Thorsten Schüller
Sie heißen „Gesund leben“, „Gesund ist bunt“ oder „Linda“. Nach einer Auflistung des Bundesverbandes Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) gibt es hierzulande mehr als 40 größere Apothekenkooperationen. Insgesamt sollen rund 17.500 Apotheken Mitglied in einer solchen Vereinigung sein.
„Apothekenkooperationen sind Zusammenschlüsse von Apotheken, die rechtlich und wirtschaftlich selbständig bleiben, aber die Gemeinschaft für verschiedene Services und Leistungen nutzen“, so die Definition auf Wikipedia. Während einige Kooperationen ihre Stärken in den wirtschaftlichen Vorteilen eines gemeinsamen Einkaufs sehen, zielen andere auf abgestimmte Marketingaktivitäten ab oder versuchen, den Vertrieb über das Internet zu forcieren. Und während sich manche Kooperationen mit weniger als 100 Teilnehmern begnügen und rein regional aufgestellt sind, scharen andere mehrere tausend Apotheken um sich und treten mit einem bundesweiten bzw. sogar europäischen Anspruch auf.
Diese Unterschiede zeigen, dass die Landschaft der Apothekenkooperationen ausgesprochen inhomogen ist. Und doch dürfte ein Großteil der Apotheker in Deutschland Mitglied in der einen oder anderen Organisation sein: „Ich schätze, dass fast jede Apotheke an einer Kooperation ihres jeweiligen Großhändlers teilnimmt. Es gäbe aus meiner Sicht auch keinen Grund, es nicht zu tun“, sagt Apotheker Dr. Franz Stadler, Erding.
Vielfach sind es vor allem wirtschaftliche Gründe, die für eine Mitgliedschaft in einer Kooperation sprechen: Während sich Online- und Versandapotheken immer mehr auf dem Arzneimittelmarkt breit machen, geraten stationäre Apotheken zunehmend unter Druck. „Man muss sich heute wirtschaftlich schon strecken“, stellt Stadler fest. Die finanziellen Vorteile, die eine Kooperation biete, könnten da ein wenig Erleichterung verschaffen. So sind die Einkaufskonditionen einer Kooperation meist deutlich besser als die eines einzelnen Apothekers. Zwar sehen die Konditionen im Detail bei jeder Kooperation anders aus und sind daher kaum miteinander vergleichbar. „Aber wenn ich 5% einsparen kann, ist das schon erklecklich“, sagt Stadler.
Mehr als nur Einkaufsvorteile
Doch zeichnen sich Kooperationen lediglich durch gemeinsame Einkaufskonditionen aus? Wohl kaum! Im Vorwort zum „Kooperationskompass“ 1/2018 schreibt Redakteur Klaus Hölzel: „Der Weg zu einer wahren Kooperation ist für viele Verbundgruppen noch immer sehr weit. Sie nennen sich zwar Kooperation, sind aber lediglich Einkaufs-Geschäftspartner. Das kann für beide Seiten profitabel sein, genügt aber nicht, sofern man die Herausforderungen des Marktes gemeinsam nutzen will.“
Auch Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des BVDAK, mahnte seinerseits auf dem Kooperationsgipfel des Verbandes im Februar 2018, dass es ein Ziel von Kooperationen sei, sich für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen. Er verwies dabei insbesondere auf die Aktivitäten des Versenders Amazon, der sich anschickt, auch im Arzneimittelbereich Fuß zu fassen. Hartmann riet, dass sich die stationären Apotheken so rasch wie möglich untereinander vernetzen sollten. Es ergebe wenig Sinn, wenn jede Kooperation beispielsweise ihre eigene App entwickle: „Wir brauchen eine umfassende App für alle Apotheken, die der Kunde für jede Apotheke seiner Wahl verwenden kann, die den Medikationsplan enthält, eine Kundenkarte für alle stationären Apotheken, einen ‚Umzugsservice‘ für Medikationsdaten und eine apothekenübergreifende Anbindung mit Verweis auf die nächstgelegene stationäre Apotheke.“
Tatsächlich bieten Apothekenkooperationen in vielen Fällen bereits heute mehr als nur verbilligte Einkaufsmöglichkeiten an. So hat der Brancheninformationsdienst „markt intern“ bundesweit zehn Kooperationen in zehn Kategorien durch Apotheker bewerten lassen. Dabei wurden Aspekte wie „Kosten-/Nutzenverhältnis“, „Mitgestaltungsmöglichkeiten“, „Seminare/Schulungen“ und „Erfa-Gruppen“, „betriebswirtschaftliche Unterstützung“, „Konzepte/Organisation“ und „Werbemittel“ abgefragt. Dabei habe sich gezeigt, dass die Leistungsfähigkeit der einzelnen Kooperationen im Apothekenmarkt sehr unterschiedlich sei. Deshalb sollte jeder Apotheker prüfen, auf welchem Gebiet sein individueller Bedarf liege und dementsprechend seine Wahl treffen (vgl. auch die Checkliste).
Welche Möglichkeiten eine Kooperation konkret anbieten kann, zeigt ein Blick auf die vom Pharmagroßhändler Sanacorp betriebene Kooperation „Mea – Meine Apotheke“. Auf unsere Anfrage teilte das Unternehmen mit, dass die Dachmarke im Co-Branding mit der eigenen Apothekenmarke die Position im lokalen Wettbewerb stärken und zur Steigerung von Kundenbindung, Frequenz und Abverkauf beitragen soll. Im Einkauf biete die Kooperation Sonderkonditionen für das „Mea“-Sortiment. Zudem gebe es Einkaufsvorteile auf die Produkte namhafter OTC-Hersteller, auf freiverkäufliche Produkte sowie marktführende Generika und Reimporte. Ein Bonussystem mit Rückvergütung soll für zusätzliche Anreize sorgen. Auch im Marketing hat sich die Vereinigung etwas einfallen lassen. Da gibt es Monatsaktionen, einen Deko-Service, individualisierte Handzettel oder auch Marketingpakete für saisonale und zielgruppenorientierte Frequenzaktionen. Die Kooperation unterstützt zudem mit Sortiments- und Platzierungskonzepten für Sicht- und Freiwahl zur Optimierung der Flächenrentabilität und betreibt „Digital Marketing“. Wer Schulungsbedarf hat, kann sich weiterbilden zu Themenfeldern wie „pharmazeutische Kompetenz“, „Kommunikation“ und „Persönlichkeit“ sowie „Marketing und Verkauf“.
Allerdings sind Apothekenkooperationen in den seltensten Fällen uneigennützig. Man müsse sich fragen, wer dahinter stehe, appelliert Stadler. Vielfach sind es nämlich – wie eben im Fall von „Mea“ – die etablierten Pharmagroßhändler, die eine derartige Gemeinschaft betreiben und sich davon natürlich etwas versprechen, nämlich wirtschaftliche Vorteile: Immerhin sollen die angeschlossenen Apotheken vor allem im großhandelseigenen Sortiment einkaufen.
Und die Kosten?
Außerdem haben die Aktivitäten der Kooperationen ihren Preis. Laut Sanacorp beträgt der monatliche Mitgliedsbeitrag 420 €, für Filialen 320 €. In andere Fällen reichen die monatlichen Beiträge von 150 € bis 1.000 €. Vielfach kommen zudem noch Aufnahmebeiträge im Volumen von mehreren tausend Euro dazu. Für Apotheker lohnen sich diese Kosten nur, wenn die wirtschaftlichen Vorteile, die sie durch ihre Mitgliedschaft erzielen, die Ausgaben übersteigen.
Je nach Kooperation müssen die Mitglieder auch akzeptieren, dass die Kooperation mehr oder weniger stark in den Auftritt der einzelnen Apotheke eingreift, mal mit einem Logo bzw. Leuchtschriftzug oder – wie im Fall der früheren DocMorris-Apotheken – mit einem kompletten Branding. Für Stadler kommt das jedenfalls nicht infrage: „Ich würde keiner Kooperation beitreten, bei der mir ein Marketingkonzept übergestülpt wird und ich beispielsweise eine große Lichtanlage in meiner Apotheke installieren sollte. Mir ist schon wichtig, dass ich als inhabergeführte Apotheke erkannt werde.“
Darüber hinaus würde Stadler sich wünschen, dass die Kooperationen auch auf anderen Gebieten aktiver werden, beispielsweise bei Themen wie Datenschutz, Zertifizierungen oder Qualitätsmanagement. Hingegen sind politische Äußerungen der Kooperationen, die über deren eigentlichen Zweck hinausgehen, in Stadlers Augen völlig unangebracht. So wie im Fall des Marketing Vereins Deutscher Apotheker (MVDA), dessen Mitglied Stadler bis vor Kurzem gewesen ist. Nachdem die MVDA-Geschäftsführung im März 2018 öffentlich die Meinung kundgetan hatte, der Rx-Versand sei zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung notwendig, kündigte Stadler.
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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(10):6-6