Landapotheken

Opfer künftiger Klimapolitik?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Unbemerkt vom überwiegenden Teil der Bevölkerung erfolgen peu à peu Weichenstellungen, deren langfristige infrastrukturelle Auswirkungen noch kaum zu ermessen sind. Erste Publikationen in Massenmedien lüften jedoch langsam den Schleier von im Grunde lange bekannten Fakten. Worum geht es?

Die Tageszeitung "Die WELT" titelte unlängst online: "Hört auf, Häuser zu bauen!" Die "Häuslebauer" geraten nun als Klimasünder ins Fadenkreuz, trotz aller bereits heute bestehenden Auflagen. Regional werden Neubaugebiete schon seit Längerem nur noch sehr restriktiv ausgewiesen. Zu Recht? Schauen wir auf die Zahlen.

Unser Brutto-End-Energieverbrauch entfällt zu jeweils etwa 30% auf die gesamte Mobilität und die Industrie (Quelle: Umweltbundesamt). Die Haushalte steuern 25% bei, die restlichen 15% entfallen auf Handel und Gewerbe. Erneuerbare Energien haben einen Anteil von 18% (und 15%, wenn man die tatsächlich eingesetzte Primärenergie betrachtet). Schaut man nur auf den Stromverbrauch, beträgt der "regenerative" Anteil im Jahresdurchschnitt dagegen inzwischen gut 40% – mit bekanntermaßen enormen Spitzen und Tiefen. Es ist noch lange nicht alles elektrisch machbar, auch wenn die Elektrifizierung stark voranschreitet. Speziell in den Haushalten speist sich der Energieverbrauch zu rund 60% direkt aus fossilen Energieträgern (vor allem für die Heizung), indirekt kommen durch (heute noch) fossile Strom- und Fernwärmegewinnung knapp 20% obenauf. Damit sind die Haushalte für aktuell etwa 20% des gesamten Endenergiebedarfs verantwortlich, der noch mittels "böser" fossiler Energieträger gewonnen wird. Es verwundert deswegen nicht, dass sie in den Fokus rücken.

Vergleiche zeigen, dass höchstverdichtete Regionen den niedrigsten Energiebedarf pro Kopf insbesondere für die Klimatisierung und Mobilität aufweisen. Sehr günstig schneidet demzufolge z.B. Hongkong ab, während in ausgedehnten Städten wie Berlin und noch mehr Hamburg oder Paris der Energieaufwand schon das Drei- bis Sechsfache beträgt. An der Spitze liegen extrem weitläufige Energiefresser-Städte wie Los Angeles, die mehr als das Zehnfache einfordern. Die Gründe sind klar: Ein freistehendes, erst recht "ausgedehntes", wenig kompaktes Haus weist ein schlechtes Verhältnis zwischen Außenfläche (=für die Energieverluste relevant) und Nutzfläche auf. Weitläufige Siedlungen bedeuten zudem längere Wege und Aufwand für die Flächenpflege. Rein energetisch wäre also eine Art "Käfighuhn-Haltung" am effektivsten – was übrigens manchen Zeitgenossen aus bestimmten ideologischen Richtungen als Zukunftsvision zu taugen scheint, vor allem wenn sie dann an den steuernd-administrativen Stellen sitzen dürfen.

In der Tat gibt es in Asien und vereinzelt in Europa schon hochverdichtete Wohnkonzepte, die sogar eigene landwirtschaftliche Flächen in einen Gebäudekomplex integrieren, neben einer umfangreichen Begrünung und einem hohen Grad an eigener nachhaltiger Energiegewinnung. Im Hinblick auf eine alternde Gesellschaft, die schon lange währende Landflucht (die sich im Zuge von Corona und den Preiskapriolen in den Ballungsräumen gerade wieder umzukehren scheint) und eine verfallende ländliche Infrastruktur hat der Gedanke an eine Zusammenführung in hochverdichtete Räume durchaus seinen Reiz.

In vielen Städten wird die "Nachverdichtung" bereits lebhaft praktiziert. Nachkriegsbauten der 1950er bis 1970er Jahre werden abgerissen, und auf der gleichen Fläche entstehen mehr Wohneinheiten. Flachdächer werden daraufhin geprüft, ob sie sich aufstocken lassen. Gleichzeitig kommt das "Eigenheim im Grünen" nun in Verruf. Kassandrarufe tönen bereits von drohendem Leerstand und Unverkäuflichkeit. Die "Klima-Gesetzgebung" hat es (u.a. durch hohe Sanierungsanforderungen) in der Hand, diesen Prozess weiter in ihrem Sinne zu steuern.

Kurzum: Den Land- und Kleinstadt-Apotheken droht auch von dieser Seite kalter Gegenwind. Bei aller Sympathie für eine nachhaltige Gesellschaft könnte hier durch eine erratische Politik so manches Kind (bzw. manche Apotheke) mit dem "Klimarettungsbad" ausgeschüttet werden. Erratische Politik sehen wir täglich. Ein italienisches Sprichwort sagt aber auch: "Zwischen Reden und Tun liegt das Meer!"

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(04):19-19