„Das muss ich Ihnen bestellen!“

Wie Sie vermeiden können, dass Kunden Ihre Apotheke verärgert verlassen


Karin Wahl

Einmal mehr verlangt ein Kunde nach einem Präparat, das Sie gerade nicht vorrätig haben. Warum Sie die Formulierung „Das muss ich Ihnen bestellen!“ unbedingt vermeiden sollten und wie Sie gar nicht erst in die Situation kommen, sie verwenden zu müssen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Erst neulich eilte ein älterer Herr verärgert aus einer Apotheke und schimpfte laut vor sich hin: „Jetzt ist endgültig Schluss! Seit Jahren komme ich als treuer Stammkunde mit immer den gleichen Medikamenten in diese Apotheke. Und jedes Mal bekomme ich den Satz zu hören: ‚Das muss ich Ihnen bestellen!’ Jetzt mache ich es wie in der Fernsehreklame und lasse mir das per Post schicken! Kommt sogar bis an meine Türe!“ Wütend stapfte er davon.

Nicht in naivem Glauben verharren

In der Apotheke selbst gab man sich gelassen: Ja, der Mann sei Stammkunde, würde sich allerdings ständig beschweren, wenn seine etwas ausgefallenen Medikamente nicht da seien. Dann möge er doch im Internet bestellen. Letztlich komme er aber doch wieder zurück!

Wenn das kein Irrtum ist! Die Internet-Apotheken haben die Kritik aus den vielen Testkäufen genutzt und ihre Hausaufgaben gemacht. Zwar sind auch bei ihnen bestimmte Präparate nicht immer vorrätig. Sie werden aber sofort bestellt und noch am gleichen Nachmittag versendet. Bei Rx-Präparaten gewähren ausländische Versender dann noch einen Bonus von z.B. 2,50 €, eine Kundenzeitschrift liegt mittlerweile auch im Päckchen, und die Bestellung wird tatsächlich an der Haustüre abgeliefert. Somit sind Internet-Apotheken die Profiteure von Aussagen wie „Das muss ich Ihnen bestellen!“ – insbesondere dann, wenn kein Botendienst angeboten wird, die Bedienung sich unfreundlich-schnippisch zeigt und zudem der naive Glaube vorherrscht, dass der Kunde schon wiederkommen werde. Denn das wird er womöglich nicht!

Was Sie tun sollten, wenn ein Präparat nicht vorrätig ist

Es hinterlässt keinen guten Eindruck, wenn der Kunde denkt, dass sie um seinetwillen etwas tun „müssen“, er ihnen also zusätzliche Arbeit aufbürdet, die Sie nicht gerne erledigen. Deswegen gilt es, den Satz „Das muss ich Ihnen bestellen!“ unbedingt zu vermeiden. In einigen Apotheken ist es aus diesem Grund gängige Praxis, ihn mit 50 Cent zu „ahnden“, die in einem Sparschwein gesammelt werden. Trainieren Sie mit Ihrem Team zudem Formulierungen, die stattdessen verwendet werden sollten, z.B.: „Darf ich Ihnen das Medikament xy bis um 15:00 Uhr bestellen? Gerne bringen wir es Ihnen auch nach Hause. Bekommen Sie das Präparat einmalig? Oder ist es eine Dauermedikation? Und wie sollen Sie die Tabletten einnehmen?“

Aus den Antworten auf diese Fragen lässt sich dann ableiten, wie Sie weiter vorgehen sollten, und vielleicht auch, wie Sie – bitte immer unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben – das Problem der „Nicht-Vorrätigkeit“ für die Zukunft lösen können:

  • Wenn sich der Kunde damit einverstanden erklärt, dass Sie das Medikament für ihn bestellen, tun Sie dies natürlich und liefern es noch am gleichen Tag oder spätestens am nächsten Morgen.
  • Erhält der Kunde das Präparat nicht nur einmalig, sondern als Dauermedikation, z.B. in einer 100er-Packung mit der Einnahmeanweisung „täglich eine halbe Tablette“, wissen Sie, dass die Reichweite der Packung 200 Tage beträgt.
  • Wenn es sich um einen Stammkunden handelt, bietet es sich an, seinen Namen mitsamt Medikament – vom Liefertag ausgehend – nach z.B. 197 Tagen in einen „Reminder-Jahreskalender“ einzutragen. Dieser Kalender sollte gut sichtbar in der Warenannahme aufgehängt und vom Backoffice-Personal betreut werden.
  • Ist dann der 197. Tag gekommen, wird der Eintrag registriert. Um keine unnötigen Lager- oder Retourenkosten zu erzeugen, gilt es, den Kunden anzurufen, ihn zu fragen, wie es ihm geht und ob er demnächst wieder sein Präparat xy benötigt.
  • Natürlich geht dies alles auch viel eleganter, indem das Personal die Eintragung im EDV-System vornimmt und am Morgen des 197. Tages die entsprechende Information beim Hochfahren des Rechners erhält. Für den Fall übrigens, dass Sie diese Software-Funktion bislang noch nicht genutzt haben, sollten Sie mit Ihrem EDV-Haus sprechen.
  • Beide Methoden – sowohl die analoge als auch die digitale – sind praktikabel. Sie sollten sich für diejenige entscheiden, die vom ganzen Team akzeptiert wird.

Wenn Sie den Kunden nun also kontaktieren, erhalten Sie nicht nur die Information, ob Sie das Präparat nachbestellen müssen oder nicht. Vielmehr steigern Sie damit auch die Zufriedenheit des Kunden und können ihn für Ihre Apotheke begeistern: Er wird sich „geehrt“ fühlen, wenn „seine Apotheke“ ihn so persönlich betreut – und mit Sicherheit nicht zu einer Internet-Apotheke abwandern.

Wichtig: Auf diese Weise sollten Sie bei allen selten, aber doch regelmäßig benötigten Medikamente zumindest von Stammkunden vorgehen. Dazu zählen insbesondere auch die Hochpreiser, also Präparate, die wegen der sehr hohen Kosten nicht gerne auf Lager gelegt werden, wie z.B. Medikamente gegen das humane Immundefizienz-Virus (HIV) oder multiple Sklerose (MS) sowie Immuntherapeutika.

Stellschrauben, um Ihre eigene Lieferfähigkeit zu erhöhen

Dass Sie einen Kunden „auf später“ vertrösten müssen, ist oftmals auch einer vermeidbaren Angewohnheit in vielen Apotheken geschuldet: Zwar haben alle EDV-Systeme eine „Nein-Verkaufsfunktion“. Häufig wird diese aber nicht – oder zumindest nicht ausreichend – genutzt. Würden nämlich alle Nein-Verkäufe registriert und sorgfältig ausgewertet, können Sie schon sehr viel an Ihrer eigenen (d.h. der nicht Hersteller-Engpässen geschuldeten) Lieferfähigkeit von regulär häufig verordneten Medikamenten verbessern.

Halten Sie außerdem Ihr Backoffice-Personal dazu an, regelmäßig die Statistik auszuwerten. Wenn also beispielsweise fünf Bediener im Laufe eines Tages die gleichen verordneten Augentropfen beim Großhandel bestellen, sollte der Artikel auf Lager gelegt werden.

Als Chef schauen Sie natürlich auf den Wert Ihres Warenlagers und wollen Ihre Kapitalbindung so gering wie möglich halten. Das ist betriebswirtschaftlich auch absolut sinnvoll. Allerdings sollten Sie dabei stets – gerade um Ihrer Lieferfähigkeit willen – im Auge behalten, dass Sie die „richtigen“ Artikel vorrätig halten. Deswegen ist es wichtig, dass Ihr Personal das Warenlager regelmäßig überprüft, so z.B. nach

  • Menge,
  • Verfalldatum,
  • „Rennern und Pennern“ sowie
  • Nein-Verkäufen.

Dies alles sind „Basics“ für die Kontrolle des Warenlagers. Leider nur wird diese Kontrolle häufig in die Hände „irgendeines“ Mitarbeiters gelegt. Das allerdings ist unprofessionell. Vielmehr sollten Sie eine Person damit betrauen, die zuverlässig und gewissenhaft arbeitet. Überlegen Sie sich auch, ob Sie diese Person nicht sogar besonders vergüten. Denn schließlich ist das Warenlager der „dickste“ Posten in der Bilanz und entscheidet womöglich über das zukünftige „Sein oder Nicht-Sein“ Ihrer Apotheke. Denken Sie hierbei auch daran: Zwar kann die EDV Ihre Mitarbeiter bei der Kontrolle unterstützen. Aber noch lässt sich die menschliche nicht vollständig durch künstliche Intelligenz ersetzen!

Fazit

Auf den Satz „Das muss ich Ihnen bestellen!“ sollten Sie auf jeden Fall verzichten – bestenfalls, weil Sie ihn (fast) nicht mehr verwenden müssen. Das kann vor allem dadurch gelingen, dass Sie Ihr Warenlager optimieren. Andernfalls tritt das ein, worüber sich viele Kunden so sehr beklagen – nämlich dass die Apotheke einmal mehr nichts da hätte und man ständig zweimal kommen müsse. Damit treiben Sie auch Ihre treuesten Kunden mit der Zeit in die Arme der Versender!

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(14):8-8