Prof. Dr. Reinhard Herzog
Mit Erscheinen dieses Heftes beginnt meteorologisch bereits der Herbst. Mag es das Wetter noch spätsommerlich gut meinen – die Temperaturen sinken. Eine erste milde Erkältungswelle ist nicht unüblich. Das wäre der normale Gang der Dinge. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Nie war der Blick auf die kommende Wintersaison so kritisch. Die hässliche Ausgeburt der Coronaviren namens SARS-CoV-2 zeichnet sich dafür verantwortlich, während die Geschwister in Form von Erkältungsviren meist harmlos daherkommen und der gefährliche Vorläufer SARS-CoV-1 wohl ausgestorben ist. Wer aber einmal in Kontakt mit einem Vertreter der Coronaviridae gekommen ist, dem kann ein weiteres Mitglied dieser Familie typischerweise nicht mehr ganz so viel anhaben – Stichwort: Hintergrundimmunität. Vielleicht erwischt mich ja erst ein Corona-Erkältungsvirus, sodass SARS-CoV-2 nicht mehr ganz so arg wüten kann?
Doch welche Optionen sind, neben den üblichen Verhaltensregeln, gerade für einen Pharmazeuten im Spiel? Lassen Sie mich einige persönliche, instruktive Gedankengänge skizzieren.
Als Mann im Alter von 57 habe ich gemäß den "Sterbetafeln" des Statistischen Bundesamtes ein statistisches jährliches Sterberisiko von etwa 0,7%. Ohne nennenswerte Risikofaktoren und mit einem Body-Mass-Index von 21 dürfte es noch etwas niedriger liegen. Eine Corona-Infektion steigert dieses Sterberisiko um 30% bis gut 50% auf rund 1% und führt mit einer Wahrscheinlichkeit im niedrig einstelligen Prozentbereich in eine Klinik, je nach Modellannahmen. Persönliche Risikofaktoren würden diese Werte jedoch in unterschiedlicher Weise vervielfachen.
Im Übrigen unterscheidet sich die relative (!) Steigerung der Sterbewahrscheinlichkeit über die Altersklassen gar nicht so dramatisch wie gedacht. Aber es ist eben absolut ein großer Unterschied, ob ein 0,05%iges Risiko (wie bei einem 20-Jährigen) auf 0,07% steigt oder ein 8%iges Risiko (wie bei einer 85-Jährigen) auf 12%. Für all das muss man schon tief in die Statistik einsteigen. Last but not least: Männer haben ein fast doppelt so hohes Covid-19-Sterberisiko wie Frauen. Also Männer: Aufgepasst!
Was kann unsereins somit neben den allgemeinen Verhaltensregeln noch tun? Nun, für die Supplementierung von Vitamin D3 und Zink zur allgemeinen Infektionsprophylaxe existiert eine hinreichende Evidenz, bei sehr überschaubarem Risiko. Also sind 1.000 bis 2.000 Einheiten D3 und 10 mg Zink täglich gekauft. Für Cystin (nicht Cystein!) und Theanin (einen Hauptbestandteil des Schwarztees) liegen ebenfalls interessante Studienergebnisse zur Infektionsvorbeugung aus Japan vor. Also hinein damit, 200 mg resp. 100 mg täglich sollten reichen. Coenzym Q10 als Antioxidans könnte aufgrund antiinflammatorischer und gefäßprotektiver Wirkung positiv wirken – Covid-19 wird inzwischen ja auch als Gefäßkrankheit angesehen. Doch die Studienlage ist (noch?) mau. Trotzdem hinein damit, das Risiko ist ja gering? Mal sehen. Oder doch lieber das teure Resveratrol? Für MERS, das damalige Middle-East-Respiratory-Syndrome-Coronavirus, gibt es da tatsächlich positive Studiendaten.
Aber ein waschechter Apotheker von altem Schrot und Korn greift natürlich noch tiefer in die Pharma-Zauberkiste. Da frühzeitige Mikrothromben das Covid-19-Geschehen gerne dramatisch zuspitzen, fällt der Blick auf allerlei "Blutverdünner". Naheliegend ist die vorsorgliche Acetylsalicylsäure (ASS)-Einnahme (low-dose 50 mg bis 100 mg). Tatsächlich laufen hierzu Studien. Wahrscheinlich kommt daher ASS auch auf den Zettel. Allgemein empfehlen sollte man es aber nicht: Bei Blutungs- und Komplikationsraten, die je nach Alter durchaus im unteren Prozentbereich liegen, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis in der Breite fraglich. Da fällt einem spontan der gute alte Ginkgo-Baum ein – sind dessen teure Blattextrakte vielleicht eine Alternative?
Sollte sich die Lage zuspitzen, werde ich zudem statt der üblichen Masken den schon im Frühjahr kreierten "Corona-Kampfkragen" wieder aufsetzen – einen Kopf-Rundumschutz, zusammengeklebt aus je drei transparenten DIN-A4-Overhead-Folien aus den 1990er-Jahren meiner Hochschulzeit. Sicher ist sicher. Und ein Pulsoximeter (Stichwort: Sauerstoffsättigung) steht auch auf dem Einkaufszettel.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(17):19-19