem extrem hohen Frauenanteil von durchschnittlich 80% bis 100%. Für sie spielt das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ deswegen eine ganz besondere Rolle. Nichtsdestotrotz sind auch männliche Mitarbeiter heutzutage häufiger tangiert, z.B. als alleinerziehende Väter oder als Verantwortliche für betagte Eltern.
Wenn es darum geht, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, ist zu unterscheiden zwischen langfristig planbaren und plötzlich eintretenden Veränderungen im Familienleben. Zu den langfristig planbaren Veränderungen gehören:
- Geburt von Kindern,
- Änderung der Tagesabläufe, wenn Kinder in die Kita oder den Kindergarten kommen, eingeschult werden, die Schule wechseln etc., sowie
- berufliche Veränderung des Partners mit Ortswechsel.
In den ersten beiden Fällen lässt sich durch Teambesprechungen sehr häufig eine für alle akzeptable Lösung finden. Wichtig ist, dass Sie die Betroffenen und – sofern sinnvoll – auch deren Partner einbeziehen. Oft ist hier schon viel gewonnen, wenn sich Ihre Mitarbeiter mit einem flexibleren Personaleinsatz einverstanden erklären. Eine interessante Lösung könnte es z.B. sein, Zweierteams aus Müttern in der gleichen Lebenssituation und mit gleichem beruflichem Status zu bilden: Beide Teammitglieder schließen sich dann bei Bedarf auf direktem Wege kurz und stellen darüber sicher, dass eines von ihnen arbeitet.
Wird ein Partner versetzt, bleibt als Option oft nur, das Arbeitsverhältnis zu beenden und schnell nach einem Nachfolger zu suchen. Animieren Sie Ihre Mitarbeiter – z.B. durch stets offene Umgangsformen – dazu, derartige Änderungen frühzeitig bekannt zu geben: Denn dann verläuft die Suche nach dem Ersatz umso stressärmer.
Was bei plötzlich eintretenden Veränderungen sinnvoll ist
Wegen der „Vorlaufzeit“ sind die langfristig planbaren Veränderungen in der Regel meist eher unproblematisch. Ganz anders sieht es mit den plötzlich eintretenden Veränderungen aus. Hierzu zählen:
- plötzlicher Tod des Haupteinkommensbeziehers, insbesondere im Haushalt einer Teilzeitkraft mit Kindern,
- unerwarteter Arbeitsplatzverlust des Haupteinkommensbeziehers, schlimmstenfalls ohne Folgebeschäftigung aus Altersgründen, sowie
- Unfall bzw. plötzliche Erkrankung eines im Haushalt oder auch allein lebenden Familienmitglieds, das damit zum Pflegefall wird.
Solche Situationen sind Bewährungsproben für den Betrieb und das Team. Einem Betroffenen wird in solchen Situationen das Wohl seiner nächsten Angehörigen immer am wichtigsten sein. Das sollte ein guter Arbeitgeber berücksichtigen und gemeinsam mit den Teamkollegen eine menschliche und finanziell zufriedenstellende Lösung anbieten wie:
- andere und flexible Arbeitszeiten mit Zeitkonto,
- Änderung der Teilzeit von vormittags auf nachmittags bzw. vice versa,
- Änderung eines Voll- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis bzw. – bei Arbeitsplatzverlust des Haupteinkommensbeziehers und soweit möglich – vice versa oder
- befristete Freistellung mit Wiedereinstiegsgarantie, sobald eine langfristig tragbare Lösung gefunden ist.
Außerdem gebieten es der Anstand und der Respekt, dem Betroffenen zunächst eine bezahlte oder – wenn aus finanziellen Gründen nicht anders möglich – eine unbezahlte Auszeit zu gewähren. Geboten ist dies auch aus Gründen der Arbeitssicherheit: Denn verzweifelte Mitarbeiter machen häufig Fehler.
Kurzfristig kann es mangels Alternativen einmal unvermeidbar sein, dass der betroffene Mitarbeiter das Smartphone in der Kitteltasche hat, um ständig erreichbar zu sein, oder dass er die andernfalls nicht betreuten Kinder mit in die Apotheke bringt und sie im Nachtdienstzimmer spielen lässt. Gehäuft und langfristig erweisen sich solche Ansätze jedoch als zumindest problematisch: Denn der Mitarbeiter wird dann nie mit seiner vollen Konzentration bei der Sache sein. Auch hier besteht die Gefahr folgenschwerer Fehler.
Fazit
Als Arbeitgeber sollten Sie gerade in Zeiten des Personalmangels versuchen, Ihren Angestellten die Möglichkeit zu geben, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Große Konzerne machen das schon seit Jahren mit speziellen Programmen vor. Natürlich haben diese Konzerne dabei bessere organisatorische und finanzielle Rahmenbedingungen als kleine Unternehmen wie Apotheken. Aber allein schon, um Ihre Zukunft zu sichern, ist es umso notwendiger, dass auch Sie als Apotheker sich kreative Lösungen einfallen lassen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(08):12-12