Wenn Sie das Familienheim erben

Schneller Einzug spart Steuern


Helmut Lehr

Das Haus, in dem Ihre Eltern zuletzt gewohnt haben, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei erben. Es kommt entscheidend darauf an, dass Sie das Objekt unverzüglich selbst nutzen.

Wenn Kinder ein im Inland gelegenes Hausgrundstück von ihren Eltern bzw. einem Elternteil erben, bleibt der Vorgang erbschaftsteuerfrei, soweit

  • der Erblasser darin bis zu seinem Tod eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat,
  • die Wohnung durch den Erwerber unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird und
  • die Wohnfläche der Wohnung 200 m2 nicht übersteigt.

Konnte der Verstorbene das Objekt aus zwingenden Gründen nicht selbst nutzen (z.B. weil er ins Pflegeheim musste), können Sie die Steuerbefreiung dennoch in Anspruch nehmen.

Beispiel

Apotheker Weigandt verstarb im Januar 2016. Erben sind seine Söhne Wolfgang und Peter. Letzterer steht unter rechtlicher Betreuung. Ersterer soll das von Weigandt bis zum Tod selbst genutzte Wohnhaus (Wohnfläche: 150 m2) laut Testament als Alleineigentum erhalten. Die zwischen den Söhnen zunächst bestehende Erbengemeinschaft wurde im Februar 2017 durch einen notariell beurkundeten Vermächtniserfüllungsvertrag aufgehoben.

Da die Ergänzungsbetreuerin und das Betreuungsgericht den Vertrag genehmigen mussten, wurde Wolfgang erst Anfang September 2017 als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen. Vor dem Einzug ließ er das Objekt grundlegend renovieren, erste Angebote von Handwerkern holte er allerdings erst im April 2018 ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2018.

Nicht auf die lange Bank schieben

In einem vergleichbaren Fall verweigerte das Finanzamt die Steuerbefreiung für das Familienheim, weil der Erbe das Objekt nicht unverzüglich nach dem Erbanfall selbst genutzt hat. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat, wie zuvor schon das Finanzgericht, die Auffassung des Finanzamts bestätigt (Urteil vom 28.05.2019, Aktenzeichen: II R 37/16). Nach Ansicht der obersten Steuerrichter bedeutet unverzüglich "ohne schuldhaftes Zögern", d.h. innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Erbanfall.

Der BFH hält eine Frist von sechs Monaten für angemessen. Anschließend müssten Sie als Erbe genau darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt Sie sich für eine Selbstnutzung entschlossen haben, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und warum Sie diese Gründe nicht zu vertreten haben. Denkbar wäre hier insbesondere der Hinweis auf eine zeitintensive Erbauseinandersetzung zwischen Miterben oder die Klärung wichtiger Fragen zum Erbanfall (vgl. AWA 21/2015).

Hinweis: Ein allgemeiner Hinweis auf anstehende Renovierungsarbeiten dürfte regelmäßig nicht ausreichen, um einen verspäteten Einzug zu rechtfertigen. Entdecken Sie allerdings nach Beginn der Renovierung einen gravierenden Mangel der Wohnung, der vor dem Einzug beseitigt werden muss, sollte dies der Steuerbefreiung nicht entgegenstehen. Allerdings hat der BFH nochmals betont: Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbanfall und dem tatsächlichen Einzug in die Wohnung ist, umso ausführlicher müssen Sie dies dem Finanzamt gegenüber eventuell begründen.

Übrigens: Die Erbschaftsteuerbefreiung für das Familienheim können Sie nur beanspruchen, wenn Sie dort nach dem Einzug Ihren Lebensmittelpunkt haben. Nutzen Sie das Objekt als Zweit- oder Ferienwohnung, bleibt der Vorgang steuerpflichtig.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(23):18-18